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Crowdinvestoren stürzen sich auf Immobilien

Von Antje Kullrich, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 17.1.2018 Die Idee ist charmant: Kleininvestments in Unternehmen für jedermann, Chance auf attraktive Verzinsung und das alles über eine Onlineplattform ohne Bankbürokratie und -gebühren. Als...

Crowdinvestoren stürzen sich auf Immobilien

Von Antje Kullrich, DüsseldorfDie Idee ist charmant: Kleininvestments in Unternehmen für jedermann, Chance auf attraktive Verzinsung und das alles über eine Onlineplattform ohne Bankbürokratie und -gebühren. Als Crowdinvesting vor wenigen Jahren nach Deutschland kam, traf das Venture Capital im Miniaturformat sofort auf Liebhaber. Die Dresdner Seedmatch startete 2011 die erste Plattform für Start-ups, bei denen Investoren bereits mit 250 Euro einsteigen konnten. Bald danach schossen Crowdinvesting-Plattformen wie Pilze aus dem Boden. Doch viele taten sich schwer, Gründerprojekte an Land zu ziehen.Jetzt hat die Crowd eine neue Anlagemöglichkeit entdeckt: Schwarmfinanzierte Immobilienprojekte boomen. Auf sie entfallen mittlerweile fast zwei Drittel des Crowdinvesting-Volumens in Deutschland. Doch während es im angelsächsischen Raum bereits um Milliardenbeträge in diesem Markt geht, steckt Crowdinvesting hierzulande noch in den Kinderschuhen. Das Portal Crowdinvest.de beziffert das bisher vermittelte Volumen auf rund 330 Mill. Euro. Im vergangenen Jahr hat sich der Markt mehr als verdoppelt.Der neue Star unter den Crowdinvesting-Plattformen heißt Exporo. Das Hamburger Unternehmen, das erst 2014 gegründet wurde, hat sich binnen kürzester Zeit zum Marktführer in der Nische entwickelt. Exporo konzentriert sich auf Immobilien, hat nach eigenen Angaben bereits 90 Projekte mit einem Volumen von 124 Mill. Euro finanziert und repräsentiert damit gut ein Drittel des deutschen Crowdinvesting-Marktes. Die Hanseaten setzen auf Investments mit kurzen Laufzeiten von durchschnittlich 24 Monaten. Anlegern, die mit mindestens 500 Euro einsteigen können, werden 5 bis 6 % Rendite versprochen.Exporo selbst hat auch schon genug Kleingeld eingesammelt: In zwei Finanzierungsrunden 2016 und 2017 stellten die Venture-Capital-Geber E.ventures, Holtzbrinck Ventures, Sunstone und BPO Capital rund 16 Mill. Euro Kapital bereit.Schwarmfinanzierung wartet mit prozentual dreistelligen Wachstumsraten auf, obwohl die Branche zuletzt erste größere Rückschläge verkraften musste. Vor allem im Start-up-Segment zeigt sich, dass die Investments wenig überraschend mit hohen Risiken behaftet sind. Gleich zu Anfang des vergangenen Jahres schockte der E-Bike-Bauer Freygeist die Branche und meldete Insolvenz an. Mit eingesammelten Schwarmmitteln von 1,5 Mill. Euro über die hierzulande mittlerweile führende Plattform Companisto zählte das Berliner Start-up zu den Dickschiffen der Szene. Im Mai folgte die Pleite von Panono, dem Entwickler einer Wurfkamera, der 1,6 Mill. Euro über die Crowd bekommen hatte. 19 Prozent stehen im FeuerCompanisto, die bislang 45 Mill. Euro an Crowdgeldern vermittelt und dem Pionier Seedmatch den Rang abgelaufen hat, zählt insgesamt 78 finanzierte Start-ups binnen fünf Jahren. 20 davon sind mittlerweile definitiv pleite oder haben einen Insolvenzantrag gestellt. Betroffen sind dabei 9,1 Mill. Euro, das entspricht 19 % des vermittelten Kapitals. Auf der Erfolgsseite stehen dagegen drei Exits mit 3,5 Mill. Euro Volumen.Companisto ist dennoch optimistisch: Investitionen in junge Unternehmen seien Wagnisse, die attraktive Renditen zur Folge hätten, aber auch ausfallen könnten. “Unsere Investoren wissen das”, sagt eine Companisto-Sprecherin. “Das zeigt auch die Umfrage unter unseren Investoren. 23 % von ihnen würden ihr Investment sogar noch als Teilerfolg sehen, wenn ein Start-up das Kapital nicht zurückzahlen kann.” Companisto befinde sich momentan noch in einer Konsolidierungsphase: Startups scheiterten in der Theorie nach ein bis drei Jahren, den Exit schafften die meisten erst nach fünf bis acht Jahren.Auch bei den Plattformbetreibern trennt sich die Spreu vom Weizen: Companisto und Seedmatch haben sich als Marktführer etabliert, der ebenfalls früh angetretene Wettbewerber Innovestment musste im November selbst Insolvenz anmelden. Doch auch im neuen Wachstumssegment Immobilien ist nicht alles Betongold: Die Plattform Zinsland meldete im Dezember den ersten Insolvenzfall in dem Segment überhaupt. Beim Projekt Luvebelle, bei dem 52 Mikro-Apartments in Berlin-Tempelhof entstehen sollten, hatten 274 Schwarminvestoren zusammen eine halbe Million Euro angelegt.Immerhin weiß die Crowd, was sie tut: Der durchschnittliche Investor in diesem Segment ist 43 Jahre alt und hat Erfahrung in Sachwert- oder Wertpapierinvestments, wie Zinsland-Chef Carl-Friedrich von Stechow sagt. Frauen ziehen die Schwarmrisiken übrigens wenig an: Etwa 85 % der Investoren bei Zinsland und Companisto sind Männer.