Privatbanken

Commerzbank-Management scheut Prognose

Nach hohen Verlusten im zweiten Quartal will sich das Management der Commerzbank nicht festlegen, ob die Bank 2021 rot oder schwarz schreiben wird. Potenzial soll das Privatkundengeschäft bereithalten.

Commerzbank-Management scheut Prognose

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Nach einem hohen Verlust im zweiten Quartal will sich das Management der Commerzbank noch nicht auf eine Aussage dazu festlegen, ob die Bank im laufenden Jahr netto schwarze oder rote Zahlen schreiben dürfte. Die Gewinnschwelle zu erreichen, ist mit der jüngsten Sonderabschreibung wegen des Stopps der Auslagerung der Wertpapierabwicklung nicht einfacher geworden, wie Finanzvorständin Bettina Orlopp am Mittwoch deutlich machte. Das Er­gebnis sei aber auch wegen potenziell positiver Effekte schwer zu prognostizieren, erklärte sie. So habe die Bank ihre Risikovorsorge recht hoch veranschlagt, auch seien weitere Er­gebnisbeiträge des hauseigenen Wag­niskapitalgebers Commerz Ventures möglich: „Für eine finale Aussage ist es einfach noch zu früh.“ Irgendwo um die Nulllinie aber dürfte das Ergebnis liegen, ob rot oder schwarz. Orlopp will, bevor sie sich näher äußert, zunächst das dritte Quartal abwarten.

Die Schätzungen streuen

Analysten hatten im Konsens zu­letzt einen Fehlbetrag von 315 Mill. Euro auf dem Zettel; dabei streuten ihre Schätzungen zwischen einem Ge­winn von 216 Mill. und einem Verlust von 644 Mill. Euro. Um nach Steuern schwarze Zahlen zu zeigen, müsste der Konzern im zweiten Halbjahr­ ohnehin kräftig aufdrehen, schließlich steht nach dem ersten Halbjahr ein Fehlbetrag von 394 Mill. Euro zu Buche (siehe Tabelle). Noch sei die Bank netto negativ, allerdings habe sie im ersten Halbjahr bereits viele Belastungen gebucht, gab Orlopp­ zu bedenken. Neben der jüngsten Sonderabschreibung in Sachen Wertpapierabwicklung ha­ben im zweiten Quartal Restrukturierungskosten das Ergebnis mit gut 500 Mill. Euro belastet. Von den im Zuge der Restrukturierung zu buchenden Umbaukosten von rund 2 Mrd. Euro stehen nach Angaben der Bank damit nur mehr 170 Mill. Euro aus.

Im Zwischenbericht stellt das Management für 2021 „Erträge leicht über denen des Geschäftsjahres 2020“ in Aussicht. Die Ende März ausgegebene Prognose operativer Kosten von rund 6,5 Mrd. Euro bestätigt die Bank nur mehr unter Ausklammerung der Sonderabschreibung wegen der jüngst abgeblasenen Auslagerung ihrer Wertpapierabwicklung.

„Die Umsetzungsrisiken überstiegen die Vorteile bei weitem“, erklärte Vorstandschef Manfred Knof in einer Telefonkonferenz mit Journalisten das Aus für das Vorhaben. „Eine echte Alternative zur Notbremse gab es nicht.“ Fragen nach Konsequenzen aus dem vier Jahre nach Ankündigung gestoppten Outsourcing an HSBC Transaction Services, welches im zweiten Quartal das Ergebnis mit einer Sonderabschreibung von 200 Mill. Euro sowie Rückstellungen in zweistelliger Millionenhöhe drückte, wich er mehrfach aus. Nach dem Rückzieher Ende Juli steht vor allem IT-Vorstand Jörg Hessenmüller, dessen Vertrag erst Mitte Juni um fünf Jahre verlängert worden ist, in der Kritik.

Bank bucht Gebühren zurück

Nach dem höchstrichterlichen Urteil zur Zustimmungsfiktion im Falle von AGB-Änderungen hat die Commerzbank im zweiten Quartal zwar Kosten von 66 Mill. Euro ge­bucht, lässt ihre Ertragsplanung mit Verweis auf eine positive Dynamik im Privatkundengeschäft aber dennoch unverändert, wie mitgeteilt wurde. Orlopp zufolge wird die Bank in den kommenden Wochen Einnahmen aus nach dem Richterspruch Ende April wirksam gewordenen Gebührenerhöhungen automatisch zurückbuchen und auf ver­schiedenen Wegen versuchen, ihre Kunden zur nachträglichen Zustimmung zu AGB-Änderungen zu bewegen. Forderungen nach einer Rückzahlung von Gebühren, die aus Erhöhungen vor dem Urteil und seit Anfang 2018 resultieren, will die Bank individuell prüfen.

Zugleich forciert das Institut die Er­hebung negativer Einlagezinsen. So halbiert sie in diesem Monat den Freibetrag für Neukunden auf 50000 Euro. Bestandskunden würden „sukzessive individuell angesprochen“, hieß es. Orlopp macht dabei „noch erhebliches Potenzial“ aus. Laut einer Präsentation bittet die Bank Privatkunden derzeit für 13 Mrd. Euro von insgesamt 148 Mrd. Euro an Retail-Depositen zur Kasse. Dabei sind noch Einlagen von 25 Mrd. Euro über je mehr als 100000 Euro sowie 22 Mrd. über je mehr als 50000 Euro nicht mit Negativzinsen belegt. Weitere Depositen über 89 Mrd. Euro haben jeweils ein Volumen von weniger als 50000 Euro. Bei Bestandskunden setzt das Haus weiterhin auf individuelle Vereinbarungen und werde dieses Verfahren auch nicht ändern, betonte Orlopp. An Einnahmen aus negativen Zinsen plant sie für 2021 im Retail-Geschäft 50 Mill. Euro ein.

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