Coronakrise trifft Immobiliensektor unterschiedlich

Hotels spüren die Auswirkungen besonders deutlich - Stationärer Einzelhandel gerät weiter unter Druck - Trend zum Homeoffice dürfte sich beschleunigen

Coronakrise trifft Immobiliensektor unterschiedlich

In den vergangenen Wochen hat das Coronavirus enorme sichtbare Schäden an Konjunktur und Märkten verursacht und ist zu einer globalen Herausforderung geworden. Infolgedessen hat es Bewegungen an den Kapitalmärkten und bei den Konjunkturindikatoren gegeben, die die Bezeichnung “historisch” verdienen. Die durch Corona hervorgerufene Blitzrezession ist keine “normale” Rezession. Dieser Wirtschaftseinbruch ist zugleich ein Angebots- und Nachfrageschock. Aufgrund der ursprünglich von China ausgegangenen Unterbrechung der Lieferketten stockt die Produktion des Güterangebots, und aufgrund der Ausgangsbeschränkungen wird die Konsumnachfrage hart ausgebremst.Diese Rezession ist nicht aus einem ökonomischen Ungleichgewicht entstanden wie 2008/2009 infolge einer übermäßigen Kreditvergabe, sondern trifft unvermittelt quasi alle Sektoren der Wirtschaft und fast zeitgleich alle Regionen auf der Welt. Einzigartig ist auch die Reaktion der Regierungen und Notenbanken. Die mit dem ökonomischen Stillstand verbundenen Belastungen für die Bevölkerung und die Unternehmen sollen auf breiter Basis abgemildert werden. Finanzpolitische Hilfspakete und ein geldpolitischer Lockerungskurs in bislang nicht gekannten Volumina sind auf den Weg gebracht worden.Inzwischen wird das traurige Rätselraten um die Tiefe des Konjunktureinbruchs durch immer mehr harte Wirtschaftszahlen erhellt. In den Vereinigten Staaten ging die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal – aufs Jahr gerechnet – um knapp 5 % zurück. Für das Gesamtjahr ergibt sich nach unseren Prognosen ein Konjunktureinbruch von mehr als 5 %, der tiefste seit 100 Jahren. Für Europa dürfte er noch etwas tiefer ausfallen. Für Deutschland rechnen wir im laufenden Jahr mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 6,4 % und 2021 dann mit einer kräftigen Erholung von 6 %.Unter den Immobilien-Assetklassen spüren Hotels die Auswirkungen besonders deutlich. Absagen von Großveranstaltungen, Reiseeinschränkungen bis hin zur Schließung der Grenzen und einem generellen Reiseverbot belasten die Hotelmärkte spürbar. Europaweit sanken die Zimmererlöse (RevPAR) im März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 66 %. Die höchsten Einbußen im ersten Quartal insgesamt verbuchten Barcelona, Frankfurt, Mailand, München, Prag und Rom. Mit entsprechenden Nachholeffekten ist erst 2021 zu rechnen. Allerdings zeigt die Erfahrung aus früheren Krisen, dass es länger dauert, bis sich die Marktlage normalisiert. Zunächst dürfte der einheimische Tourismus wiederbelebt werden, Fernreisen zuletzt. Normalisierung dauert nochDer bereits angeschlagene stationäre Einzelhandel gerät durch Corona noch weiter unter Druck: Die Schließung von Läden wirkt sich unmittelbar auf den Umsatz aus, so dass es verstärkt zu Mietreduzierungsforderungen gegenüber Immobilieneigentümern kommt. Auch wenn der Online-Handel von Ladenschließungen profitiert, geht die Krise nicht ohne Blessuren an ihm vorbei. Der Trend zum Online-Handel dürfte durch die Krise jedoch weiter verstärkt werden. Trotz stufenweiser Lockerungen für den stationären Einzelhandel wird es noch länger dauern, bis eine Normalisierung eintritt.Rückläufige Einkommenserwartungen und eine geringere Konsumneigung beeinträchtigen die Einzelhandelsumsätze. Dazu kommen Aspekte wie Maskenpflicht und soziale Distanz. 2020 dürfte es zu stärkeren Mietrückgängen sowohl in 1a-Lagen als auch in Shoppingcentern kommen. Eine Sonderstellung nimmt der Lebensmitteleinzelhandel ein. Er konnte sich aufgrund seiner Grundversorgungsfunktion dem Abwärtstrend im übrigen Einzelhandel entziehen und seinen Umsatz erheblich steigern.Die Ausgangssituation für die Büromärkte in der Coronakrise war robust mit überwiegend niedrigen Leerständen und zum Teil kräftigen Mietanstiegen in den vergangenen Jahren. Seit Krisenausbruch belastet die Unsicherheit die Unternehmensplanung, Expansionspläne werden auf Eis gelegt und Anmietungsentscheidungen verschoben. Aktuell sind Anbieter von Coworking-Flächen unmittelbar und besonders stark von der sinkenden Nachfrage betroffen. Die generell schwächere Nachfrage dürfte zu steigenden Leerständen und Abwärtsdruck auf die Mieten führen. Incentives gewinnen an Bedeutung. Die Mietrückgänge in Deutschland, den Niederlanden und den nordischen Ländern dürften sich jedoch in Grenzen halten, während für Italien, Spanien und Großbritannien die Prognosen düsterer aussehen. Perspektivisch dürfte die Krise den Trend zum Homeoffice beschleunigen.Die Logistikbranche profitiert in der Krise von dem kurzfristig gestiegenen Flächenbedarf insbesondere bei Lebensmitteln und medizinischen Produkten. Dem stehen gestörte Lieferketten sowie Einbrüche bei Industrieproduktion und Konsum im Non-Food-Bereich entgegen. Mittel- und langfristig dürfte die Logistikbranche vom verstärkten Trend zum Online-Handel profitieren. Die Coronakrise heizt zudem die Diskussion um die Diversifikation von Lieferketten an. Durch Rückverlagerung von Produktionsprozessen nach Europa dürfte die steigende Lagerhaltung im Inland den Flächenbedarf erhöhen.Am Investmentmarkt kommt es zu Verzögerungen, Nachverhandlungen oder Absagen geplanter Transaktionen aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit und Einschränkungen der Reisetätigkeit. In den Investmentvolumina für das erste Quartal 2020 spiegeln sich diese Umstände noch nicht wider. In Deutschland verdoppelte sich der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr auf rund 28 Mrd. Euro, bedingt durch viele Portfoliotransaktionen und auch größere Unternehmensbeteiligungen in den ersten beiden Monaten des Jahres. Die geringere Liquidität in den folgenden Quartalen und die höheren Risikoprämien dürften dazu führen, dass die Renditen im laufenden Jahr steigen. Dieser Trend zeigte sich bereits im Einzelhandelssegment insbesondere bei Shoppingcentern und sollte sich dort beschleunigen. Auch am Hotelmarkt sind stärkere Renditeanstiege wahrscheinlich.Der Renditeunterschied zwischen Core und anderen Risikoklassen dürfte sich ausweiten. Perspektivisch sollte das Transaktionsvolumen für gewerbliche Immobilien wieder zulegen, da sie im Vergleich zu Alternativanlagen nach wie vor attraktive Ertragsperspektiven bieten. Das Zinsniveau wird durch die Krise langfristig eher noch weiter gedrückt, so dass die relative Attraktivität steigt. Andreas Wellstein, Makro Research bei der DekaBank