GASTBEITRAG

Coco-Bonds: Warnung der Aufseher übertrieben

Börsen-Zeitung, 3.1.2015 Banken emittieren in zunehmenden Maße Contingent-Convertible-Anleihen, sogenannte Coco-Bonds, die insbesondere im aktuellen Niedrigzinsumfeld teils mit attraktiv erscheinenden hohen Kupons ausgestattet sind. Die...

Coco-Bonds: Warnung der Aufseher übertrieben

Banken emittieren in zunehmenden Maße Contingent-Convertible-Anleihen, sogenannte Coco-Bonds, die insbesondere im aktuellen Niedrigzinsumfeld teils mit attraktiv erscheinenden hohen Kupons ausgestattet sind. Die Finanzaufsichtsbehörden berücksichtigen diese Coco-Bonds bei der Bemessung des Eigenkapitals einer Bank, wenn sie bestimmte Ausstattungsmerkmale aufweisen. So gehört z. B. die Wandelbarkeit in Aktien oder die Abschreibungsmöglichkeit dieser Anleihen bei Unterschreiten einer bestimmten Kernkapitalquote der Bank zu den Charakteristika. Mit anderen Worten: Der Gläubiger eines Coco-Bonds wird unter bestimmten Voraussetzungen vom Fremdkapitalgeber zum Eigenkapitalgeber und damit an den möglichen Verlusten der Bank beteiligt. Die Übernahme dieser Risiken soll dem Anleger durch einen hohen Kupon schmackhaft gemacht werden. Für Private nicht geeignetFinanzaufsichtsbehörden wie die BaFin oder die Financial Conduct Authority (FCA) haben nun deutlich gemacht, dass sie diese Finanzinstrumente als Anlageprodukt für den privaten Investor für ungeeignet halten. So hat die FCA in Großbritannien den Vertrieb dieser hochkomplexen Anleihen an Privatinvestoren seit Oktober 2014 für ein Jahr vorübergehend eingeschränkt. Erlaubt ist der Vertrieb seitdem nur an institutionelle, professionelle, hochvermögende Investoren. Die BaFin und die European Securities and Markets Authority (ESMA) warnen eindringlich vor den Risiken dieser Anlagekategorie, wie z. B. der hohen Komplexität und der schwierigen Bewertung dieser Anleihen, und üben ebenfalls Kritik am Vertrieb an Privatinvestoren. Mit Blick auf den potenziellen Interessenkonflikt, der sich ergibt, wenn Banken eigene Coco-Emissionen an ihre Kundschaft vertreiben, kündigte die BaFin eine strenge Beobachtung der Vertriebstätigkeiten an. Komplexe AusfallrisikenDie Bedenken der Finanzaufsichtsbehörden sind durchaus gerechtfertigt. Selbst für professionelle Investoren gestaltet sich die Bewertung dieser Anleihen hinsichtlich des Ausfallrisikos sehr komplex. So können zwar fundamentalanalytisch mit Hilfe von modellbasierten Ansätzen mögliche Über- und Unterbewertungen ausfindig gemacht werden. Zur umfassenden Beurteilung der Attraktivität eines Coco sind jedoch auch nicht unerhebliche bankenregulatorisch bedingte Unwägbarkeiten einzukalkulieren. So kann etwa die Bankenaufsicht die Zahlung des Kupons und sogar die Rückzahlung der Anleihe verhindern. Eine Kündigung, Rückzahlung oder der Rückkauf von Seiten des Schuldners ist also nur möglich, wenn die Aufsicht die Erlaubnis dafür erteilt. Dabei gelten eine Frist von fünf Jahren nach Begebung der Emission sowie ein “ausreichend” hohes Eigenkapital als Voraussetzung.Der – nota bene auf überwiegend nicht öffentlich zugänglichen Bankdaten beruhende – Bankenstresstest, der im Herbst 2014 veröffentlicht wurde, hat zwar Hinweise darauf gegeben, welche Bank über “ausreichend” hohes Eigenkapital im Sinne der aktuellen Bankenregulation verfügt. Inwieweit sich aber die Definition der (geschäftsmodell- und länderspezifischen) Stresstestszenarien bei künftigen