Immobilienmarkt

Das Büro lebt wieder auf

Die Coronakrise verursacht einschneidende Spuren in den verschiedenen Segmenten des Immobilienmarktes. Homeoffice rüttelt die Büromärkte durch und erfordert neue Konzepte.

Das Büro lebt wieder auf

Von Karin Böhmert, Frankfurt

Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich die Arbeitswelt ändern kann, wenn die Not namens Covid-19 dies gebietet: Homeoffice ist auf einmal sofort möglich, gar gefordert. Eine 180-Grad-Wendung, wenn man bedenkt, dass davor Arbeiten von zu Hause aus nur schwer durchzusetzen war und von Kollegen und Vorgesetzten meist kritisch beäugt wurde. Die Corona-Pandemie hat damit zu gravierenden Veränderungen in der Immobilienwelt geführt. Welche Immobiliensegmente laufen, welche nicht?

Zukunftsvisionen

Werden Büros überhaupt noch gebraucht? Eine Antwort darauf gibt Alexander von Erdély vom weltweit größten Dienstleistungsunternehmen auf dem gewerblichen Immobiliensektor CBRE: „Am deutschen Büromarkt beobachten wir drei strategische Ansätze: 1. Wait & See – d.h. Unternehmen, die beobachten, aber noch nicht entschieden haben, wie sie mit ihren Flächen umgehen wollen; 2. Taktiker – hier passieren kleine taktische Anpassungen, aber ohne strategischen Background; 3. Visionäre – diese Unternehmen haben eine klare Vision. Sie wollen Veränderungen und legen jetzt die Basis, um ihre Flächen, der Strategie des Büros der Zukunft folgend, zu optimieren.“

Ihre Version des Büros der Zukunft setzen Finanzinstitute wie Deutsche Bank, DZ Bank, BayernLB oder HypoVereinsbank (Unicredit) – um nur einige zu nennen – schon jetzt oder 2022 um. Dabei geht es um Desk Sharing, wobei die Banken nur noch 60 oder 70% der ursprünglichen Arbeitsplätze im Büro zur Verfügung stellen, die zudem keinem Mitarbeiter direkt zugewiesen sind. Wer ins Office kommen will, das meist nur noch ein Großraumbüro ist, muss sich erstmal ein Plätzchen suchen und am Abend Stift und Laptop in einer Box verschließen oder nach Hause mitnehmen. So arbeitet auch die DZ Bank an einem neuen Raumkonzept für die Bank, bei dem aus derzeit 1,1 Arbeitsplätzen je Mitarbeiter bald nur noch 0,7 werden sollen, wie Vorstand Thomas Ullrich laut Bloomberg ankündigte.

Die Banken stellen sich damit auf die neue Normalität der flexiblen Arbeitsmodelle ein. Doch ist damit tatsächlich ein wesentlich geringerer Büroflächenbedarf verbunden? Einige Institute zielen mit den Maßnahmen bestimmt darauf ab, um die Kosten von teuren Büroflächen, meist in den Innenstädten, zu sparen. So etwa Europas größte Bank HSBC, die weltweit ihre Bürokapazitäten bereits um 10% gekappt hat und bis Jahresende sogar mit weltweit 20% weniger Büroflächen auskommen will.

Andere wollen sich noch nicht festlegen. „Es geht nicht um Einsparungen oder darum, unsere Gebäude zu verkleinern“, sagte kürzlich Ranieri de Marchis, Group Operating Officer von Unicredit, in einem Interview mit Bloomberg. „Es geht darum, eine neue, nachhaltige Arbeitsweise zu kreieren. Sollten wir am Ende feststellen, dass wir mehr Platz haben, als wir brauchen, dann schauen wir uns das dann an.“ Jedenfalls sollen die Büroräume den Plänen zufolge umgebaut werden, wobei Mitarbeitern mehr Platz eingeräumt werden und es zusätzliche Gemeinschaftsräume geben soll.

