Corona verstärkt Verwundbarkeit des Finanzsektors

Fragilität von Investmentfonds und Refinanzierung von Unternehmen treibt die EZB um

Corona verstärkt Verwundbarkeit des Finanzsektors

bn Frankfurt – Die Corona-Pandemie hat die Verwundbarkeit des Finanzsektors in Euroland verstärkt, wie die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht erklärt. Dazu zählen die Stabilitätswächter neben hohen Bewertungen von Assets fragile Investmentfonds, die Frage der Nachhaltigkeit von Staats- und Unternehmensschulden sowie die geringe Ertragskraft im Bankensektor. Zudem treibt die Refinanzierung von Unternehmen die Notenbank um.Wie sie in ihrem knapp 140 Seiten umfassenden Bericht darlegt, hat die Covid-19-Pandemie das Volumen der den Unternehmen bereitgestellten Kredite im März auf 120 Mrd. Euro getrieben, den höchsten Wert seit Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion sowie knapp das Doppelte des in der Finanzkrise verbuchten Höchstwertes (siehe Grafik). Fast die Hälfte dieser Ausreichungen entfielen dabei auf Fälligkeiten von bis zu einem Jahr, was quer durch Euroland eine bedeutende Verschiebung hin zu kürzeren Fälligkeiten bedeutet, wie die EZB schreibt. Gerade in den von der Krise besonders betroffenen Sektoren macht sie für die kommenden beiden Jahre einen bedeutenden Schuldenrefinanzierungsbedarf aus – allein im Falle des Hotel- und Restaurantgewerbes errechnet sie noch fürs laufende Jahr ein Volumen von knapp 20 Mrd. Euro. Probleme bei der Umschuldung könnten in Solvenzprobleme münden, gerade vor dem Hintergrund einer sich verlangsamenden Wirtschaftsdynamik sowie in Frage gestellter Geschäftsmodelle, skizziert die EZB eine potenzielle Belastung für den Bankensektor. Die im Kampf gegen die Krise staatlich gewährten Garantien von bis zu 100 %, welche in der Bundesrepublik mit 822 Mrd. Euro nicht weniger als 24 % des Bruttoinlandsproduktes 2019 entsprechen, federn diese gleichwohl ab.In diesem Zusammenhang attestiert die EZB ihren eigenen Interventionen in der Krise Wirkung. So hätten die im Februar für Wochen unterbrochenen Emissionsaktivitäten am Markt für Corporate Bonds Ende März wieder eingesetzt, nachdem insbesondere das Wertpapierankaufprogramm PEPP das Risikosentiment verbessert habe, heißt es. An anderer Stelle merken die Stabilitätswächter an, vor allem die Ausweitung des Wertpapierankaufprogramms auf Commercial Paper habe mit den Dollar-Operationen der EZB eine Absicherung gebildet in einer Situation, in der Geldmarktfonds und andere Anleger Nichtbanken-Commercial-Paper verkaufen wollten oder von entsprechenden Investitionen abzurücken begannen. Dies habe generell die Liquiditätsversorgung im Markt verbessert. “Die von uns getroffenen Maßnahmen haben positiv gewirkt”, erklärte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Dienstag in einer Telefonkonferenz. High-Yield-Fonds leidenGrößere Abflüsse haben unterdessen die Widerstandsfähigkeit von Investmentfonds getestet, wie der Bericht festhält. In Euroland traf es am heftigsten in High-Yield-Corporate-Bonds investierende Anlagevehikel, aus denen allein vom 20. Februar bis 20. März ein Zehntel der verwalteten Assets abfloss. Die Rückgabe von Fondsanteilen sei zudem mit einem starken Anstieg von Einschusspflichten einhergegangen, was das Risiko verstärkt habe, dass erzwungene Verkäufe von Assets die Marktdynamik verstärkten, heißt es.Angesichts der jüngsten Marktverwerfungen macht die EZB Schwächen im Regelwerk außerhalb des Bankensektors aus. Momentan fuße es großteils auf Ex-Post-Liquiditätssteuerung durch einzelne Assetmanager, schreibt sie. Den Behörden sollten aber Instrumente schon zur Verfügung stehen, mit welchen sie Liquiditätsrisiken in Phasen des Überschwangs, wenn Liquidität im Überfluss vorhanden scheine, entgegenwirken könnten. Dem Bericht zufolge war eine Reihe von Investmentfonds mit “signifikanten Liquiditätsimbalancen” in die Krise gegangen. Diese Instrumente könnten Begrenzungen von Investmentpositionen in potenziell illiquiden Märkten, Beschränkungen der Rückgabefrequenz sowie Mindestankündigungsfristen umfassen, meint die EZB. Ebenso könnten Liquiditätsvorgaben in Betracht gezogen werden. In Deutschland hat die Finanzaufsicht BaFin im April die Finanzbranche aufgefordert, die im Kapitalanlagegesetzbuch verankerten Regeln zur verbesserten Steuerung der Liquidität rasch umzusetzen.