Das EZB-Bußgeldregime birgt Probleme

Kompetenzwirrwarr und Doppelverfahren drohen - Frankreichs Bankenaufseher Fernandez-Bollo mahnt "starke Kooperation an"

Das EZB-Bußgeldregime birgt Probleme

Im Zuge der Bankenunion drohen Kompetenzstreitigkeiten und doppelte Verfahren bei der Ahndung aufsichtsrechtlicher Vergehen großer Banken. Deutsche Häuser müssen mit spürbar höheren Bußen rechnen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtIm einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus drohen ab November bei der Verhängung von Sanktionen Kompetenzwirrwarr und Komplikationen. Dies ist am Montag auf einer Konferenz des Institute for Law and Finance (ILF) der Goethe-Universität Frankfurt deutlich geworden. Die Bestimmungen der entsprechenden Rahmenverordnung führten zu “mehrfachen öffentlichen Entscheiden zu ähnlichen oder identischen Fakten”, warnte Edouard Fernandez-Bollo, seit Jahresbeginn Generalsekretär der französischen Banken- und Versicherungsaufsicht Autorité de contrôle prudentiel et de resolution (ACPR) und damit Nachfolger von Danièle Nouy, die als oberste Bankenaufseherin zur EZB gewechselt ist. Aus diesem Grund sei ein “klarer Bedarf für eine starke Kooperation und Interaktion” der Europäischen Zentralbank (EZB) und der nationalen Aufsichtsbehörden gegeben, erklärte er. Homöopathische DosenFür Deutschlands Kreditwirtschaft ist die Frage der Bußen in der Ära des im November in Kraft tretenden einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) relevant. Denn im Zuge der europäischen Integration wird die Höhe der Geldbußen deutlich steigen. Laut SSM-Rahmenverordnung darf die EZB Vergehen ahnden mit Bußen, die entweder dem Doppelten dessen entsprechen, was eine Bank durch ihre Zuwiderhandlung an Gewinn vereinnahmt oder an Verlust vermieden hat, oder einem Zehntel der gesamten Erträge im vorangegangenen Jahr.Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatten Geldbußen in der Vergangenheit eher homöopathischen Charakter: Das Maximum lag bei 500 000 Euro. Weil solche Beträge in den Reihen systemrelevanter Banken kaum disziplinierende Wirkung entfalten, setzte die Aufsicht dieses Instrument denn auch eher sparsam ein. Mit Umsetzung der EU-Eigenkapitalrichtlinie nun sind die Bußen zu Jahresbeginn dem künftigen Instrumentarium der EZB angeglichen worden: Vergehen können bis zu 5 Mill. Euro oder bis zu einem Zehntel des Jahresnettoertrages kosten. Eine Frage der BedeutungWie Frankreichs Bankenregulator Fernandez-Bollo am Montag ausführte, hat die SSM-Rahmenverordnung grundsätzlich klar geregelt, welche Aufsicht jeweils zuständig ist: Wird eine Bank zu den “bedeutenden” und damit direkt von der EZB beaufsichtigten Instituten gezählt, muss sie sich an die EZB wenden. Als “weniger bedeutend” geltende Banken haben es weiter mit der jeweiligen nationalen Behörde zu tun. Was aber Sanktionen angehe, träten zwei weitere Differenzierungskriterien hinzu, erklärte Fernandez-Bollo. Unterschieden werde nicht nur danach, ob eine Bank unter direkter oder nur indirekter Aufsicht der EZB stehe, sondern auch danach, wer einen Verstoß begangen habe und welche Norm verletzt worden sei. Um Zuwiderhandlungen juristischer Personen soll sich damit laut Fernandez-Bollo die EZB kümmern, um Fehltritte natürlicher Personen hingegen die nationale Aufsicht. Geht es um direkt anwendbares europäisches Recht, tritt die EZB auf den Plan, im Falle nationaler