IM INTERVIEW: BETTINA ORLOPP, BANKENVERBAND HESSEN

"Den Finanzplatz Frankfurt voranbringen"

Die gewählte Vorsitzende über die Attraktivität des Standorts, den Nutzen des kurzen Dienstwegs und den Reiz ihrer neuen Aufgabe

"Den Finanzplatz Frankfurt voranbringen"

Wer in diesen Tagen die Möglichkeit hat, ein Interview mit der Personalchefin der Commerzbank zu führen, der würde zweifellos gerne auch nach anderen Themen fragen als nach dem Bankenverband Hessen, zu dessen Vorsitzenden Bettina Orlopp gerade gewählt wurde. Doch das gehörte zu den vereinbarten Spielregeln: Die Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und Commerzbank sind in diesem Interview tabu. Das weiß niemand besser als das auch für Compliance und Recht verantwortliche Vorstandsmitglied. – Frau Dr. Orlopp, herzlichen Glückwunsch. Sie sind zur Vorstandsvorsitzenden des Bankenverbandes Hessen gewählt worden. Wozu braucht man eigentlich im Zeitalter der Globalisierung noch einen solchen Regionalverband?Der Bankenverband Hessen ist besonders nah an den Banken dran, die hier am Finanzplatz Frankfurt vertreten sind. Und gerade wenn es um die Positionierung eines Standorts im Wettbewerb geht, gibt es eine Vielzahl von Themen, die nicht oder zumindest nicht primär die globale, die europäische oder auch nur die nationale Ebene betreffen. Manches lässt sich dann besser und schneller im Zusammenspiel der Akteure vor Ort regeln – sozusagen auf dem kurzen Dienstweg.- Haben Sie ein Beispiel parat?Das aktuellste Beispiel ist der Brexit. Wenn ein Land die EU verlässt, ist das zweifellos mindestens ein europäisches Thema. Aber was die Konsequenzen und hier nicht zuletzt die damit verbundenen Chancen für einen Standort wie Frankfurt und die Interessenlagen der ortsansässigen Banken angeht, ist jedenfalls auch die regionale oder die lokale Perspektive ganz wesentlich. Durch die Verbindungen etwa zur Stadt oder zu den Universitäten lässt sich hier viel erreichen. Von daher macht ein hessischer Verband durchaus nach wie vor Sinn.- Wer sind für den hessischen Verband die entscheidenden Ansprechpartner?An erster Stelle stehen für mich die Mitgliedsinstitute hier vor Ort, unter denen die Auslandsbanken schon jetzt die größte Gruppe bilden. Hoffentlich werden in Zukunft noch möglichst viele weitere Finanzdienstleister im Wettbewerb der Standorte gerade Frankfurts Stärken zu schätzen wissen. Alles, was wir als Verband beitragen können, die Attraktivität des Platzes zu fördern, werden wir tun. Wir sehen uns insoweit als Dienstleister, dessen Aufgabe nicht zuletzt darin besteht, den wichtigen Austausch mit und unter den Mitgliedsbanken zu fördern. Ansonsten gibt es ein ganzes Portfolio von Stakeholdern, zu denen unser Verband sozusagen naturgemäß enge Verbindungen pflegt: die Bundesbank, die europäische Bankenaufsicht, die BaFin, die Landesregierung. Die Stadt Frankfurt und die hiesigen Universitäten erwähnte ich bereits. Die Kooperation mit den Universitäten spielt eine große Rolle etwa bei der Entwicklung von Nachwuchskräften oder bei Weiterbildungsprogrammen für Führungskräfte.- Sie sind für drei Jahre gewählt. Was haben Sie sich für diese Zeit vorgenommen?Ich wurde gerade erst gewählt. Die Agenda wird jedoch im Moment logischerweise sehr stark von den Folgen des Brexit für den Finanzplatz Frankfurt bestimmt. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns als Verband, gerade auch im Außenauftritt, noch deutlich internationaler aufstellen. Dabei wird uns helfen, dass unsere Anfang April antretende Geschäftsführerin Sarah Schmidtke, die bisher die Geschäftsstelle der European Banking Federation in Frankfurt geleitet hat, entsprechende Erfahrung mitbringt und über ein weit verzweigtes internationales Netzwerk verfügt. Die anderen großen Themen, die unsere Arbeit bestimmen, kennen Sie, weil auch Ihre Zeitung täglich darüber berichtet: Regulierung, Digitalisierung oder Cyber-Security zum Beispiel. Was bedeuten die damit verbundenen Veränderungen für unsere Mitarbeiter, Führungskräfte und Auszubildenden, wie haben wir Ausbildungsprogramme beziehungsweise die Entwicklung von Kompetenzen gegebenenfalls anzupassen? Das sind die Herausforderungen, die uns umtreiben.- Bleiben wir einen Moment beim Thema Aus- und Weiterbildung: Eine “Institution” des Finanzplatzes Frankfurt ist das vom Bankenverband Hessen ausgerichtete Kolloquium für Führungskräfte des privaten Bankgewerbes, das in diesem Jahr zum 65. Mal stattfindet. Diese Veranstaltung haben ganze Generationen heutiger Spitzenbanker durchlaufen. Sieht sich Ihr Verband insoweit auch in Zukunft als Bildungsträger?Ich sehe in dem Kolloquium, das natürlich auch der Weiterbildung dient, nicht zuletzt eine Plattform zur Etablierung von Netzwerken. Das wollen wir weiter fördern, wir werden aber in den nächsten Monaten darüber nachdenken, welche Formate, vielleicht auch zusätzliche, am besten geeignet sind, den Austausch unter unseren Mitgliedsbanken und ihren Mitarbeitern voranzubringen.