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Chinas Bankenaufsicht setzt auf flexible Risikopuffer

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 16.3.2018 Chinas Bankenaufsicht hat in den vergangenen Monaten aufgedreht: Im Rahmen der heimischen Finanzstabilitätskampagne hat die Behörde eine Lawine von Verfahren gegen meist kleinere...

Chinas Bankenaufsicht setzt auf flexible Risikopuffer

Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Bankenaufsicht hat in den vergangenen Monaten aufgedreht: Im Rahmen der heimischen Finanzstabilitätskampagne hat die Behörde eine Lawine von Verfahren gegen meist kleinere Finanzinstitute losgetreten, die unreguliertes Geschäft betreiben und Risiken außerhalb der Bilanz verstecken. Im Tandem mit der Zentralbank und ihrer strafferen Geldmarktsteuerung gilt es, vor allem intransparente Geschäfte als Risiko aufzudecken. Dabei geht allerdings auch die Befürchtung um, dass der Kampf gegen die hohe Verschuldung in China die Wirtschaft in dem Land bremsen könnte. Mehr SpielraumWährend des laufenden chinesischen Volkskongresses ist bekannt geworden, dass die China Banking Regulatory Commission (CBRC) mit sofortiger Wirkung die Mindestanforderungen für die Abdeckung von ausfallgefährdeten Krediten (Non-Performing Loans, NPL) senken will. Mit diesem Schritt will die Aufsicht Großbanken entlasten, wie chinesische Beobachter vermuten. Die Institute sollen offenbar mehr Spielraum für die Steuerung des Eigenkapitals erhalten, um mehr Kredite vergeben zu können. Gleichzeitig dürfte es der Bankenaufsicht mit ihrem Vorstoß aber auch darum gehen, ihre bislang eher grobe Methodik bei den regulatorischen Vorgaben für Risikovorsorgepolster zu verfeinern. Im Fokus steht die Abdeckung von notleidenden Krediten mit Risikovorsorge (Loan Loss Coverage Ratio). Die Mindestanforderungen für einzelne Institute können bislang nach Gutdünken des Regulators von 150 % auf bis zu 120 % gesenkt werden. Stärkung der KapitaldeckeDiese erhebliche Erleichterung will der Regulator allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen gewähren. Als entscheidende Kriterien gelten die Höhe der regulatorischen Eigenkapitalquoten eines Instituts, sein Risikomanagement und die transparente Klassifizierung von notleidenden Krediten. Auch gibt es eine Auflage, dass die Banken die mit einer Rückführung der Vorsorgequote erzielten Gewinne nicht an die Aktionäre auskehren dürfen, sondern zur Stärkung der Kapitaldecke einbehalten müssen. Chinesische Großbanken hatten bereits seit zwei Jahren Lobbyarbeit geleistet, um den Regulator zur Lockerung der im internationalen Vergleich als hoch geltenden Quote zu bewegen. Zwar ist die Abdeckungsquote der chinesischen Geschäftsbanken in den vergangenen Jahren deutlich gesunken (siehe Grafik), liegt mit zuletzt 180 % im Durchschnitt aber noch immer deutlich über der regulatorischen Norm. Die Quote wurde dennoch zum Reizthema in der Branche, nachdem einige chinesische Großbanken in den vergangenen zwei Jahren Schwierigkeiten hatten, die Norm von 150 % einzuhalten. Großbank ICBC als SünderZwar verwehrte sich CBRC gegen eine förmliche Senkung der Risikobegrenzung, doch sahen die Aufseher in den vergangenen Jahren eine Reihe an Fällen, bei denen staatliche Großbanken in ihren Quartalsausweisen die regulatorische Mindestquote unterschritten hatten, ohne dafür explizit zur Verantwortung gezogen zu werden. Insbesondere die chinesische Marktführerin Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) fiel aus dem Rahmen, als sie 2016 nur noch auf eine Abdeckungsquote von 136 % kam. Damals ging es vor allem darum, die von hohen Kreditausfällen geschwächte Bank zu stärken, um Ertrags- und Gewinnrückgänge zu vermeiden. Auch andere chinesische Kreditriesen hatten die geforderte Quote – allerdings nur sehr geringfügig – unterschritten. Die Coverage-Ratio-Norm war im Jahr 2011 eingeführt worden und war als antizyklische Maßnahme gedacht, um Banken nach einem ausufernden Kreditboom auf eine bereits absehbare Kreditausfallwelle vorzubereiten. Mit dem Aufbau von Risikopuffern sollten die Institute ausreichend Vorsorge leisten. Chinas Großbanken haben denn auch seit Dekadenmitte mit erheblichen Problemen zu kämpfen. So hat sich die Bonität von Unternehmen verschlechtert, während zugleich die Zahl der Kreditausfälle anstieg. Anleger sind skeptischSicherlich hat sich die Lage der Branche im Zuge einer konjunkturellen Erholung und eines sehr kräftigen Anstiegs der Unternehmensgewinne in China im vergangenen Jahr wieder etwas entspannt. Dennoch gilt die Bewertung der Kreditqualität als unsicher. An der Börse fallen Banken mit einer zurückhaltenden Bewertung auf. Analysten und Ratingagenturen melden immer wieder Zweifel über die Praktiken der Banken bei der Auszeichnung von notleidenden Krediten an. Dabei geht es vor allem um substanzielle Portefeuilles von Krediten, die Zahlungsrückstände von mehr als 90 Tagen aufweisen, ohne dass eine entsprechende Wertminderung bilanziell reflektiert wird. Transparenzgewinn erhofftDie Aufsichtsbehörde CBRC dürfte mit ihrem neuen Regulierungsansatz mit individuell gestaffelten Quotenvorgaben zwischen 120 % und 150 % vor allem Anreize setzen wollen, um solide kapitalisierte Institute zu einer offensiveren und transparenteren Auszeichnung von Problemkrediten zu bewegen und gleichzeitig die Bereitschaft zur Abschreibung der Darlehen zu steigern. Der Ansatz mit gestaffelten Quoten dürfte eine sinnvolle Herangehensweise sein, um chinesische Kreditinstitute zu einer Bereinigung von Altlasten zu animieren, urteilen auch Ratingagenturen. Allerdings dürften die schlummernden Kreditrisiken erst dann von den Banken rigoros erfasst werden, wenn der Rechnungslegungsstandard IFRS 9 umgesetzt wird. Denn um die Risikovorsorge zu berechnen, müssen Banken nach diesem Standard alle erwarteten Verluste über die gesamte Laufzeit hinweg erfassen.