Übergangsregelungen wiederum die nationalen Aufseher. Dies könne zur Folge haben, dass zwei separate Prozesse für ein und denselben Sachverhalt in Gang gesetzt würden, wenn es nämlich etwa um das Verhalten einer natürlichen, für ein bedeutendes Institut arbeitenden Person gehe, sagte Fernandez-Rollo. Diese Regelung sei sicherlich nicht simpel, “doch so ist nun einmal die Rahmenverordnung geschrieben worden”, sagte er. Parallele Verfahren für ein und denselben Sachverhalt entsprächen in etwa dem, was die deutsche Kreditwirtschaft schon seit längerem infolge der Bankenunion befürchtet. In der Praxis werde es vor allem darauf ankommen, “Doppelarbeiten zu vermeiden und klare Zuständigkeiten zu schaffen”, hatte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), schon im Februar erklärt, nachdem die EZB einen Entwurf für eine Verordnung zur Kooperation der Notenbank mit nationalen Behörden vorgestellt hatte. Wenig später forderte die EZB unter anderem, dass nationale Aufsichtsbehörden nur dann Sanktionen gegen systemrelevante Kreditinstitute verhängen, wenn die EZB sie dazu auffordert, selbst wenn es sich um Verstöße gegen nationale Rechtsvorschriften handelt. Auch will sie Verwaltungssanktionen öffentlich machen dürfen, unabhängig davon, ob ein Institut Rechtsmittel gegen den Beschluss eingelegt hat oder nicht.Bei alldem ist die EZB aber auch auf Kooperation angewiesen, so wie Fernandez-Rollo. Denn mit einem geplanten Bestand von 800 Aufsehern zuzüglich 200 Leuten in unterstützenden Funktionen kommt sie gerade einmal auf 15 % des Personalstammes der nationalen Aufseher und kann damit die Aufsicht keinesfalls im Alleingang bewältigen. Die EZB entscheidetWas die Frage des Ansprechpartners der Banken angeht, so sei vorgesehen, dass der Fluss der bei Banken erhobenen Informationen vorrangig über die nationalen Aufseher laufe, Entscheidungsprozesse hingegen primär der EZB oblägen, erklärte Fernandez-Bollo weiter. Damit fielen der EZB unter anderem Entscheidungen im Zuge des bankaufsichtlichen Überprüfungsprozesses oder über Variationen interner Modelle zur Ermittlung des Eigenkapitalbedarfs zu.Fernandez-Bollos Vorgängerin Danièle Nouy hat bereits angekündigt, dass sich die EZB nach Übernahme der Aufsicht über die wichtigsten Banken Europas die Risikomodelle der Banken genauer anschauen will, nachdem Untersuchungen etwa des Baseler Ausschusses zum Teil erhebliche Unterschiede in der Berechnung der Risikoaktiva zutage gefördert haben. Auch stehe es der EZB jederzeit frei, Informationen von Banken auf direktem Wege anzufordern, sagte Fernandez-Bollo. Dass die Rahmenregulierung des Single Supervisory Mechanism dabei keinen bestimmten aufsichtlichen Ansatz vorsehe, habe seinen Grund: “Es wäre Unsinn gewesen, einen aufsichtlichen Ansatz vorzugeben, bevor die EZB nicht erste Erfahrungen gesammelt hat.”Bei Experten herrscht gleichwohl die Erwartung vor, dass die EZB schon um einer Objektivierbarkeit ihrer Arbeit willen einen vorrangig quantitativ orientierten Ansatz verfolgen wird: Demnach entscheidet die Datenlage darüber, zu welchen Aufsichtsprozessen es kommt. Je automatisierter ein solcher Ansatz ist, desto weniger Bedarf besteht für eine nachgelagerte Datenauswertung.Die deutsche Aufsicht gewichtet unterdessen stärker qualitative Aspekte. Marktbeobachter prognostizieren unisono, dass deutschen Kreditinstituten unter direkter Aufsicht der EZB damit eine Menge Mehrarbeit ins Haus steht.