Cum-ex-Anklage bleibt in der Schwebe
Von Bernd Wittkowski, FrankfurtIm Zusammenhang mit dem Thema “Cum-ex” sind in der Öffentlichkeit Begriffe wie “Verbrechen”, “Betrug” “Raubzug” oder “Diebstahl” an der Tagesordnung. Angeschuldigte und mutmaßliche Beteiligte werden von Politikern und in Medien nonchalant als “Kriminelle” bezeichnet. Doch tatsächlich ist in dieser Causa noch gar nicht absehbar, ob es überhaupt zum Strafprozess geschweige denn zu einem Urteil kommt. Im Mai hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nach fast sechsjährigen Ermittlungen sechs Angeschuldigte im Zusammenhang mit den umstrittenen Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag beim Landgericht Wiesbaden wegen schwerer Steuerhinterziehung angeklagt. Diese bundesweit erste Anklage in Sachen Cum-ex richtet sich gegen den Rechtsanwalt Hanno Berger und frühere Aktienhändler der HypoVereinsbank.Den Angeschuldigten war zunächst eine Frist bis Ende August gesetzt worden, sich zu der 948 Seiten umfassenden Anklageschrift zu äußern. Diese Frist wurde auf Antrag der Verteidigung bis zum Ende dieses Jahres verlängert. Wenn sämtliche Stellungnahmen vorliegen beziehungsweise die Einlassungsfrist verstrichen ist, bekommt noch einmal die Strafverfolgungsbehörde Gelegenheit, sich zu äußern. Dann wird die Frage Zulassung oder Nichtzulassung der Anklage für das Gericht entscheidungsreif. Der Vizepräsident und Pressesprecher des Landgerichts Wiesbaden, Wolfram Simon, sagte am Dienstag auf Anfrage, derzeit sei nicht zu prognostizieren, wann die Entscheidung fallen werde.Die Justiz tut sich mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Cum-ex-Thematik nachvollziehbarerweise schwer. Der hessische Generalstaatsanwalt Helmut Fünfsinn hatte im August gesagt, dass man hier “absolutes Neuland” betrete. Laut Oberstaatsanwalt Alexander Badle begannen die Ermittlungen, mit denen sich die hessische Justiz bundesweit als Vorreiter sieht, “im luftleeren Raum”. Die Behörde habe sich zunächst mit komplexen steuerrechtlichen Fragen auseinandersetzen müssen, bevor “die Demarkationslinie des Anfangsverdachts” einer Straftat überschritten worden sei. Recherchebüro im VisierBei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt werden insgesamt sieben Verfahrenskomplexe bearbeitet, die Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-ex zum Gegenstand haben. In dem angeklagten Fall sollen die Angeschuldigten von 2006 bis 2008 bei Leerverkaufsgeschäften mit Dax-Werten im Handelsvolumen von 15,8 Mrd. Euro Steuerbescheinigungen über tatsächlich nicht abgeführte Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag erlangt haben. Den behaupteten Steuerschaden von rund 113 Mill. Euro hat die HypoVereinsbank voll erstattet.Derweil berichtete am Dienstag “Meedia”, ein Branchendienst zu Medienthemen, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gegen den Chefredakteur des journalistischen Portals “Correctiv”, Oliver Schröm, ermittele. Ein solcher Verrat ist nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) strafbar und kann mit Geld- oder Freiheitsstrafe (beim Grunddelikt bis zu drei Jahre) geahndet werden. Anlass seien Enthüllungen des Recherchebüros zu Cum-ex-Geschäften. “Correctiv” hat zusammen mit Medienpartnern die “Cum-ex-Files” veröffentlicht. Den Hamburger Ermittlungen sei ein Strafübernahmeersuchen der Staatsanwaltschaft Zürich vorausgegangen, die gegen Schröm wegen des Verdachts der Wirtschaftsspionage ermittele.