„Da gibt es die größten Schnittstellen“
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Scout24, Betreiber des digitalen Marktplatzes Immoscout, hebt die Verantwortung für Nachhaltigkeit auf die Führungsebene und legt sie dort mit dem Personalwesen zusammen. In den kommenden Tagen wird die im MDax sowie im Dax50 ESG notierte Gesellschaft über die Berufung von Chief Human Resources Officer Claudia Viehweger zur Chief People & Sustainability Officer (CPSO) informieren. In dieser Funktion wird die Personalerin, Mitglied im Executive Leadership Team, einer Art erweitertem Vorstand, für alle Fragen rund um ESG zuständig und dabei auf Input unter anderem des Finanzressorts, aber auch etwa der Produktabteilung angewiesen sein.
Branchenweiter Trend
Zum einen folgt das Münchener Unternehmen damit einem branchenweiten Trend. Juristen und Berater rechnen damit, dass die Verantwortung für Nachhaltigkeit im Finanzsektor zunehmend auf Vorstandsebene angesiedelt werden wird, da bei Bewältigung der entsprechenden Aufgaben eine Hausmacht und zugleich der Zugriff auf andere Querschnittsbereiche gefragt sind.
Die Mehrheit der Unternehmen verfährt noch anders: Laut PwC haben knapp zwei Drittel der deutschen Unternehmen die Zuständigkeit für Nachhaltigkeit noch nicht mit dem C-Level vernetzt. Eine Besonderheit ist zum anderen freilich, dass Scout24 die derzeit noch in der Kommunikation angesiedelte Verantwortung für Nachhaltigkeit auf Führungsebene zugleich mit dem Personalwesen verknüpft.
Laut Viehweger, die im Executive Leadership Team neben dem Personalwesen bisher auch das Liegenschaftsmanagement verantwortet, hängt bei Scout24 beides ohnehin zusammen. „Das Personalwesen ist der Bereich, in dem die Verankerung der Nachhaltigkeit am meisten Sinn ergibt, denn dort gibt es einfach die größten Schnittstellen“, sagt die promovierte Juristin: „Und gerade Digitalunternehmen haben etwa mit Blick auf Social Responsibility im Personal zugleich die meiste Energie und den größten Fokus, um Nachhaltigkeit voranzutreiben.“
Die Logik: Digitalunternehmen steuern keine physische Produktion und können daher einen anderen Fokus setzen. Viele Nachhaltigkeitsinitiativen bei Scout24 nähmen ihren Anfang im Kreis der Beschäftigten, sagt sie. Mit der Ansiedlung auf Führungsebene unterstreiche die Gesellschaft nun in ihrer Struktur die Relevanz eines Engagements, das im Unternehmen längst Programm sei. Sie verweist etwa auf „Home Street Home“, eine Kooperation von Scout24 und einer Stiftung in der Obdachlosenhilfe. Im Zuge eines Nachhaltigkeitsprogramms hatte Scout24 2021 für die fünf Felder Management, Geschäft, Team, Klima und Umwelt sowie Gesellschaft diverse Ziele formuliert, die fortan „regelmäßig und teamübergreifend validiert werden“ sollen. Dazu zählt eine „Kombination und Offenlegung der variablen Vergütung für Führungskräfte mit quantifizierten ESG-Zielen“.
Vor wenigen Wochen stufte die Nachhaltigkeits-Ratingagentur Sustainalytics das ESG-Risiko der Gesellschaft auf der zweitniedrigsten von fünf Stufen ein. In der Bewertung des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements belege man in der Vergleichsgruppe Internet, Software & Services mit insgesamt 230 weiteren Bewerteten aktuell Platz 1, betont Scout24. Auch mit Blick auf die Regulierung prognostiziert Viehweger, dass die Verankerung der Verantwortung für Nachhaltigkeit auf der Führungsebene von Unternehmen sich sukzessive durchsetzen wird: „Ich glaube, dass das in Wellen kommen wird. Die börsennotierten Unternehmen werden die ersten sein, familiengeführte Unternehmen werden irgendwann nachziehen.“
Weg durch die Organisation
Dies deckt sich mit Einschätzungen aus dem Markt. So skizzierte Dirk Bliesener, Partner bei Hengeler Mueller, den Weg des Themas Nachhaltigkeit durch die Organisation von Finanzdienstleistern zu Jahresbeginn als Abfolge dreier Phasen. In der ersten, welche gerade in kleinen Häusern noch nicht abgeschlossen sei, werde ESG oft als weiches Thema den Kommunikationsabteilungen überlassen. In einer zweiten Phase gehe die Entwicklung in Richtung einer Integration des ESG-Gedankens in andere Abteilungen, und in einer dritten Phase könnten Banken „künftig zusätzlich einen eigenen ESG-Vorstand mit entsprechender Querschnittsabteilung benötigen“.