Kreditwirtschaft

Chinas Banken suchen Ausweg aus der Margenklemme

Chinas Großbanken haben mit einem anhaltendem Rückgang der Nettozinsmargen zu kämpfen, der auch den Finanzregulatoren Unbehagen bereit. Dies macht es besonders schwierig, zur Anregung des Immobilienmarktes gedachte Zinsimpulse in die Tat umzusetzen.

Chinas Banken suchen Ausweg aus der Margenklemme

Chinas Banken stecken in der Margenklemme

Kritische Grenze erreicht – Zentralbank nimmt Rücksicht bei der Weitergabe von Zinsimpulsen – Mögliche Entlastung auf der Einlagenseite

nh Schanghai

Chinas Großbanken haben mit einem anhaltendem Rückgang der Nettozinsmargen zu kämpfen, der auch den Finanzregulatoren Unbehagen bereit. Dies macht es besonders schwierig, zur Anregung des Immobilienmarktes gedachte Zinsimpulse in die Tat umzusetzen.

Chinas Großbanken scheinen trotz der angespannten Konjunkturlage und schleppenden Kreditnachfrage in der Lage zu sein, Ertragsrückgänge zu vermeiden und auf niedrige bis mittlere einstellige Gewinnzuwächse zu kommen. Nachdem das zweitgrößte Kreditinstitut des Landes, China Construction Bank (CCB), für die erste Geschäftsjahreshälfte einen Anstieg des Nettogewinns um 3,4% vorweisen konnte, ist damit zu rechnen, dass auch der Marktführer Industrial and Commercial Bank Bank of China (ICBC) und weitere direkt staatskontrollierte Großbanken, die demnächst berichten werden, in der ersten Jahreshälfte bei der Gewinnentwicklung einigermaßen über die Runden gekommen sind.

Druck auf dem Kessel

Hinter den Kulissen baut sich allerdings mächtiger Druck auf, weil die seit dem vergangenen Jahr schrumpfenden Zinsmargen der Institute eine kritische Schwelle erreicht haben. Dies macht es den Staatsriesen immer schwerer, ihrer von der Regierung eingeforderten Rolle als Konjunkturunterstützer nachzukommen. Sie sollen mit großzügigeren Finanzierungen auf Schwachstellen in der Wirtschaft und insbesondere natürlich auch auf den wackelnden Immobiliensektor einwirken.

Im ersten Quartal war die durchschnittliche Nettozinsmarge der chinesischen Geschäftsbanken nochmals deutlich von 1,91 auf 1,74% zurückgegangen, was einige Besorgnis ausgelöst hat. Bei der CCB, deren Nettozinsmarge von 2,02% am Jahresende 2022 auf 1,83% zum März-Ultimo geschrumpft war, sieht man jetzt einen weiter gehenden, aber geringfügigeren Abstieg auf nunmehr 1,79%. Damit liegt man bei der CCB und wahrscheinlich auch bei ICBC unterhalb einer sogenannten roten Linie, die die chinesische Finanzdienstleistungsaufsicht bei 1,8% abgesteckt hat.

Eine weitere Einengung der Nettozinsmargen würde mit mit Blick auf Ertragsqualität, Dividendentragfähigkeit und Kapitaldecke also als kritisch angesehen. Dies macht es allerdings schwierig, von Peking als dringend angesehene Impulse in den Wohnimmobilienmarkt einzubringen, die schließlich auf eine Senkung der Hypothekenzinsen zur Anregung der Vergabe von Realkrediten hinauslaufen.

Hypothekenzins im Fokus

Das Dilemma ist in den vergangenen Tagen deutlich zum Vorschein getreten, nachdem ein Zinssenkungsschritt der Zentralbank nicht zur direkten Übertragung des Impulses auf Ebene der als Loan Prime Rate (LPR) bezeichneten Benchmarkzinsen für Unternehmens- und Hypothekenkredite geführt hatte. Beim monatlichen Fixing der LPR durch ein Konsortium chinesischer Großbanken wurde der Eckzins für fünfjährige Hypothekenkredite entgegen allen Erwartungen unverändert bei 4,2% belassen. Die für die Konditionen von Unternehmenskrediten maßgebliche LPR in der einjährigen Frist wiederum wurde geringfügiger als erwartet um 10 Basispunkte von 3,55 auf 3,45% gesenkt.

