Fintech-Investments

Commerzbank begrünt Main Incubator

Die Commerzbank richtet ihren Main Incubator auf Nachhaltigkeit aus. Der Frühphaseninvestor soll sich zum Kern eines nachhaltigen Ökosystems entwickeln. Die Tochter firmiert in Neosfer um.

Commerzbank begrünt Main Incubator

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Die Commerzbank richtet ihren Main Incubator neu aus: Der Frühphaseninvestor der gelben Bank soll sich nicht mehr nur um Fintechs, sondern künftig ebenso um auf Nachhaltigkeit spezialisierte Start-ups, sogenannte Greentechs, kümmern.

Mit dem Strategieschwenk einher geht eine Umbenennung der Tochter in Neosfer, wie die beiden Geschäftsführer Matthias Lais und Kai Werner sowie Verwaltungsratschef Jörg Oliveri del Castillo-Schulz, im Hauptberuf Chief Operating Officer (COO) der Großbank, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung berichten. Die erste Silbe des Namens („Neo“) soll Neues und Innovation vermitteln, der zweite Wortteil („sfer“) ist an „Transfer“ angelehnt – mit dem Namen Main Incubator war schon vor der Neuausrichtung nicht mehr jeder Verantwortliche glücklich, da gerade Ge­sprächspartner aus dem Ausland „Main“ nicht unbedingt mit dem rechtsrheinischen Wasserlauf assoziierten, sondern eher ins Englische übersetzt „Haupt-“ verstanden.

Zweite Häutung

Für die Tochter der Commerzbank ist dies die zweite Häutung seit Gründung im Jahre 2013: Ursprünglich als Inkubator für Fintechs gegründet, hatte sich der Main Incubator schon zuletzt verstärkt als Forschungs- und Entwicklungseinheit der Gruppe positioniert. Der nun beschlossene Wandel soll sicherstellen, dass die Tochter am Puls der Zeit bleibt. In den vergangenen neun Jahren hat sich der Markt verändert. Zum einen wachsen Finanz-Start-ups und etablierte Banken zunehmend zusammen, zum anderen tummeln sich im Sektor der grünen Start-ups, der Greentechs, längst ebenso vielversprechende Neugründungen wie einst im Fintech-Sektor.

Mit der Neuausrichtung winkt der Bank zudem ein Wettbewerbsvorteil – die Deutsche Bank etwa investiert zwar in Fintechs wie Traxpay, einen Plattformbetreiber für die Lieferkettenfinanzierung. Von Investitionen in Greentechs durch das Institut – gar institutionalisiert – ist bislang indes nichts bekannt, auch wenn Deutschlands größtes Kreditinstitut Nachhaltigkeit zu einer seiner strategischen Prioritäten erklärt hat.

„Beide Trends werden ohnehin irgendwann zusammenlaufen“, sagt Neosfer-Geschäftsführer Kai Werner den strategischen Schwenk der Commerzbank-Tochter. „Schon jetzt be­dienen sich Start-ups, die Nachhaltigkeitslösungen entwickeln, in der Regel digitaler Technologie.“

Der Vorstoß findet statt im Zuge einer breiter angelegten Initiative, die Commerzbank zu einer „digitalen Beraterbank“ umzubauen, zugleich Kosten zu senken sowie die IT zum Treiber neuer Geschäftsansätze zu machen. „Die Fortentwicklung der Technologie ist entscheidend“, postuliert Oliveri del Castillo-Schulz: „Ohne leistungsfähige IT kann Banking heutzutage nicht mehr funktionieren.“ Dabei gilt gerade die Commerzbank gemeinhin nicht als Vorbild für eine moderne IT. Einige Komponenten sollen noch aus den achtziger Jahren stammen, wie ehemalige Vorstände berichten. Diesem Eindruck tritt Oliveri del Castillo-Schulz entgegen mit dem Hinweis darauf, dass bereits über 40 % der Anwendungen im Konzern in der Public Cloud laufen: „Damit gehören wir zu den führenden Banken. Bei uns laufen auch Kundenportale wie das der Comdirect komplett in der Cloud. Da sind wir weit vorne.“

