Das große Entrümpeln in der Finanzmarktregulierung

Neues EU-Paket gegen die Coronakrise - Nach Kapitalvorgaben für Banken nimmt Brüssel nun Verbriefungsrahmen, Prospektregeln und Mifid-Richtlinie ins Visier

Das große Entrümpeln in der Finanzmarktregulierung

Die EU-Kommission will die Erholung der Wirtschaft mit zahlreichen Nachjustierungen in der Finanzmarktregulierung unterstützen. Geplant sind Erleichterungen in der Marktrichtlinie Mifid II sowie in der Verbriefungs- und Prospektregulierung. Die Änderungen waren zum Teil schon lange gefordert worden. ahe Brüssel – Die EU-Kommission reagiert ein weiteres Mal mit Änderungen in der Finanzmarktregulierung auf die Coronakrise. Nachdem die europäischen Gesetzgeber im Juni bereits Erleichterungen bei den Kapitalanforderungen (CRR) durchgewinkt hatten, will die Brüsseler Behörde nun auch die Marktrichtlinie Mifid II, die Prospekte-Verordnung sowie den Gesetzesrahmen für Verbriefungen nachbessern. Dies soll dabei helfen, dass Unternehmen bei der Überwindung der Krise besser durch die Kapitalmärkte unterstützt werden, etwa über eine leichtere Kapitalbeschaffung.”Die Kapitalmärkte sind für den Aufschwung von entscheidender Bedeutung, da die öffentliche Finanzierung allein nicht ausreichen wird, um unsere Volkswirtschaften wieder auf Kurs zu bringen”, betonte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Er bekräftigte zugleich, dass die Kommission im September noch einmal mit einen umfassenderen Aktionsplan für die Kapitalmarktunion nachlegen werde.Bei den Verbriefungen bessert die Brüsseler Behörde jetzt ein Regelwerk im Schnellverfahren nach, das erst seit Januar 2019 in Kraft ist. Ziel ist, eine stärkere Nutzung von Verbriefungen zu erreichen, indem die Banken in die Lage versetzt werden, ihre Kreditvergabe auszuweiten und notleidende Risikopositionen aus ihren Bilanzen zu entfernen. Vorgeschlagen wird daher zum einen, den Rahmen für STS-Verbriefungen (Simple, Transparent, Standardised) auf sogenannte bilanzielle synthetische Verbriefungen auszuweiten. Diese gelten als ein wichtiges Risikomanagementinstrument für die Kreditvergabe von Banken an Unternehmen, insbesondere an kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU). Es sei sinnvoll, den Banken die Möglichkeit zu geben, einen Teil des Risikos von KMU-Darlehen auf die Märkte zu übertragen, hieß es.Zudem schlägt die Kommission vor, bestehende regulatorische Hindernisse für die Verbriefung notleidender Risikopositionen zu beseitigen. Dies könne Banken dabei helfen, diese notleidenden Positionen, deren Umfang aufgrund der Coronavirus-Krise voraussichtlich zunehmen werde, abzustoßen, hieß es zur Erklärung. Hierzu hatte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA schon seit 2019 umfangreiche Analysen geliefert.Lob für diese Vorschläge kam bereits aus dem EU-Parlament. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber betonte, mit den richtigen Maßnahmen im Verbriefungsmarkt könne mit einem Schlag enormes Kapital in den Bankbilanzen freigesetzt werden. Dies gebe den Banken wiederum die Möglichkeit, die Realwirtschaft zu stützen. “Ein effektiveres Verbriefungsregime kommt mittelbar vor allem der Mittelstandsfinanzierung zugute”, sagte Ferber. Lob aus der KreditwirtschaftIm Bereich der Prospekt-Regulierung will die Kommission erfahrenen Unternehmen die weitere Mittelbeschaffung vereinfachen. Dafür schlägt sie einen “EU-Wiederaufbauprospekt” vor. Dies ist eine Art Kurzprospekt für Unternehmen, die auf dem öffentlichen Markt einschlägige Erfahrung vorweisen können und schon mindestens 18 Monate gelistet sind. Dieser temporäre Prospekt, der nur 30 Seiten lang sein soll, wäre für Unternehmen leicht zu erstellen, für Anleger leicht zu lesen und für die zuständigen nationalen Behörden leicht zu prüfen, wie es hieß.Weitere Änderungen der Prospektverordnung zielen darauf ab, insbesondere kleineren Banken die Mittelbeschaffung zu erleichtern. Sie sollen bei einer regelmäßigen Beschaffung zusätzlicher Gelder künftig nicht jedes Mal einen neuen Prospekt herausgeben müssen.Die geplanten Änderungen bei Mifid II waren bereits im Vorfeld bekannt geworden (siehe BZ vom 23. Juli). Sie zielen darauf ab, den Verwaltungsaufwand für erfahrene Anleger zu verringern. Geplant ist, mit zahlreichen Maßnahmen die Informationsanforderungen für Profianleger zu senken sowie den Umgang mit Research-Kosten und mit Energie-Derivaten zu ändern. Angesichts der derzeitigen Krise sei es wichtiger denn je, unnötige Belastungen zu verringern und Chancen für neu entstehende Märkte zu schaffen, erklärte die Kommission. Sie verwies darauf, dass die geplanten Änderungen sich auf eine Reihe von Anforderungen bezögen, bei denen bereits im Rahmen von öffentlichen Konsultationen festgestellt worden sei, dass diese viel zu aufwendig seien oder die Entwicklung der europäischen Märkte behinderten.Lob kam von der Deutschen Kreditwirtschaft (DK): Die Interessenvertretung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände erklärte, dass einige der Anfang 2018 in Kraft getretenen Regeln von Mifid II immer wieder Anlass für Kunden-Klagen über zu umfangreiche und redundante Informationen gewesen seien. Die nun vorgeschlagenen Änderungen seien aus Sicht der deutschen Banken und Sparkassen daher nicht nur eine sinnvolle Reaktion auf die Corona-Pandemie, hieß es. “Sie sind zudem kundenfreundlich und vereinfachen die durch Mifid II übermäßig komplex gewordenen Abläufe im Wertpapiergeschäft.”Die DK hält insbesondere die vorgeschlagenen Erleichterungen für Geschäfte mit professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien – zum Beispiel im Interbankenhandel – sowie für das im Zuge der Coronakrise wichtiger gewordene Telefongeschäft für richtig. Große Mifid-Review fehltAuch der europäische Kapitalmarktverband Afme sprach von Schritten in die richtige Richtung. Er verwies allerdings auch darauf, dass eine umfassendere Überprüfung der Mifid-Regeln und des Verbriefungsrahmens sowie die allgemeine Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion für eine bessere Effizienz der europäischen Finanzmärkte auch weiterhin von wesentlicher Bedeutung blieben.In diese Kerbe schlug auch der Europaabgeordnete Ferber und erklärte, dass die Mifid-Überprüfung eigentlich schon für das dritte Quartal angekündigt worden war. “Die heutigen Vorschläge können nur ein erster Schritt sein. Bei der Marktstruktur und den Transparenzbestimmungen gäbe es eine ganze Reihe von Punkten, die man sich noch einmal grundsätzlich anschauen müsste und die eine viel größere Wirkung hätten als die Detailänderungen, die die Kommission heute vorschlägt”, sagte Ferber.