Thorsten Pötzsch

„Das ist ein sehr gutes Aufsichtssystem“

Die EU hat nach Ansicht des BaFin-Exekutivdirektors „ein rundum gutes Paket“ vorgelegt – Lob für Governance und Durchgriffsrechte der neuen Behörde AMLA 

„Das ist ein sehr gutes Aufsichtssystem“

Tobias Fischer.

Herr Pötzsch, wie zufrieden sind Sie mit den Entwürfen zum Anti-Geldwäschepaket der Europäischen Kommission?

Das nun endlich vorgelegte Paket von Entwürfen bewegt sich ganz wesentlich auf der Linie der im November 2020 verabschiedeten Schlussfolgerungen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Deshalb bin ich in zweifacher Hinsicht froh. Zum einen, weil der Gesetzgebungsprozess nun richtig Fahrt aufnehmen kann, und zum anderen, weil wir ein sehr gutes Paket von Legislativvorschlägen haben.

Was steckt in dem Paket?

Mit dem Entwurf einer unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden Anti-Geldwäsche-Verordnung haben wir ein echtes Novum im Bereich der Geldwäschebekämpfung. Das gilt auch für den Vorschlag über eine Verordnung zur Schaffung einer europäischen Anti-Geldwäsche-Behörde. Daneben haben wir eine neue Anti-Geldwäsche-Richtlinie, welche die bisherige Richtlinie ersetzt. Außerdem wird die Transparenz der Übertragung von Kryptowerten künftig durch die Überarbeitung der entsprechenden Verordnung erhöht. Alles in allem haben wir damit eine sehr gute Grundlage für die weiteren Diskussionen auf europäischer Ebene, und ich hoffe, dass eine Verabschiedung entsprechend zügig erfolgen wird.

Wann rechnen Sie damit?

Es ist relativ schwierig, das vorherzusehen. Ich denke aber, dass wir zügig zu einem Ergebnis kommen werden. Es herrscht Einigung auf europäischer Ebene, dass wir hier eine europäische Regelung brauchen. Und es herrscht weitestgehend Konsens darüber, dass es einer eigenständigen europäischen Behörde bedarf. Deshalb hoffe ich, dass wir innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre zu einem Abschluss der Verhandlungen kommen werden.

Wo hätten Sie sich mehr Schmackes erhofft?

Die Entwürfe erachte ich als eine wirklich gute Diskussionsgrundlage. Deshalb ist es jetzt etwas verfrüht, mit Einzelkritik hervorzutreten. Wenn es einen Punkt gibt, auf den ich auch schon in der Vergangenheit mehrfach hingewiesen habe, dann ist es der Datenschutz. Wir brauchen Regelungen, die das Spannungsverhältnis zwischen Geldwäschebekämpfung einerseits und Datenschutz andererseits klar adressieren und dieses Spannungsfeld lösen. Wir brauchen praktische Regelungen, detaillierte und sichere Rechtsgrundlagen auf europäischer Ebene, um dieses Problem zu adressieren. Was wir hier in der europäischen Verordnung finden, sind Regelungen, die auch einen sehr guten Ausgangspunkt bieten, aber ich habe den Eindruck, dass gegebenenfalls noch nachgeschärft werden könnte.

Sie sagen, dass die EU das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Geldwäschebekämpfung lösen muss. Wie (un)überbrückbar sind die Differenzen?

Ich halte es für durchaus denkbar, dass wir dieses Spannungsverhältnis auflösen können. In dem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass unter der gegenwärtigen deutschen Präsidentschaft der FATF – dem internationalen Standardsetzer im Bereich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung – durch den Präsidenten  Marcus Pleyer ein Projekt gestartet wurde, in dem das Spannungsfeld adressiert und versucht wird, mit digitalen Technologien Lösungen zu finden, die beiden Gemeinwohlzielen gerecht werden. Es ist insofern wegweisend, als Geldwäsche-Fachleute und Datenschutzexperten, aber auch Fachleute, die über Know-how zu digitalen Technologien verfügen, zusammenkommen und gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Das ist der Weg vorwärts. Wenn auf der einen Seite die FATF daran arbeitet und wir auf der anderen Seite in der europäischen Verordnung im Bereich Datenschutz klar und rechtssicher ausgestalten, was erlaubt ist, gehen alle in die richtige Richtung. Ich glaube also, man kann die Thematik lösen, und gehe davon aus, dass sie gelöst wird.