Stresstests verändern wird und wie stabil sich die regelmäßig zu veröffentlichenden Eigenkapitalquoten der Banken entwickeln werden, ist jedoch fraglich. So glaubt die Ratingagentur Standard & Poor’s beispielsweise, dass die von Banken veröffentlichten regulatorischen Kapitalquoten aufgrund von stärker auf Risikosensitivitäten ausgerichteten Risikogewichtungsmodellen volatiler und weniger vorhersagbar werden.Des Weiteren ist es für Investoren schwer abschätzbar, ab welchem Zeitpunkt die Bankenaufsicht bei einer Verschlechterung der Finanzkraft einer Bank die Zahlung des Kupons oder die Rückzahlung der Anleihe untersagen wird oder gar – im Fall der Restrukturierung einer Bank – die Verlustbeteiligung der Gläubiger einleiten wird. Inwieweit die Aufsicht neben den veröffentlichten Eigenkapitalquoten der Banken auch die Verlustabsorptionsfähigkeit der zusätzlichen Eigenkapitalpuffer mit in die Beurteilung der Überlebensfähigkeit der Bank einfließen lässt, ist eine weitere Unbekannte. So ließ sich in jüngster Zeit beobachten, dass Aufsichtsbehörden in der Eurozone früher als zuvor eine Bank als nicht lebensfähig einstuften und die Restrukturierung einleiteten. Bis der Investor die Möglichkeit hat, über veröffentlichte Geschäftszahlen den Ernst der Lage selbst abschätzen zu können, dürfte es schon zu spät sein.Ein weiteres – allerdings marktübliches – Risiko, das Investoren managen müssen, ist angesichts der langen Laufzeit das einer Zinsänderung. Eine Investitionsentscheidung alleine vom Rating des Coco, der Triggerhöhe (Eigenkapitalquote, die eine Wandlung bzw. Abschreibung auslöst) oder der Rangstufe der Anleihe abhängig zu machen reicht also definitiv nicht aus. Zuverlässige Schätzungen über die zu erwartende Volatilität von Eigenkapitalquoten und die Verlustabsorptionsfähigkeit von Kapitalpuffern der Bank sind mit ins Kalkül einzubeziehen. Eine zeitnahe Beobachtung des Emittenten und des regulatorischen Umfeldes ist damit unabdingbar. Investoren lernfähigSoweit zu den Argumenten, die in der Tat den Investor zu Vorsicht mahnen. Ob dies allerdings gleich per Verwaltungsakt geschehen muss, sei dahingestellt. Auch vor Aktien warnt schließlich nicht die BaFin. Das Gegenargument ist nämlich, dass institutionelle Investoren offensichtlich gelernt haben, mit diesem neuen Instrument umzugehen. Das hohe Emissionsvolumen im Tier 1-Coco-Bond Segment des europäischen Bankenmarktes, traf auf starke Nachfrage seitens renditehungriger Investoren. Fundamental unterstützt wurde die Nachfrage durch klare Verbesserungen der Kernkapitalquoten vieler europäischer Banken, wodurch das Bild eines Wiedererstarkens der Finanzkraft des Bankensektors entstand. Volatile AnlageformDer allgemeine Sell-off an den Kapitalmärkten im zweiten Halbjahr 2014 führte auch im Markt der Tier-1-Cocos zu erhöhter Volatilität und Spreadausweitungen, die die Gewinne des ersten Halbjahres von in der Spitze 100 Basispunkten zunichtemachten. Der Investor muss sich darüber im Klaren sein, dass es sich bei Coco-Bonds um eine volatile Anlageform handelt. Ob der Kupon das Risiko angemessen vergütet, ist für einen jeden Emittenten und für jede Emission jeweils detailliert zu analysieren. Für Privatanleger eignet sich eine Investition in Coco-Bonds damit am ehesten über Fonds, die von entsprechend erfahrenen Managern verwaltet werden.—-Bernd Feldhaus, Senior Portfoliomanager beim Rentenhaus Inprimo Invest GmbH