Zur Verblüffung der Marktteilnehmer erfolgte also eine höchst unvollständige Weitergabe des Zinsschrittes der Peoples Bank of China (PBOC), die eine Woche zuvor den wichtigsten Refinanzierungszins für Geschäftsbanken um 15 Basispunkte auf 2,5% gesenkt hatte. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass es die Zentralbank zunächst eilig hatte, mit einer Zinssenkung auf eine Finanzmarktunruhe einzuwirken, die von schwachen Konjunkturdaten, Zahlungsausfällen bei führenden Immobilienentwicklern und Anzeichen für eine Liquiditätskrise ausgelöst wurde. Eine rasche Umsetzung der Zinssenkung in Form von verbilligten Hypothekenkonditionen wurde den Banken wegen der kritischen Margensituation dann aber aber zunächst erspart.

Ein Hinweis auf spezielle Rücksichtnahme findet sich im kurz vor der Zinsentscheidung veröffentlichten geldpolitischen Bericht der PBOC. Dort heißt es wörtlich, „die Geschäftsbanken müssen ein vernünftiges Gewinn- und Margenniveau aufrechterhalten, um ihr operatives Geschäft abzusichern und Finanzrisiken vorzubeugen“.

Um den latenten Konflikt zwischen verstärktem konjunkturpolitischen Einsatz der Großbanken und Vermeidung von Finanzstabilitätsrisiken zu entschärfen, scheinen die Finanzregulatoren den Kreditinstituten etwas Zeit geben zu wollen, einen Margenpuffer zu schaffen. Dafür bietet sich in erster Linie eine Senkung ihrer Eckzinsen für Termin- und Spargelder an.

Tatsächlich hatten die fünf größten Banken des Landes Anfang Juni in einem offensichtlich mit den Regulatoren abgesprochenen konzertierten Schritt den Zins für Giroguthaben um 5 Basispunkte auf 0,2% gesenkt und die Zinsen auf einjährige und dreijährige Termingelder um jeweils 15 Basispunkte auf 2,45 beziehungsweise 2,5% zurückgenommen.

Analysten rechnen nun damit, dass in Kürze eine weitere Schmälerung der Einlagenzinsen erfolgen wird. Auf dieser Basis könnte dann beim nächsten Fixingtermin für die fünfjährige Hypotheken-LPR am 20. September mit besserem Gewissen eine Anpassung der Hypothekenkredit-Benchmark nach unten vorgenommen werden.

Die Probleme sind damit freilich noch nicht überzeugend gelöst. Zum einen, weil chinesische Sparer sehr sensibel auf die eher selten erfolgenden Veränderungen der Einlagenzinsen reagieren und damit die Wahrnehmung verbinden, dass man sich in wirtschaftlich besonders unsicheren Zeiten befindet, was nicht unbedingt positiv auf das Konsumklima abfärbt.

Unerwünschte Tilgungswelle

Zum anderen muss man befürchten, dass eine Verbilligung von neuen Hypothekenkrediten bei verringertem Einlagenzins den derzeit zu beobachtenden Trend eines Aussteigs aus alten Verträgen mit der vorgezogenen Tilgung von Hypothekenkrediten forciert. Das Rückzugsmanöver ist bereits so weit gegangen, dass man im Juli erstmals überhaupt ein leichtes Abschmelzen des Bestands an Hypothekenkrediten im chinesischen Banksystem beobachten konnte.

Chinas Großbanken haben mit einem anhaltendem Rückgang der Nettozinsmargen zu kämpfen. Dieser bereitet auch den Finanzregulatoren Unbehagen. Dies macht es besonders schwierig, die zur Anregung des Immobilienmarktes gedachten Zinsimpulse in die Tat umzusetzen.

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