AUF DEM WEG IN DIE KAPITALMARKTUNION

Das Dilemma der Kreditfonds

Offene Struktur und Darlehensgeschäft lassen sich schwer vereinen - Europa-Produkt Eltif zündet nicht

Das Dilemma der Kreditfonds

Von Jan Schrader, FrankfurtAuf den ersten Blick spricht vieles für einen anhaltenden Boom der Kreditfonds in Europa. Haben sich in den zurückliegenden Jahren Banken bei der Vergabe von Krediten zurückgehalten und somit Raum für alternative Geldgeber geschaffen, gibt nun die EU-Kommission zu verstehen, die “potenziell bedeutsame Kreditquelle außerhalb des Bankensektors” stärken zu wollen. Im vierten Quartal des neuen Jahres, so folgt aus dem Ende September veröffentlichten Aktionsplan der Behörde zur Kapitalmarktunion, könnten durch einen “koordinierten Ansatz” nationale Regeln angeglichen und die Arbeit der Fonds vereinfacht werden.Auch nationale Aufseher haben zuletzt durch neue Regeln alternativen Kreditgebern die Tür geöffnet, etwa in Irland, Frankreich und Italien. Darüber hinaus gelten einige Regeln zur Eigenkapitalunterlegung, wie sie für institutionelle Investoren aus der Anlageverordnung oder dem neuen Regelwerk Solvency II hervorgehen, als vorteilhaft für Kreditfonds. Für Euphorie sorgte insbesondere die deutsche Finanzaufsicht BaFin, die im Mai erklärte, dass die im Fondsgeschäft verbreiteten alternativen Investmentfonds (AIF) grundsätzlich auch Darlehen vergeben, restrukturieren und verlängern dürfen, sofern dem nicht andere Regeln des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) entgegenstehen. Seither sind Fonds deutscher Machart neben ausländischen Vehikeln interessanter geworden. Der Bundesverband Alternative Investments (BAI) sprach von einem “Paradigmenwechsel”. Auf “legislative und regulatorische Impulse” setzt auch die als Inkassodienst und Auskunftei bekannte Firmengruppe Creditreform, die das Kreditfondsvolumen in Europa auf mehr als 100 Mrd. Euro taxiert (siehe Grafik).Ob nun ausgerechnet die Regulierer für einen weiteren Boom der Kreditfonds sorgen, ist fraglich. Die Bundesregierung hat in einem Referentenentwurf die Freiheiten für offene Fonds nach dem Vorstoß der BaFin wieder eingeschränkt. Zunächst war im Gespräch, dass nur 50 % der verwalteten Mittel eines offenen Fonds auf unverbriefte Darlehen entfallen dürfen. Das hätte nach Auskunft eines Anbieters, der auf offene Fonds deutscher Machart setzt, das Geschäftsmodell erheblich beschnitten. Im späteren Gesetzentwurf ruderte die Bundesregierung zurück und erwähnte die Grenze nicht mehr.Nun aber dürfen nur geschlossene Fonds, die Anlegergeld über längere Zeit binden, Kredite aktiv verwalten, also etwa restrukturieren und verlängern. “Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück”, sagt BAI-Geschäftsführer Frank Dornseifer dazu. Auch die Überlegung der Bundesregierung, dass sich geschlossene Kreditfonds nach dem Vorbild der Banken an den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) orientieren müssen, dürfte in der Branche auf wenig Gegenliebe stoßen – zumal Details noch von der Aufsicht ausgearbeitet werden müssen. Im neuen Jahr wird sich der Bundestag mit dem Gesetzentwurf befassen. Wieder einmal steht der Branche ein Ringen um Fondsregeln bevor. Darlehen ungleich DarlehenDas Hin und Her der Bundesregierung zeigt ein Problem auf, mit dem sich nun auch Bundestag und EU befassen müssen: Kredite binden Geld langfristig. Das lässt ein beliebiges Kommen und Gehen von Anlegern, so wie bei offenen Fonds möglich, nicht zu. So wie gewöhnliche Banken, die kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite wandeln, so muss sich auch ein Fonds gegen eine mögliche Anlegerflucht wappnen. Auch die Diskussion über sogenannte Schattenbanken führt dazu, dass Politik und Aufsicht skeptisch auf Kreditfonds blicken.Grenzen für offene Fonds seien nachvollziehbar, sagt Aykut Bußian, Leiter für Fondslösungen der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft TPW. Eine Regulierung nach dem Modell offener Immobilienfonds, die mit Mindesthalte- und Kündigungsfristen einen allzu hohen Abfluss der Anlegermittel verhindern soll, lässt sich nach Ansicht Bußians nicht einfach auf Kreditfonds übertragen. Je nach Produkt werden Darlehen für Immobilien, Infrastruktur, Unternehmen oder andere Bereiche übernommen oder bereitgestellt. Entlang der Gläubigerrangfolge werden mal mehr, mal weniger riskante Ansprüche erworben. “Darlehen sind noch individueller als Immobilien”, sagt Bußian.Erleichterung will die EU mit einem neuen Modell schaffen: So steht durch eine EU-Verordnung von Ende April nun auch der European Long-Term Investment Fund (Eltif) der Fondsbranche offen. Das Produkt soll Anlageklassen wie Unternehmensbeteiligungen, Sachwerte, Infrastruktur und auch Kredite für Anleger leichter zugänglich machen. Doch der neue Typus stößt bislang auf Zurückhaltung. So ist der Fonds selbst geschlossen, doch sollen Fondsanteile veräußerbar sein. Maximal 10 % der Mittel dürfen etwa in einen bestimmten Sachwert oder als Darlehen an ein einzelnes Unternehmen fließen. Auch sieht das Modell klare Grenzen für den Vertrieb an private Sparer vor. Eine stärkere Rolle könnte dem Langfristfonds aber zukommen, wenn die Politik seine Rolle weiter stärkt – etwa indem bei Ausschreibungen von Infrastrukturvorhaben Eltif-Produkte bei der Finanzierung bevorzugt werden.Für die Fonds kommt es nun darauf an, sich weiter zu spezialisieren, wie TPW-Experte Bußian sagt. Als geeignet für Fonds gelten im Immobiliensegment Tranchen jenseits des weitgehend sicheren Beleihungsauslaufes von 60 %. Auch bei nachrangigen Forderungen können Fonds zum Einsatz kommen. Darüber hinaus sind spezielle Segmente für die Vehikel interessant, etwa Flugzeugs- und Schiffskredite, wie wiederum die Ratingagentur Scope schreibt. Und auch Firmenübernahmen können von alternativen Geldgebern finanziert werden. Zwar bedienen einige Fonds auch weniger riskante Segmente. Den breiten Strom an Krediten speisen aber weiterhin die bereits etablierten Spieler: die Banken.