LEITARTIKEL

Das Votum der Fondsanleger

Gäbe es keine Investmentfonds, sie müssten rasch erfunden werden: Sie sind tendenziell höher rentierlich als Zinsprodukte, flexibler als Lebensversicherungen und auch nicht so kurzlebig oder spekulativ im Charakter wie manch Zertifikat. Breit...

Das Votum der Fondsanleger

Gäbe es keine Investmentfonds, sie müssten rasch erfunden werden: Sie sind tendenziell höher rentierlich als Zinsprodukte, flexibler als Lebensversicherungen und auch nicht so kurzlebig oder spekulativ im Charakter wie manch Zertifikat. Breit gestreut bieten sie für jeden einen leichten Einstieg in die Wertpapieranlage. Im Niedrigzinsumfeld haben mehr und mehr Sparer das Instrument entdeckt, trotzdem kommen Fonds viel seltener zum Einsatz als zinslastige Produkte – ein Jammer!Doch schlägt der Branche Misstrauen von Anlegerschützern und aus der Politik entgegen, was sich nicht allein mit einer mangelnden Aktienkultur oder einer übertriebenen Risikoscheu erklären lässt. Für Ärger sorgt der Vertrieb: Finanzprodukte, übrigens nicht nur Fonds, sind fast überall in Europa mit Vertriebsprovisionen versehen, mit denen Beratung und Verkauf finanziert werden. Die an sich sinnvollen Produkte sind daher mit einem zusätzlichen Kostenblock versehen und mit einem Interessenkonflikt, weil jeder Finanzberater zugleich auch ein Verkäufer ist. Im Vertrieb hat sich eine gewisse Monokultur breitgemacht: Banken und Finanzvertriebe empfehlen überwiegend Produkte der zugehörigen Fondsanbieter, der Verkauf hängt am Vertrieb. Alternativen sind vorhanden, sie setzen aber eine gezielte Suche voraus, seien es billige Fonds, Produkte ohne Ausgabeaufschlag oder Modelle, die eine Auskehr laufender Provisionen an den Anleger vorsehen. Fonds sind in Deutschland zwar oft günstiger als in anderen Ländern, in denen ein ähnliches Vertriebsmodell vorherrscht, aber teurer als etwa Produkte, die in der Schweiz oder den USA aufgelegt werden, wo ein intensiver Wettbewerb, ein hohes Geldvermögen pro Kopf und ein heterogener Vertrieb das Geschäft prägen.Einige Anlegerschützer und Marktbeobachter schimpfen über den Vertrieb. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei den Wertpapiergesprächen um keine Beratung, sondern einen gezielten Verkauf. Das mag einseitig sein, verantwortungsvoller Rat hier gehört ebenso zum Befund wie eine fragwürdige Verkaufskultur dort. Die Abhängigkeit von Produktanbieter und Vertrieb ist aber groß: Allein die vier Publikumsfondsriesen in Deutschland – DWS, Allianz Global Investors, DekaBank und mutmaßlich auch Union Investment – weisen tendenziell pro Jahr jeweils einen milliardenschweren Provisionsaufwand aus. Banken, Sparkassen und Finanzvertriebe leben von Zuwendungen, gerade weil andere Ertragsquellen wie das Kreditgeschäft unter Druck stehen. Zugleich brauchen Fondshäuser den Vertrieb, der ihnen bisher ein solides Neugeschäft beschert. Der Druck, neue Wege zu gehen, war bisher gering. Wenn Kreditinstitute, Direktbanken, Finanzvertriebe und Online-Vermögensverwalter auf alternative Angebote setzen, werden diese oft nur sporadisch angenommen. Sofern Privatleute nicht sehr vermögend sind, entscheiden sie sich selten für eine Beratung und Depotbetreuung gegen separate Gebühr. An eine vermeintliche Gratiskultur in der Wertpapierberatung hat sich leider auch der Kunde gewöhnt.Doch der Mangel an Alternativen birgt Risiken, auch für die Branche. Das Misstrauen hat bereits Ausdruck in der Regulierung gefunden; mit Instrumenten wie der Geeignetheitserklärung, der Zielmarktdefinition, dem Telefonmitschnitt und dem Basisinformationsblatt will der Gesetzgeber längst das Gespräch zugunsten der Anleger lenken – mit durchwachsenem Erfolg und einem hohen Aufwand für die Branche. Auch die Idee eines Provisionsverbots nach niederländischem und britischem Vorbild steht im Raum. Der Interessenkonflikt in der Beratung wäre dahin, zugleich wäre der Wechsel eine Schocktherapie, für die es bislang keine politischen Mehrheiten in Deutschland gibt. Ein Aufflammen der Diskussion über ein Verbot gehört zu den latenten Risiken der Branche – umso mehr, als Alternativen kaum etabliert sind.Der größte Druck geht aber von einer Innovation aus, die viele Jahre ein Nischendasein pflegte, mittlerweile aber immer mehr Anleger erreicht: dem ETF-Sparplan. Direktbanken verkaufen die Verträge rege, mehr als 1,7 Millionen Sparpläne sind bereits eingerichtet. Damit zeichnet sich ab, dass künftig ein größerer Teil des Neugeschäfts in börsengehandelte Indexfonds fließt und nicht in herkömmliche Produkte. Indexfonds sind nicht per se besser als aktiv verwaltete Vehikel, die Zunahme der Sparpläne, die oft nicht umsonst, aber einigermaßen billig sind, ist vielmehr ein Votum gegen die Kosten im Vertrieb. Können etablierte Fondsanbieter und Filialbanken keine Alternativen bieten, werden sie diese Anleger verlieren.——Von Jan SchraderFondsbranche und Vertrieb sind voneinander abhängig. Der provisionsbasierte Vertrieb hat sich als Geschäftsmodell bewährt, doch langsam denken Sparer um.——