Das Büro soll also attraktiver werden, und so manchem dürften die Bilder der rund um die Welt verstreuten Lounge-artigen Büros von Google vor Augen stehen. Schließlich geht es um mehr, wie Florian Kuprecht von CBRE mit Blick auf die Schweiz unterstreicht: „Klar ist aber allen, dass die Lage im ‚War of Talent` im Hinblick auf deren Erreichbarkeit und die im unmittelbaren Umfeld vorhandene Infrastruktur, wie Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten oder Fitnesseinrichtungen, auch als Gegensatz zum Homeoffice entscheidend ist.“

Dreh- und Angelpunkt

Den „Hype ums Homeoffice“ teilen auch Analysten der Deutschen Bank in einem Research-Bericht nicht. Zweifellos habe Homeoffice das Potenzial, die Nachfrage nach Büroflächen kräftig zu reduzieren, heißt es dort. Trotz anhaltender Unsicherheit würden Projektionen der Analysten zeigen, dass auch bei einer kräftigen Ausweitung des Homeoffice die Nachfrage nach Büroflächen hoch bleiben dürfte. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass das traditionelle Büro der Dreh- und Angelpunkt des Wirtschaftslebens bleibt. Unseres Erachtens war der Abgesang auf das traditionelle Büro verfrüht“, schreiben die Autoren des Research-Berichts.

Die Homeoffice-Quote wird also auf Dauer nicht so hoch sein, wie dies während der ersten Corona-Welle im Frühsommer 2020 noch zu beobachten und für den weiteren Jahresverlauf erwartet worden war. Dies belegen auch Daten aus Umfragen des Ifo Instituts. Mit um die 30% der Beschäftigten, die im ersten Halbjahr 2021 teilweise oder vollständig im Homeoffice in Deutschland tätig waren, wurde trotz der Einführung und Verschärfung der Homeoffice-Pflicht das Homeoffice-Potenzial von 56% bei Weitem nicht ausgeschöpft, wie das Ifo-Institut feststellt. Auch zeige die horizontale Entwicklung (und der leichte Abfall im Juni) in den Ifo-Befragungen, dass die Verschärfung der Homeoffice-Pflicht mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes zu keinem Anstieg der Homeoffice-Quote geführt habe. Lediglich 24% der Beschäftigten arbeiteten überwiegend oder vollständig im Homeoffice.

Allerdings zeige eine räumliche Analyse deutliche Unterschiede zwischen Ballungsräumen und eher ländlichen Landkreisen sowie aufgrund der Branchenstruktur. So erreichte die Homeoffice-Quote bis zu rund 60% in stärker dienstleistungsorientierten oder von Aktivitätseinschränkungen betroffenen Wirtschaftssegmenten. Allerdings möchte trotz überwiegend positiver Erfahrungen nur eine Minderheit die aktuellen Regelungen vollständig beibehalten, betont das Ifo-Institut auf Basis der Umfrage. Gegenüber der Situation vor der Pandemie werde sich zwar der Anteil der Beschäftigten mit zumindest tageweiser Homeoffice-Option erhöhen, doch deutlich weniger Personen würden dies für ihre komplette Arbeitszeit tun können oder wollen.

Leerstand steigt weniger

Diese Entwicklung ist auch an den Büromärkten abzulesen. Das Tempo des Leerstandsanstiegs hat sich einer Analyse von BNP Paribas Real Estate zufolge im zweiten Quartal 2021 weiter vermindert. Demnach beläuft sich das Leerstandsvolumen in den analysierten acht größten Städten (inklusive Essen) auf 4,8 Millionen m². Dies entspreche einem Anstieg von rund 24% gegenüber dem Vorjahresniveau und einer Quote von rund 5%. Allerdings falle die Zunahme in den einzelnen Märkten sehr unterschiedlich aus, betonen die Immobilienexperten. Für Berlin und München wird ein Plus von jeweils 60% registriert. Dennoch notierten die Leerstandsquoten hier weiter auf niedrigem Niveau mit 2,9% für Berlin und 4% für München. Einzig in Frankfurt notierte sie mit 8,0% und in Düsseldorf mit 9,2% deutlich höher als in anderen Städten.