Wie viel wird denn von den Entwürfen letztlich übrig bleiben und umgesetzt werden?

Der Handlungsdruck in der Geldwäschebekämpfung ist sehr hoch und die Bereitschaft in nahezu allen Mitgliedstaaten gegeben, hier zu einer Lösung zu kommen. Das gesamte Gesetzgebungspaket stellt die richtigen Fragen und sucht, wie ich auch immer gefordert habe, europäische Antworten auf die großen Geldwäscheskandale.

Es ist das, was Sie sich vorgestellt haben?

Ja.

Die europäische Anti-Geldwäsche-Behörde, die AMLA, wird von Grund auf neu errichtet. Die andere Option, eine Stärkung der europäischen Bankenregulierungsbehörde EBA, die erst vor anderthalb Jahren zur federführenden Anti-Geldwäsche-Institution in Europa gekürt wurde, aber häufig in der Kritik stand, ist vom Tisch. Sind Sie mit der Lösung einer komplett neuen Behörde zufrieden?

Dieser From-Scratch-Ansatz für die Schaffung einer komplett neuen, eigenständigen Behörde ist genau richtig. Dafür habe ich immer plädiert. Die EBA war mit der vorhandenen Governance wesentlich weniger geeignet, anstehende Probleme zu lösen. Die Governance, die jetzt bei der AMLA vorgesehen ist, scheint geldwäschespezifisch ausgestaltet zu sein, und das ist positiv. Wir haben auf der einen Seite das Executive Board für die Einzelentscheidungen und für die eher regulatorischen Fragen dann das General Board. In dem sitzen – je nach Zusammensetzung – auch Vertreter der europäischen Geldwäsche-Aufsichtsbehörden und Vertreter der nationalen Financial Intelligence Units. Diese Governance gewährleistet, dass Entscheidungen, gerade mit Blick auf Einzelinstitute, frei von nationalen Interessen getroffen werden.

Ist es richtig, dass im Vorstand mehr oder minder unabhängige Persönlichkeiten sitzen sollen?

Die AMLA muss als unabhängige Behörde handeln können. Das setzt wiederum voraus, dass die Mitglieder des Vorstandes unmittelbar für und nur für diese Behörde arbeiten, das heißt nicht für einzelne nationale Geldwäsche-Aufsichtsbehörden oder Financial Intelligence Units.

Gremien sind der sechsköpfige Vorstand inklusive Executive Director, der das Tagesgeschäft übernimmt, und eine Art Aufsichtsrat, General Board. Wer wird denn in der AMLA das Sagen haben, und ist das Konstrukt nicht ein wenig undurchsichtig?

Undurchsichtig finde ich es nicht. Wir haben auf der einen Seite den Verwaltungsrat für die regulatorischen Bereiche und auf der anderen das Executive Board für Entscheidungen über Einzelinstitute. Beide Organe sind Bestandteil eines Gesamtsystems. Es wird dann ein Konsens herbeigeführt, wie es ihn auch bei anderen europäischen Aufsichtsbehörden gibt.

Der Verwaltungsrat kommt ja in gleich zwei Manifestationen daher: zum einen zusammengesetzt mit den Chefs der nationalen Financial Intelligence Units, zum anderen mit jenen der nationalen Behörden für Geldwäscheprävention. Wirft das nicht Fragen auf, wann wer zum Einsatz kommt?

Das werden wir uns im Einzelnen noch in den Verhandlungen anschauen müssen, ob es Nachschärfungsbedarf in diesem Bereich gibt – auch hinsichtlich der Frage der Zusammensetzung und der Zahl der vertretenen Personen. Es gibt ja bereits ähnliche Gremien in anderen europäischen Aufsichtsbehörden. Das ist also kein Novum.

Verfügt die AMLA über die Durchgriffsrechte, die Sie sich ge­wünscht haben?

Die AMLA soll mit direkten und mit indirekten Aufsichtsbefugnissen ausgestattet werden. Zu den direkten zählen Instrumente zur unmittelbaren Erkenntnisgewinnung, Vor-Ort-Prüfungsrechte, Sanktionierungs- und andere Befugnisse. Das entspricht unseren Wunschvorstellungen.

Und was fehlt?

Eigentlich bin ich ganz zufrieden. Nach erster Durchsicht ist es ein rundum gutes Paket.

Hat AMLA die Befugnis, auch nationale Aufseher im Falle von Versäumnissen und Vergehen zu maßregeln und zu sanktionieren?

