Den Wachstumsmotor am Laufen halten

Regionalbanken wollen auch künftig Expansion und Beschäftigungsaufbau im Freistaat mitfinanzieren - wenn es die Bürokratie zulässt

Den Wachstumsmotor am Laufen halten

Die bayerische Wirtschaft läuft rund wie lange nicht mehr. Seit dem konjunkturellen Einbruch infolge der Finanzkrise im Jahr 2009 verzeichnet der Freistaat ein Spitzenwachstum: Allein zwischen 2010 und 2015 wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um fast 100 Mrd. Euro – so stark wie in keinem anderen Bundesland. Im ersten Halbjahr 2016 legte die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr um weitere 3,3 % zu.Von dem Aufschwung profitieren die Einwohner des Freistaats. Die Arbeitslosenquote lag im vergangenen Jahr durchschnittlich bei 3,5 %, auch das ist ein Spitzenwert im Ländervergleich. Seit Beginn des Jahrzehnts schufen die Unternehmen fast 600 000 neue Stellen. Das entspricht fast jedem vierten neuen Job im Bundesgebiet. Kurzum: Die wirtschaftliche Entwicklung Bayerns in diesem Jahrzehnt ist eine Erfolgsgeschichte in Deutschland und Europa.Bayern steht vor allem dank seines Mittelstands so gut da. Er bildet das ökonomische Fundament des Freistaats. Mittelständische Betriebe bieten mehr als drei Viertel aller Erwerbstätigen einen sicheren Arbeitsplatz – auch in ländlichen Regionen. Der Mittelstand zahlt Steuern und sichert dadurch die nachhaltige Finanzierung der Staatsaufgaben. Er investiert zudem in Zukunftstechnologien und sichert damit seine Wettbewerbsfähigkeit. Als “hidden champions” besetzen zahlreiche größere Mittelständler mit ihren Produkten führende Positionen auf dem Weltmarkt. Damit trugen sie 2016 zu einem bayerischen Exportüberschuss von rund 17 Mrd. Euro bei. Auch das macht den bayerischen Mittelstand zu einem Garanten für Wachstum, Fortschritt und Beschäftigung.Als Hausbanken des Mittelstands haben Regionalbanken wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken den Aufschwung der vergangenen Jahre mitgetragen. Denn insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist der Bankkredit nach wie vor das Finanzinstrument der Wahl, um Betriebsmittel oder Investitionen zu finanzieren. Regionalbanken pflegen enge und nachhaltige Geschäftsbeziehungen zu ihren Firmenkunden. Sie gehören aufgrund ihrer Größe und ihrer Wurzeln selbst zum Mittelstand. Dank ihrer Nähe, langjähriger persönlicher Kontakte und ihrem beständigen Geschäftsmodell genießen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken das Vertrauen des Mittelstands.Die Hausbank ist durch den Kapitalmarkt weiterhin nicht zu ersetzen. Das gilt auch in Bayern. Lediglich jedes fünfte Unternehmen wählt den Weg an die Anleihemärkte. Eine große Mehrheit bevorzugt hingegen weiterhin den klassischen Bankkredit. Während der Finanzkrise konnten die Regionalbanken so eine verlässliche Finanzierung sicherstellen.Das verdeutlicht die Statistik: Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben in diesem Jahrzehnt das ausgereichte Kreditvolumen im Firmenkundengeschäft um fast 12 Mrd. Euro erhöht. Das entspricht einem Wachstum von fast 40 %. Zum Jahresende 2016 standen Mittelstandskredite über 43 Mrd. Euro in den Büchern der bayerischen Genossenschaftsbanken. Zentrale MarktpositionImmer häufiger wendet sich der bayerische Mittelstand bei Finanzierungsfragen an die genossenschaftlichen Institute: Lag der Marktanteil im Firmenkunden-Kreditgeschäft 2010 noch bei 16 %, so vergeben die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken inzwischen ein Fünftel aller Mittelstandskredite in Bayern. Damit nehmen sie eine zentrale Marktposition ein.Der Finanzierungsbedarf der Unternehmen bleibt hoch. Der Aufschwung setzt sich fort, die konjunkturellen Prognosen sind weiterhin gut – auch wenn der anstehende Brexit und die Unberechenbarkeit der neu gewählten US-Administration für Verunsicherung sorgen. Eine Umfrage der DZ Bank und des Bundesverbands der Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) ergab, dass fast 90 % aller befragten mittelständischen Betriebe