SERIE: NACHHALTIGKEIT IM FINANZSEKTOR (TEIL 5) - DER FINANZSEKTOR WIRD GRÜNER

Den Dschungel der nachhaltigen Fonds lichten

Eine allgemein gültige Definition fehlt - Große Bandbreite an Angeboten - Mit wenigen Kriterien die Ernsthaftigkeit testen

Den Dschungel der nachhaltigen Fonds lichten

Wer neben der Rendite auch ökologische, ethische oder moralische Ziele bei seinen Investments hat, kann sich im Dschungel von höchst unterschiedlichen Fonds verlieren. Aber es gibt ein paar Punkte, die schnell erkennen lassen, wie ernst es die Fondsgesellschaft mit diesen Zielen meint.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtMan kennt das Problem aus dem Supermarkt: Regelmäßig prangen auf den Lebensmitteln neue Siegel, die beweisen wollen, dass dieses Produkt ökologisch oder moralisch besser ist als andere. Es gibt zum Beispiel diverse Bio-Siegel, Fairtrade-Symbole, das Label Tierschutz und noch einiges mehr. Dieses Angebotswirrwarr ist eher dazu geeignet, Verbraucher, die auf Umwelt- oder Tierschutz achten wollen, abzuschrecken, weil sich nicht erkennen lässt, welches Siegel denn das bessere ist. Noch viel wilder geht es zu, wenn ein Anleger nicht nur die Rendite im Kopf hat, sondern auch noch “etwas Gutes tun” will. Das heißt, er will in einen “nachhaltigen” Fonds investieren. Dieser Begriff ist hierzulande weder geschützt, noch gibt es eine einheitliche Definition, welche Bedingungen Anlageprodukte hierfür erfüllen müssen. Also aufgeben? Die gute Nachricht: Tatsächlich kann man an bestimmten Punkten erkennen, wie weit es bei einem Fonds mit der Nachhaltigkeit her ist. Die schlechte Nachricht: Will ein Privatanleger sich völlig sicher sein, braucht er Spezialkenntnisse, die er selten vorweisen kann. Ein EntwicklungslandDeutschland ist in Sachen nachhaltige Geldanlage ein Entwicklungsland, blickt man auf angelsächsische Länder oder auch nur ins benachbarte Ausland. Auch wenn wir Weltmeister in Sachen Mülltrennung sind, wenn schon nicht in der Müllvermeidung – der Anteil nachhaltiger Fonds und Mandate ist mit unter 3 % lächerlich gering (siehe Grafik). Da können Österreicher und Schweizer fast schon das Dreifache vorweisen. Auch ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit im Anlageprozess institutioneller Investoren in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich unterentwickelt.Da ist Frankreich schon deutlich weiter, obwohl wir die Franzosen so gerne wegen ihrer Atompolitik kritisieren. Dort gibt es seit 2015 ein Gesetz zur Energiewende. Ziele sind darin unter anderem, dass bis zum Jahr 2030 erneuerbare Energien einen Anteil von 40 % an der Stromerzeugung ausmachen oder dass die Treibhausgasemissionen um 40 % des Ausstoßes von 1990 (bis 2050 sogar auf ein Viertel) reduziert werden sollen. Investoren werden darin auch verpflichtet, in ihrer Investitionspolitik Umweltaspekte und Klimarisiken zu berücksichtigen und Rechenschaft darüber abzulegen. Zudem gibt es ein staatliches Label für nachhaltige Geldanlagen.Auch im angelsächsischen Raum ist Nachhaltigkeit viel etablierter als hierzulande. Dies liegt allein schon daran, dass dort die treuhänderische Verpflichtung von Fondsanbietern oder auch Pensionsfonds gesetzlich verankert ist. Oder auch daran, dass es dort eine lang etablierte Aktienkultur gibt und damit zusammenhängend auch eine aktive Stimmrechtsvertretung.Die Rückständigkeit Deutschlands bei der nachhaltigen Geldanlage hat auch damit zu tun, dass einheitliche Kriterien fehlen, geschweige denn, dass es ein staatliches Siegel gibt wie in Frankreich. Allgemeingültig ist da nur noch die ganz grundsätzliche Definition, dass nachhaltige Finanzprodukte ethische, soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Vertieft man sich in das Angebot, gibt es eine Bandbreite höchst unterschiedlicher Produkte, die sich auch nicht so ohne weiteres vergleichen lassen. Auf der einen Seite gibt es Fonds, die keine Nachhaltigkeitsauswahl im Portfolio treffen, aber einen Teil der Verwaltungsgebühr für wohltätige Zwecke spenden und sich wegen dieses Deckmäntelchens als nachhaltig bezeichnen. Auf der anderen Seite gibt es hochspezialisierte Themenfonds, die etwa auf nachhaltige Wassernutzung setzen.So extrem diese beiden Beispiele sind, so reichhaltig und bunt ist das Mittendrin bestückt. Da gibt es Fonds, die nach sogenannten Ausschlusskriterien etwa Waffenanbieter aus ihrer Investmentliste streichen. Andere suchen sich für bestimmte Punkte (zum Beispiel Emissionen) Unternehmen heraus, die im jeweiligen Branchenvergleich noch am besten (oder am wenigsten schlecht) dastehen – dieser Investmentstil nennt sich Best in Class. Daneben gibt es etwa noch den Stil “Engagement”, worunter sich der dehnbare Begriff der Ausübung von Stimmrechten