"Corona wirkt wie ein Brandbeschleuniger"
kb Frankfurt – “Corona hat die Immobilienwirtschaft im Kern getroffen”, sagte Andres Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses e.V. (ZIA), anlässlich der Vorstellung des Herbstgutachtens 2020 des Rates der Immobilienweisen. Allerdings räumte Mattner ein, dass die verschiedenen Assetklassen unterschiedlich betroffen seien, darunter die Wohnungswirtschaft nur marginal. Dank verschiedener Maßnahmen seien die Einkommen der Haushalte nicht gesunken, so dass es zu keinen Mietrückständen gekommen sei, erklärte Harald Simons, Vorstand von Empirica. Die Preise für Eigentumswohnungen seien gestiegen, und auch bei den Preisen für Ein- bis Zweifamilienhäuser sei der Aufwärtstrend ungebrochen.Hart getroffen seien dagegen Teile des Einzelhandels wie Bekleidung, Schuhe, Kaufhäuser und die Gastronomie, sagte Mattner. Grundsätzlich teile der ZIA, der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, die Prognosen zu Umsatzeinbußen und steigenden Insolvenzen des deutschen Handelsverbands HDE und des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, was sich auch auf die entsprechenden Immobilienklassen auswirken dürfte. Vor großen Problemen stünden insbesondere Vermieter von Läden, Hotels – insbesondere Business-Hotels in den Städten – und Gaststätten. Die sechswöchigen Öffnungsbeschränkungen im Frühjahr hätten zu einem historischen Einbruch geführt, unterstrich Verbandspräsident Mattner. “Beim Lockdown kam vielleicht noch ein Drittel der Miete rein.” Beim Wandel der Innenstädte, der schon vor der Pandemie zu beobachten gewesen sei, wirke Corona wie ein Brandbeschleuniger. Die Lücken in den Fußgängerzonen würden zwar wieder geschlossen, zeigt sich Mattner relativ zuversichtlich, doch dies geschehe erst ab übernächstem Jahr. Die Lücken zu füllen, sei gesamtgesellschaftliche Aufgabe.Während der stationäre Nonfood-Einzelhandel einen Frequenz- und Umsatzeinbruch ohne Gleichen erlebt habe, sei der Trend zum Onlinehandel insgesamt noch einmal deutlich beschleunigt worden, so die Immobilienweisen. Nach einer anfänglichen Konsumzurückhaltung im ersten Quartal sei der E-Commerce im zweiten Quartal überdurchschnittlich gewachsen, so dass das erste Halbjahr 2020 wieder das alte Wachstumsniveau erreicht habe. Mit einem Umsatzplus von 35,7 % im ersten Halbjahr seien auch online die Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Tierbedarf, Medikamente oder Drogerie am stärksten gewachsen. Dagegen hätten die Onlineumsätze der stationären Händler sogar 1,8 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum verloren.Deutliche Spuren hinterließ Corona bei Büroimmobilien. Anmietungsentscheidungen seien vorerst eingestellt bzw. deutlich in die Zukunft verschoben worden, so dass der Büroflächenumsatz im ersten Halbjahr nur 66 % des Vorjahres erreichte. Besonders betroffen sei Frankfurt gewesen (siehe Grafik). Aktuell wollen die Immobilienexperten aber eine gewisse Erholung erkennen.Wie zudem der Real Estate Monitor der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland zeigt, erreichten die Bewertungen der deutschen Wohnimmobiliengesellschaften trotz Covid-19 ein neues Allzeithoch. Die Werte der Gewerbeimmobilienunternehmen hingegen büßten seit Anfang 2020 ca. ein Viertel ihres Marktwertes ein. Den größten Verlustanteil habe dabei die Assetklasse der Handelsimmobilien. Im August übertraf der PwC-Index für Wohnimmobilien (+8,2 % auf 416 Punkte) den Index für Gewerbeimmobilien (+0,2 % auf 277 Punkte) mehr als deutlich. Beide Indizes verfolgten somit den Trend der letzten Monate. “Die Wohnimmobilien haben das prognostizierte Krisenszenario in V-Form bestätigt und steigen sogar noch weiter”, so Dirk Hennig, Partner bei PwC Deutschland. Der Index-Chart zeige, dass Gewerbeimmobilien die Seitwärtsbewegung fortsetzten und im L-Form-Krisenszenario verharrten. Noch im November 2019 lagen die Werte mit 348 Punkten für Gewerbe- und 341 Punkten für Wohnimmobilienfirmen nahezu gleichauf.