Frische Ideen für die Bank

An den Grundsätzen des umbenannten Main Incubators soll sich nichts ändern: Die Einheit soll Trends beobachten, Wagniskapital investieren und neue Anwendungen für die Bank nutzbar machen. Als Beispiel für einen Import neuer Ideen nennt Oliveri del Castillo-Schulz „Lissi“, ein auf Distributed-Ledger-Technologie basierendes Instrument zur Feststellung internetgestützter Identitäten, das im Main Incubator entwickelt wurde und nun in der Bank eingesetzt wird. Aber: „Der Fokus der Technologien erweitert sich. Wir setzen stärker auf Nachhaltigkeit, und dafür nutzen wir auch Neosfer.“

Tuchfühlung zum Sektor der Greentechs hat die Commerzbank schon im September vergangenen Jahres aufgenommen. Da veranstaltete sie ein „Impact Festival“, eine vom Land Hessen gesponserte Veranstaltung mit 1500 analogen und nochmals 500 bis 600 digitalen Teilnehmern, auf der sich 154 Aussteller Firmenkunden der Bank präsentierten. „Wir hatten die Idee für das Impact Festival und haben die Coronazeit gut genutzt. Am Ende ist daraus Europas größte B2B-Impact-Veranstaltung geworden“, sagt Werner. Für 2022 ist eine Neuauflage geplant. „Wir verstehen Trends besser, wenn wir draußen sind und mit anderen zusammenarbeiten“, erklärt Lais. „Über unsere Arbeit der vergangenen Jahre und insbesondere mit Events wie Between the Towers und dem Impact Festival haben wir uns sehr erfolgreich ein Netzwerk gebaut. Dieses wollen wir nutzen, um nachhaltige Transformation zu treiben.“ Derzeit stehe man mit 450 Greentechs in Kontakt, heißt es.

Bereits investiert hat die Bank in die Greentechs Global Changer und Dabbel: Global Changer hat Software und andere Instrumente entwickelt, die Unternehmen dabei helfen sollen, ihre Treibhausgasemissionen zu messen und zu reduzieren. Dabbel verspricht, mittels künstlicher Intelligenz die Emission von Kohlendioxid durch Bürogebäude um bis zu 40 % zu verringern.

„Ein neues Ökosystem“

Bisher hat sich die Bank nicht dafür bezahlen lassen, dass sie auf diese Weise Greentechs mit ihren Kunden zusammenbringt. Ausgeschlossen ist das für die Zukunft nicht: „Wir bauen an einer Lösung, um beide Seiten strukturiert zusammenzubringen“, sagt Lais, und Oliveri del Castillo-Schulz ergänzt: „Wir wollen hier als Netzwerkpartner eine Plattform bieten. Dies kann der Start eines neuen Ökosystems sein.“

Für Neosfer relevante Steuerungsgrößen legen die Manager nicht offen. „Es ist schwer, Innovation nur mit Steuerungsgrößen zu messen“, erläutert Werner. „Für uns ist es auch ein Erfolg, wenn wir etwas lernen und dies dokumentieren können, ohne dass sich dies direkt in Erträgen niederschlägt.“ Das Management wolle dabei drei bis fünf Jahre nach vorne blicken und beschäftige sich derzeit mit den Schlagworten Metaverse und Quanten-Computing. „Jetzt geht es darum, neben der digitalen auch die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu sehen.“ 

Vor dem Start von Neosfer hat die Commerzbank „gesellschaftsrechtliche Anpassungen vorgenommen“, wie Oliveri del Castillo-Schulz erklärt: Die bereits bestehenden Investitionen verbleiben demnach im Main Incubator, die künftigen werden hingegen in einer neuen Rechtseinheit gebündelt.

Ob und inwieweit Neosfer auf Grund ihres künftig erweiterten Wirkungskreises auch über ein höheres Budget verfügen darf, darüber ist nach Angaben des COO noch nicht entschieden worden. Derzeit zählt der Main Incubator 25 Beschäftigte, die bei Bedarf um Spezialisten ergänzt werden. Bisher hat die Commerzbank-Tochter über ein Investitionsbudget im mittleren zweistelligen Millionenbereich verfügt.

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