oder der Dialog mit Unternehmen seitens der Fondsgesellschaften verbirgt (siehe Kasten zu weiteren Investmentstilen). Klar und deutlichWie also kann ein Privatanleger für sich diesen Dschungel lichten? An erster Stelle ist wichtig, dass der Fonds überhaupt klar und deutlich sowie in regelmäßigen Abständen Ausweis gibt über seine gewählte Form der Nachhaltigkeit. “Findet man die Auflistung der nachhaltigen Tätigkeit eines Fonds nur versteckt in irgendeinem Winkel der Homepage, ist das wenig überzeugend”, sagt Roland Kölsch, Geschäftsführer der Gesellschaft für Qualitätssicherung Nachhaltiger Geldanlagen (GNG). Die GNG vergibt als Tochter der FNG (Forum Nachhaltige Geldanlagen) ein Siegel für nachhaltige Investmentfonds. “Ein weiterer guter Hinweis ist, ob der Fondsanbieter es nach vorne in die Vitrine stellt oder gar nicht bewirbt.”Des Weiteren ist ein Kriterium, ob ein Fonds quartalsweise Bericht erstattet über seine nachhaltigen Tätigkeiten und zudem auch länglich über mehrere Seiten oder ob es nur einmal jährlich eine spärliche Abhandlung dazu gibt. “Entscheidend ist, ob der Anleger über die gegebenen Informationen ein Gefühl dafür bekommen kann, was der Fonds bewirken kann oder will.”Von Produkten, die mit Ausschlusskriterien arbeiten, hält Kölsch mit Blick auf das übergeordnete Ziel, Unternehmen zu mehr ökologischem, ethischem oder sozialem Handeln zu bewegen, wenig. “Wenn man ein Unternehmen ausschließt, also sanktioniert oder mit dem Finger darauf zeigt, läuft man Gefahr, dass es nach dem Motto ,Jetzt erst recht` agiert.” Viel besser sei es, den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft über ein Investment mitzugestalten. “Man erreicht mehr, wenn man im Dialog bleibt und die Unternehmensführung auf Fehler hinweist, das ermöglichen der Best-in-Class- oder der Engagement-Ansatz.” Bei harten Themen AusschlussBei sehr harten Themen (Waffen, Atomenergie) setzt freilich auch das FNG-Siegel auf Ausschluss, hier ist aber ein Dialog zum Umdenken auch eher fruchtlos. Ansonsten zeigt man sich beim Forum indes wenig radikal: Von jetzt auf gleich könne man keinen Wandel erreichen, etwa, dass Kosmetikproduzenten auf Tierversuche verzichten, argumentiert Kölsch. “Oder, ganz plastisch ausgedrückt: Wie viele Menschen verzichten, bei allem Interesse am Tierwohl, auf den Fleischkonsum?” Genauso unrealistisch sei eine Wirtschaft, die von heute auf morgen ohne Öl und Plastik auskommen kann. Daher mache es keinen Sinn, dogmatisch in einem nachhaltigen Fonds zum Beispiel die Ölproduzenten BP oder Royal Dutch auszuschließen.Kölsch setzt vielmehr darauf, dass Investoren immer mehr in den einzelnen Branchen in die Unternehmen investieren, die es am besten machen, und damit alle anderen Firmen zwingen, dem Klassenbesten nachzueifern, weil ihnen ansonsten die Gelder ausgehen. Das nennt Kölsch “hellgrünes” SRI (Socially Responsible Investment). Auf diesem Weg könne ein Fondsmanager am meisten erreichen, um einen Wandel der Wirtschaft hin zu nachhaltigem Produzieren zu unterstützen. Grenzen für PrivatanlegerUm aber als Anleger nachvollziehen zu können, ob der Fondsmanager tatsächlich die “besten” Unternehmen bei bestimmten nachhaltigen Punkten im Portfolio hat, müsste er schon diverse Spezialkenntnisse über Ratinganbieter in diesem Segment haben, wie es beispielsweise Oekom Research eine ist. Damit kommen “normale” Privatanleger auch schnell an die Grenzen, wie viel Zeit sie für die Auswahl einer einzigen Geldanlage haben.Noch viel schwieriger ist es mit weiteren Kriterien, die Kölsch als Ausweis eines “echten” nachhaltigen Fonds ansieht: Sitzen im Nachhaltigkeitsteam eines Assetmanagers neben den klassischen Analysten auch Umwelttechniker, Governance-Experten oder Sozialwissenschaftler? Wie hierarchisch sind die Strukturen? Wie unabhängig ist der Bereich durch ein eigenes Budget? “Solche Punkte zeigen, ob Nachhaltigkeit bei der Fondsgesellschaft nur ein Lippenbekenntnis ist oder wirklich gelebt wird.”Idealerweise könnte bei solchen Fragen ein versierter Kundenberater dem Anleger helfen. Leider seien diese in Sachen Nachhaltigkeit noch zu wenig geschult, moniert Kölsch. Insofern glaubt er, dass die vorhandenen Siegel zu nachhaltigen Fonds – ob aus seinem Haus, von der Luxemburger Luxflag oder etwa vom Verlag Ecoreporter – für Anleger Leitplanken bei seiner Entscheidung für einen nachhaltigen Fonds sein können. Die Auszeichnungen des FNG wurden im vergangenen Jahr zum dritten Mal vergeben. 45 Fonds erhielten das Siegel. Davon stammen 21 aus Österreich. Deutschland schaffte es nur auf zehn prämierte Produkte.—-Zuletzt erschienen: – Klimaschutz statt Wiederaufbau (13. Januar)- Luxemburg bringt grünes Bondgesetz (11. Januar)- Deutschland wird nasser (10. Januar)