Zu etwas anderen Zahlen, aber mit ähnlichem Trend gelangt Jones Lang LaSalle (JLL) für das erste Halbjahr 2021, wobei hier Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart analysiert werden, während BNP Paribas Real Estate statt Stuttgart neben den sechs Top-Städten die Städte Essen und Leipzig berücksichtigt. So habe sich laut JLL der bereits im ersten Quartal festgestellte Anstieg der Leerstände in den sieben deutschen Immobilienhochburgen auch in den Monaten April bis Juni fortgesetzt. Dadurch stünden aktuell in den Big 7 mehr als 4 Millionen m² Bürofläche kurzfristig zur Verfügung. Dies entspreche einem Plus von etwas über 1 Million m² oder 35% gegenüber Ende Juni 2020.

Frankfurt zeigt laut JLL mit einem Plus von 5% den geringsten Leerstandsanstieg im Jahresvergleich auf 6,6%. In Stuttgart sank der Leerstand sogar noch einmal um 9%, die Leerstandsquote hat die 2% wieder unterschritten. Bis zum Ende des Jahres erwartet JLL einen weiteren moderaten Zuwachs der Leerstände in den Big 7 auf 4,5% im Schnitt. Damit steht Deutschland mit Blick auf den Gesamtmarkt in Europa noch relativ gut da. Denn die Büroflächen-Leerstandsquote in den europäischen Großstädten hat laut JLL bis Ende Juni auf 7,5% zugenommen und dürfte bis Jahresende leicht auf 7,7% steigen. „Generell gilt aber, dass der Leerstand in 1A-Flächen historisch niedrig ist“, ergänzt Hela Hinrichs, Senior Director, JLL EMEA Research & Strategy.

Doch neben leerstehenden Be­standsflächen würden nun auch Neubauflächen aufgrund steigender spekulativer Anteile zumindest einen gewissen Druck auf die Leerstände ausüben, wobei davon auszugehen sei, dass sich der Büromarkt grundsätzlich immer stärker ausdifferenzieren werde, erklärt JLL, und Unicredit hat dies wie beschrieben bereits avisiert. Moderne und flexibel gestaltbare Büros bleiben nach Einschätzung von JLL nachgefragt, während Büros, die nur starre Konzepte ermöglichten und auch unter Nachhaltigkeitsaspekten nicht punkten könnten, weniger Abnehmer finden würden.

An einen übermäßigen Homeoffice-Trend glaubt offenbar auch nicht die Allianz, die zusammen mit der Bayerischen Versorgungskammer für 1,4 Mrd. Euro einen der teuersten Bürotürme in Deutschland kauft, der im Frankfurter Bankenviertel in drei Jahren bezugsfertig sein soll. Das Geschäftszentrum Frankfurts zeichne sich durch eine niedrige Leerstandsquote – von nach Einschätzung der Allianz lediglich 2,8% – und ein begrenztes Büroangebot bis 2024 aus. Es habe während der Pandemie eine enorme Widerstandsfähigkeit gezeigt, begründet Nicole Pötsch von Allianz Real Estate das Vorhaben.

Potenzial nicht ausgeschöpft

Wirken sich nun der Trend zu teilweisem Homeoffice und die Entwicklungen des Büromarktes auf Wohnimmobilien aus? Das Ifo-Institut vermutet, dass die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie viele Menschen aus den großen Städten treiben könnten. Zumindest mehr als jeder achte Bewohner einer Stadt mit mehr als einer halben Million Einwohner will diese laut einer Befragung des Münchner Ifo-Instituts und des Immobilienportals Immowelt im Mai binnen maximal eines Jahres verlassen und in eine kleinere Stadt oder aufs Land ziehen. Ob alle 13% diese Pläne tatsächlich umsetzen werden, sei zwar offen, aber angesichts des kurzen Zeitrahmens relativ konkret. Zudem würden sich noch viele weitere Bewohner der großen Städte mit Umzugsgedanken tragen. Denn weitere 18,5% wollen in den kommenden zwei oder fünf Jahren weg. 24,4% sagen, ein solcher Umzug käme für sie grundsätzlich in Frage.

Die Corona-Pandemie hat also die Wohnimmobilien-Märkte in Deutschland noch angeheizt, wie eine Studie von Deloitte zeigt. Demnach kletterten die Angebotspreise für Wohnimmobilien 2020 um 10,8%. Allerdings ist die veränderte Bürowelt nur ein Grund, warum generell die Nachfrage nach Wohnimmobilien sowie nach für Homeoffice geeigneterem größerem Wohnraum steigt. Anhaltend niedrige Zinsen infolge der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken, ein Nachfrageüberhang an bezahlbarem Wohnraum sowie ein ungebrochener Appetit von Investoren steigerten die Attraktivität des Marktes selbst während der Pandemie, unterstreicht Deloitte.