Sie kann gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen Handlungsaufforderungen und Anweisungen erlassen. Und sie kann auch regelmäßige Überprüfungen der nationalen Aufsichtsbehörden durchführen, um sicherzustellen, dass alle Aufsichtsbehörden über angemessene Ressourcen und Befugnisse verfügen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Wenn sie Hinweise auf wesentliche Verstöße durch einen von ihr nicht direkt beaufsichtigten Verpflichteten erlangt, kann sie die nationale Aufsichtsbehörde anweisen, diese Verstöße gegen Unionsrecht zu untersuchen und bei festgestellten Verstößen Sanktionen gegen den Verpflichteten zu erlassen. Kommt die nationale Aufsichtsbehörde dem nicht nach, kann die AMLA die Aufsicht über den Verpflichteten an sich ziehen.

Fürchten Sie einen Einflussverlust der BaFin als nationale Anti-Geldwäsche-Behörde, wenn AMLA kommt?

Nein, ich sehe es als eine Stärkung des Gesamtsystems der europäischen Geldwäscheprävention. Wir sind als Team stärker, und dadurch wird auch die Rolle der BaFin gestärkt. Wir werden eine wesentlich bessere Architektur haben im Hinblick auf die Vernetzung und Kommunikation, und das stärkt alle Seiten. Die nationale Aufsicht wird nicht auf die Seitenlinie gedrängt. Wir spielen weiterhin mit, mit einem ganz neuen, starken Player.

Wie viele Institute wird die neue Behörde Ihrer Einschätzung nach überwachen?

Es wäre verfrüht, jetzt eine konkrete Zahl zu nennen. Wichtig ist, dass wir eine risikoorientierte Auswahl haben. Die Kriterien sind einerseits grenzüberschreitende Tätigkeit, an­dererseits das Risikoprofil. Größe allein ist nicht entscheidend. Wichtig ist eine risikoorientierte Aufsicht, welche die spezifischen Risiken benennt, adressiert und danach eine trennscharfe Allokation zur europäischen beziehungsweise zu nationalen Aufsichtsbehörden ermöglicht.

Der Versuch, mit der EBA eine EU-Behörde in Frankfurt zu ergattern, lief bekanntlich schief. Wie zuversichtlich sind Sie, dass AMLA dort angesiedelt wird?

Die hessische Landesregierung und der Bankenverband haben bereits gefordert, dass die EU-Behörde in Frankfurt angesiedelt werden sollte. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir es mit einem starken Standort zu tun haben, der im Hinblick auf die Bekämpfung von Geldwäsche glaubwürdig ist und gute Voraussetzungen liefert.

Die Anti-Geldwäsche-Landschaft in der EU ist um einen Akteur reicher, die Zersplitterung weiterhin gegeben. Relevante Institutionen sind neben AMLA die nationalen Behörden und Financial Intelligence Units, die diversen Aufsichtsinstitutionen des Nichtfinanzsektors, ferner EZB-Bankenaufsicht, EIOPA und ESMA. Das Durcheinander hält an. Was also bringt letztlich die AMLA?

Ich sehe keine Zersplitterung oder ein Durcheinander. Die AMLA ist der notwendige Schritt zur Vervollständigung und Harmonisierung der europäischen Aufsichtslandschaft. Es gibt klar definierte, voneinander abgegrenzte Aufgabenbereiche. Das ist ein transparentes System, das Zuständigkeiten richtig zuweist. Wenn in der AMLA nun auch noch die Geldwäschepräventionsbehörden und die Financial Intelligence Units, die ja die erste Stufe des Übergangs von der Prävention in die Verfolgung darstellen, zusammengeführt werden, dann ist das ein sehr gutes Aufsichtssystem, das im Hinblick auf die Zuständigkeiten keine Frage offen lässt und die Geldwäscheprävention in Europa noch effektiver und effizienter macht.

Stichwort Financial Intelligence Units: Die AMLA hat hier eine Art Koordinierungsfunktion, oder?

Einerseits soll hier eine verstärkte Kommunikation geschaffen werden, andererseits aber auch eine bessere Vernetzung mit Blick auf Datenpools. In Bezug auf die FIUs soll die AMLA eine signifikante Rolle bei der Durchführung gemeinsamer Analysen der FIUs einnehmen, zum Beispiel bei der Identifizierung relevanter Fälle von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung so­wie bei der Entwicklung geeigneter Methoden für die gemeinsame Analyse grenzüberschreitender Fälle.

Das Interview führte