ihre aktuelle Lage mit “gut” oder “sehr gut” einschätzen. Auch die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage des Genossenschaftsverbands Bayern deuten angesichts gestiegener Kreditnachfrage von Firmenkunden auf ein weiterhin nachhaltiges Wachstum hin. Der Finanzierungsbedarf dürfte also weiter zunehmen. Acht von zehn mittelständischen Unternehmen wollen in den nächsten sechs Monaten investieren. Viele Betriebe planen, weiteres Personal anzustellen oder neue Betriebsmittel anzuschaffen. Allein mit Eigenmitteln wird das nicht zu stemmen sein. Zudem sind die Finanzierungskonditionen weiterhin günstig. Der Mittelstand in Bayern braucht also auch in Zukunft Kredite.Die Politik muss jedoch aufpassen, dass sie die Investitionspläne nicht durchkreuzt. Denn verschärfte bürokratische Auflagen drohen die Mittelstandsfinanzierung einzuschränken. Insbesondere zunehmende Melde- und Offenlegungspflichten verursachen bei Regionalbanken einen hohen administrativen und finanziellen Aufwand. So müssen beispielsweise regional tätige Genossenschaftsbanken jährlich einen umfangreichen Offenlegungsbericht erstellen. Offenlegungsberichte sind an institutionelle Investoren oder Ratingagenturen gerichtet. Übersehen wird dabei, dass Genossenschaften nicht börsennotiert sind. Die Institute sind außerdem dazu verpflichtet, eine strukturelle Liquiditätsquote (NSFR) zu melden. Deren Berechnung ist allerdings sehr aufwendig und letztendlich unnötig, da alternative Kennzahlen einfacher ermittelt werden könnten.Allein die bayerischen Genossenschaftsbanken belastet die Regulierung schon jetzt mit jährlichen Kosten in Höhe von 138 Mill. Euro. Das erschwert den Eigenkapitalaufbau bei den Banken und bedroht damit auch die Kreditvergabe an den Mittelstand. Zudem bleibt den Bankmitarbeitern weniger Zeit für die Beratung ihrer Kunden. Diese Bürokratie geht zulasten des Mittelstands und droht das bayerische Wachstum zu bremsen.Glücklicherweise wächst das politische Bewusstsein, dass die Finanzierung der Realwirtschaft durch die zunehmende regulatorische Belastung der Institute gestört wird. Die EU-Kommission plant etwa im Rahmen der Novelle der EU-Eigenkapital- und Liquiditätsregeln, “kleine” Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 1,5 Mrd. Euro von unverhältnismäßigen Melde- und Offenlegungspflichten zu befreien. Zielgenauer abgrenzenDie Intensität der Regulierung sollte sich jedoch maßgeblich am Risiko, welches von einer Bank für die Finanzstabilität ausgeht, und nicht nur an der Institutsgröße ausrichten. Eine zielgenauere Abgrenzung ist erforderlich. Der Genossenschaftsverband Bayern hat deshalb ein Konzept entwickelt, das neben der Größe auch den Risikogehalt, das Geschäftsmodell, die Komplexität und die Vernetzung von Banken berücksichtigt.Dabei sollten nur Regionalbanken von unverhältnismäßiger Regulierung befreit werden, die folgende fünf Kriterien erfüllen oder weniger als 15 Mrd. Euro Bilanzsumme haben: Erstens, mindestens 50 % der Refinanzierung stammen aus Einlagen von Privatkunden und Mittelstandsbetrieben. Zweitens, mindestens 33 % der Vermögenswerte sind als Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen, Privathaushalte und öffentliche Haushalte ausgereicht. Drittens, höchstens 10 % der Vermögenswerte bestehen aus Krediten an ausländische Schuldner. Viertens, das betreffende Institut unterhält mindestens eine und höchstens 99 Geschäftsstellen. Fünftens, das Institut ist regional tätig. Als Abgrenzungskriterium können die sogenannten NUTS-2 Regionen dienen. Vorteilhafter VorschlagDieser Vorschlag hat drei Vorteile. Er identifiziert erstens zielgenau Regionalbanken, von denen aufgrund ihres Risikoprofils keine systemische Gefahr ausgeht. Er ist zweitens im Rahmen der laufenden Überarbeitung des europäischen Regelwerks leicht umsetzbar. Und drittens würde damit schnell eine spürbare Entlastung für Regionalbanken geschaffen – und somit die Voraussetzung, dass der Wachstumsmotor in Bayern weiterlaufen kann.—Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern