Das Morgen liegt in der Veränderung

Schwäbische Hidden Champions stehen vor großen Herausforderungen

Das Morgen liegt in der Veränderung

Die Aufgaben für den industriellen Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sind groß: Angefangen beim Fachkräftemangel und demografischen Wandel über neue disruptive Wettbewerber bis zu technologischer Transformation. Insbesondere für viele baden-württembergische Unternehmen kommt der tiefgreifende Wandel in der Automobilindustrie hinzu, wenn es um die richtige Aufstellung für die Zukunft geht.Zugleich bringen die industriell geprägten mittelständischen Unternehmen in der Region alle Voraussetzungen mit, um die vor ihnen liegenden Aufgaben zu meistern. So sind sie traditionell wachstumsstark und verfügen über eine hohe Finanz-, Innovations- sowie Anpassungskraft. All dies gilt es nun in die Waagschale zu werfen, um auch in der kommenden Dekade an der Spitze der Weltmarktführer zu stehen.Gegenwärtig kristallisieren sich hier drei Schwerpunktthemen heraus. Zum einen wird es künftig um die verstärkte Diversifizierung hinsichtlich Angebot und Produktion gehen und damit darum, die Bandbreite in der Wertschöpfung auszubauen. Dies gilt nicht nur für die Unternehmen, die in der Automobilindustrie ansässig sind, Stichwort neue Antriebskonzepte, innovative Materialien und Ausbau von Mobilitätsdienstleistungen. Es betrifft auch Segmente wie den Geräte- und Maschinenbau sowie Umwelttechnik, die sich durch fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung verändern – etwa, wenn man an Themen wie Pay per Use, Automation sowie Wiederverwertbarkeit und die effizientere Nutzung von Ressourcen denkt.Die Grundlage hierfür ist gegeben. Denn Unternehmen hierzulande und speziell aus Baden-Württemberg verzeichnen bei Erfindungen internationale Spitzenwerte und führen bei Patentanmeldungen seit Jahren mit großem Abstand im europäischen Vergleich. Sie können dabei auf ein breit abgestütztes Patentportfolio vertrauen und verfügen über eine starke Innovationsfähigkeit in der Medizintechnik, dem Maschinenbau und der Automobilindustrie – aber auch im Chemiebereich sowie bei der Entwicklung von zukunftsträchtigen klimaneutralen Technologien.Neben ihren bayerischen Pendants weisen insbesondere die Unternehmen aus Baden-Württemberg regelmäßig Spitzenpositionen im innerdeutschen Vergleich auf und verfügen über einen hohen Spezialisierungsgrad im Sektor Maschinen und Verfahren. Auch bei künftigen Schlüsseltechnologien wie der additiven Fertigung beziehungsweise 3-D-Drucktechnologien wird laut einer aktuellen internationalen Studie eine führende Stellung erzielt, was das Voranschreiten der digitalen Transformation der deutschen Industrie unterstreicht. Im Keramikmarkt wird beispielsweise die additive Fertigung künftig eine wichtige Rolle einnehmen, insbesondere bei der Produktion von Prototypen oder kleinen Losgrößen, vor allem mit Blick auf die Zeitersparnis und Flexibilität in der Formgebung. Horizont erweiternUm diese gute Ausgangsposition nicht zu verspielen, gilt es nun, auf immer kurzlebigere Produktionszyklen zu reagieren. Denn was für die Konsumgüterindustrie seit langem gilt, erfährt auch bei Investitionsgütern eine immer stärkere Bedeutung – längst befinden sich auch die Hidden Champions in einem immer rapider werdenden Wettlauf um Neuentwicklungen, der in den kommenden Jahren noch einmal zusätzlich Geschwindigkeit aufnehmen wird. Eine wichtige Rolle wird es spielen, den Zeitraum zwischen der Entscheidung für die Entwicklung eines Produkts bis zur Markteinführung weiter zu verkürzen.So zeigt eine global angelegte Studie, dass etwa in der Medizintechnik die Themen Produktinnovation, Reduzierung der Time to Market und die effiziente Produktentwicklung als wesentliche Erfolgsfaktoren angesehen werden. Im Kern wird es hier branchenübergreifend um eine noch stärkere Kundenzentrierung gehen, bei der auch gemeinsam mit den Kunden Lösungen erarbeitet werden müssen. Damit dies gelingt, sollten die Zeiten, in denen Kundenfeedback in erster Linie an das Top-Management geht, der Vergangenheit angehören.Schließlich bedarf es einer weiteren Internationalisierung des hiesigen Mittelstands. Dies gilt nicht nur mit Blick auf die Erschließung neuer Wachstumsmärkte, sondern auch hinsichtlich des “Gelebtwerdens” einer internationalen Kultur innerhalb der Organisationen, insbesondere unter den Gesichtspunkten der Diversität und des Einnehmens einer globalen Perspektive auf die Unternehmensentwicklung. Auch wenn einer Untersuchung zufolge noch ein Drittel der kleineren und mittleren Unternehmen hierzulande die Globalisierung als Bedrohung sieht, haben sich viele Hidden Champions längst international aufgestellt und verfügen über Standorte rund um den Globus.Nun gilt es, die nötigen Veränderungsprozesse anzustoßen, damit sich auch alle Stakeholder im Unternehmen als Teil einer internationalen Mannschaft wahrnehmen – was auf der anderen Seite nicht bedeuten sollte, seine Wurzeln zu verleugnen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass dieser Spagat und das Zusammenrücken über Büros, Abteilungen und Standorte hinweg funktionieren. Diese Erkenntnis gilt es für die Zukunft zu bewahren und Silodenken weiter abzubauen, um voneinander zu lernen. Ein Stück weit neu erfindenDie Zukunft des industriellen Mittelstands liegt somit vor allem in der Fähigkeit, sich zu verändern und ein Stück weit neu zu erfinden. Wer die Weichen in der aktuellen Phase von technologischer Transformation nicht stellt, läuft Gefahr, in einigen Jahren unwiederbringlich abgehängt zu werden. In diesem Umfeld gehört auch Bewährtes auf den Prüfstand – Agilität, globale “Denke” und breiteres Produktportfolio werden für die Unternehmen in der Region zu den entscheidenden Faktoren. Hadi Saleh, Chief Executive Officer bei CeramTec