Institutionelle treiben Preise

Institutionelle Investoren dürften auf dem Wohnimmobilien-Markt künftig eine zusätzlich stark preistreibende Wirkung entfachen. Während viele dieser Investoren zuvor überwiegend auf dem pandemiebedingt inzwischen unsicheren gewerblichen Immobilienmarkt unterwegs waren, entdecken sie nun zunehmend Wohnimmobilien als krisensichere Anlage, die zudem einen recht verlässlichen Cash-flow und eine stabile Rendite verspricht.

Das steigende Interesse an Wohnimmobilien zeigt auch das Transaktionsvolumen in Deutschland, das sich innerhalb von zehn Jahren auf 18,2 Mrd. Euro im Jahr 2020 verfünffacht hat, wie Daten von JLL zeigen. Trotz Corona hat das Volumen im ersten Halbjahr 2021 bereits gut die Hälfte des gesamten Vorjahres erreicht (siehe Grafik).

Doch keine Assetklasse boomt zurzeit so wie Logistik und Industrie, wie die Immobilienexperten von CBRE unterstreichen. „Einerseits ist diese Situation durch den Konjunkturaufschwung in der Industrie getrieben, andererseits natürlich durch den stark wachsenden Online-Handel, der durch die Pandemie noch weiter zugenommen hat“, so Alexander von Erdély von CBRE, der zudem auf einen Nachfrageüberhang seitens der Investoren in Deutschland verweist. Das Transaktionsvolumen dieser Assetklasse hat sich den Daten von JLL zufolge in zehn Jahren auf 9,1 Mrd. Euro mehr als verachtfacht. Allerdings wachsen auch hier die Bäume nicht in den Himmel, denn im ersten Halbjahr 2021 wurde in dieser Assetklasse lediglich ein Drittel des gesamten Vorjahresvolumens umgesetzt.

Einzelhandel unter Druck

Das traurige Spiegelbild des weitgehend vom Onlinehandel getriebenen Logistikbooms ist der Retailsektor. Gerade der stationäre Einzelhandel leidet stark unter den coronabedingten Geschäftsschließungen und -aufgaben sowie verwaisten Innenstädten. Doch die Pandemie habe nur eine Entwicklung verstärkt und beschleunigt, die bereits weit vor Corona bekannt war, betont CBRE mit Blick auf das seit längerem veränderte Einkaufsverhalten. So ist das Transaktionsvolumen im Retailmarkt laut JLL seit dem Höchststand im Jahr 2015 von 11,9 Mrd. Euro kontinuierlich gesunken und liegt im Jahr 2020 mit 7,55 Mrd. Euro um 36% unter diesem Höchstwert. Auch in der ersten Jahreshälfte 2021 war die Zurückhaltung groß angesichts eines Volumens von lediglich 2,9 Mrd. Euro.

Inwieweit die E-Commerce-Durchdringung den stationären Einzelhandel auf Dauer ausdünnt, darüber gibt es keine einstimmige Meinung. Allzu große Hoffnungen etwa auf einen Einkaufsboom infolge von Nachholeffekten nach Corona macht jedenfalls die Europäische Zentralbank (EZB) nicht. Denn die in der Corona-Pandemie angesammelten Ersparnisse von Haushalten im Euroraum würden dem Konsum voraussichtlich keinen großen Zusatzschub verleihen, wie eine Untersuchung der EZB zeigt. „Insgesamt bleibt die Wahrscheinlichkeit einer sofortigen Wiedereinbringung der angesammelten überschüssigen Ersparnisse für künftige Konsumzwecke begrenzt“, heißt es in der Untersuchung der EZB. Aus Umfrageindikatoren ließe sich kein Signal für einen derartigen Schub im kommenden Jahr ableiten. Trifft die Einschätzung der EZB zu, dann wird der Konsumschub nicht nur dem Einzelhandel vor Ort, sondern auch im E-Commerce fehlen.

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