- Fast alle Banken leiden ja unter einem Fachkräftemangel, insbesondere bei Themen, die mit Regulatorik oder Compliance zusammenhängen, aber natürlich auch auf dem Gebiet der IT. Kann der Verband etwas beitragen, um hier Abhilfe zu schaffen?Auch hier hilft der Austausch zwischen den einzelnen Instituten enorm, und gerade bei diesen Themen kann der Verband als Plattform dienen. Man vergibt sich ja nichts, wenn man ein erfolgreiches Traineeprogramm, wie es zum Beispiel die Commerzbank für Compliance oder für Digitalisierungsthemen entwickelt hat, mit anderen Häusern teilt oder zumindest entsprechende Erfahrungen und Ideen austauscht. Wir kooperieren dabei auch eng mit dem House of Finance und der Frankfurt School.- Was kann der Verband noch tun, um die Attraktivität des Finanzplatzes Frankfurt zu fördern und dafür zu werben?Wir können zum Beispiel bei der Regierung und beim Gesetzgeber – in diesem Fall vor allem auf Landesebene – dafür werben, dass Maßnahmen ergriffen werden, die den Finanzplatz im Wettbewerb stärken. Die Flexibilisierung des Kündigungsschutzes für Top-Banker ist ein Beispiel, das in diese Richtung weist. Wichtig ist zudem, dass der Finanzplatz nicht nur für die traditionellen Banken attraktiv bleibt, sondern auch für die Fintechs, die für uns Banken bedeutende Kooperationspartner und Impulsgeber sind. Auch das kann man sehr gut vor Ort organisieren. Und bei all diesen Themen muss schließlich Visibilität hergestellt werden, damit die Fortschritte den Entscheidungsträgern nicht verborgen bleiben.- Ist denn der Bankenverband Hessen visibel genug? Vorgestern fand zwar immerhin der 3. Hessische Bankentag statt, aber die letzte Pressemitteilung des Verbandes vor derjenigen vom Freitag über Ihre Wahl und die Bestellung der neuen Geschäftsführerin datiert vom März 2016, und die letzte Jahrespressekonferenz fand im vorigen Jahrhundert statt.Ich kann Ihnen versprechen, dass Sie nicht drei Jahre auf unsere nächste Pressemitteilung warten müssen. Unser Ziel ist es, auch von der Öffentlichkeit angemessen wahrgenommen zu werden. Es gibt aber auch schon bisher eine Reihe von Aktivitäten, mit denen der Verband durchaus eine hohe Außenwirkung erreicht. Denken Sie zum Beispiel daran, dass wir seit vielen Jahren in einem Schulprogramm die Lehrerausbildung unterstützen, oder denken Sie an unsere Partnerschaft mit den Volkshochschulen. Aber zweifellos können wir auch noch mehr tun, um den Austausch unterschiedlicher Interessengruppen zu fördern, nicht nur durch zusätzliche Angebote für unsere Mitgliedsbanken. Das dient dann auch der Visibilität.- Aktivitäten wie das Schulprogramm sind vermutlich auch eine Reaktion auf den Rufschaden, unter dem die Branche leidet.Soweit Sie damit auf die Finanzkrise anspielen: Das Schulprogramm gab es schon lange vorher. Aber richtig ist, dass wir damit vermitteln wollen, was Banken eigentlich tun. Auf diese Weise können wir vielleicht auch den einen oder anderen Vorbehalt auflösen.- Kommt sich der hessische Verband bei seinen Aktivitäten nicht mit dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) ins Gehege?Überhaupt nicht. Wir arbeiten im engen Schulterschluss mit den Kolleginnen und Kollegen des Bundesverbandes zusammen und stimmen uns bei allen übergreifenden Themen ab. Wir müssen in Hessen ja nicht das Rad neu erfinden, das in Berlin längst rollt. Aber wir fungieren mitunter in unserer Region als Botschafter für Themen, die in Berlin entwickelt werden und die nicht zuletzt Frankfurt betreffen. Das gilt gerade auch bei bankaufsichtlichen Fragen. Wir werden darüber hinaus sicher auch die Kooperation mit dem europäischen Bankenverband intensivieren und können dabei auf das Netzwerk unserer neuen Geschäftsführerin zurückgreifen.- Sie litten sicher auch bisher nicht unter Arbeitsmangel. Was hat Sie persönlich bewogen, sich trotzdem für den Vorsitz im Bankenverband Hessen zur Verfügung zu stellen?Der Vorsitz wechselt ja turnusmäßig von Institut zu Institut. Wir sind dann im Vorstand der Commerzbank zu dem Ergebnis gekommen, dass sich wegen der gerade auch vor dem Hintergrund des Brexit gewachsenen Bedeutung des Bankenverbandes Hessen eines unserer Vorstandsmitglieder für das Amt zur Verfügung stellen sollte. Weil viele der für alle Banken hier am Platz relevanten Kernthemen, über die wir gesprochen haben, mich in meiner Rolle als Arbeitsdirektorin der Commerzbank und in meiner Compliance-Verantwortung auch persönlich sehr stark beschäftigen, lag es nahe, dass ich diese Aufgabe übernehme. Ich sehe darin eine wertvolle Chance, den Finanzplatz Frankfurt voranzubringen.—-Das Interview führte Bernd Wittkowski.