IM INTERVIEW: GABRIEL BERNARDINO, EIOPA

"Der 1. Januar 2016 wird kein Big Bang"

Der Vorsitzende der europäischen Versicherungsaufsicht über die Einführung von Solvency II und das Ende der Gleichbehandlung von Staatsanleihen

"Der 1. Januar 2016 wird kein Big Bang"

– Herr Bernardino, welches sind die drei wichtigsten Themen, die auf Ihrer Agenda ganz oben stehen?Das wichtigste Thema für uns ist ohne Zweifel die Implementierung von Solvency II. Wichtig und allgemein anerkannt ist, dass EIOPA seinen Beitrag zur Entwicklung von Solvency II geliefert hat. Solvency II ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem regulatorischen Rahmenwerk für Versicherungen, und dies auch auf globaler Ebene. Das zweite wichtige Thema für uns ist die aufsichtliche Konvergenz. Sie ist unsere zentrale Aufgabe in den kommenden Jahren. Konvergenz bedeutet, dass es ein Level Playing Field, also Wettbewerbsgleichheit gibt, und dass in allen europäischen Ländern eine einheitliche Aufsichtspraxis auf hohem Niveau ausgeübt wird, damit alle Versicherungsnehmer in Europa ähnlich geschützt und abgesichert werden. Auf diese Reise begeben wir uns jetzt.- Und die Nummer 3 auf Ihrer Prioritätenliste …… ist der Verbraucherschutz. Er steht natürlich seit dem ersten Tag unseres Bestehens ganz oben auf unserer Agenda. Hier geht es uns um vorbeugendes Handeln der Aufsicht. Wir wollen herausfinden, wo es zu möglichen Beeinträchtigungen für den Verbraucher kommen könnte, und nicht warten, bis es tatsächlich beispielsweise zu missbräuchlichen Verkaufspraktiken kommt, die Aufseher zum Handeln zwingen. Dabei untersuchen wir zum Beispiel Versicherungsprodukte und Verkaufspraktiken. Der Gedanke der Vorbeugung ist hier zentral.- Es gibt Befürchtungen, dass Solvency II zu komplex ist. So sagte BaFin-Präsident Felix Hufeld kürzlich in einem Interview der Börsen-Zeitung: “Ich würde mir eine Reduktion der hohen Komplexität von Solvency II wünschen.” Was sagen Sie dazu?Ich habe immer gesagt, dass Solvency II nicht das perfekte Regelwerk ist. Fakt ist, es gibt schlicht kein absolut perfektes Aufsichtsregime. Betrachtet man allerdings das Ergebnis nach den vielen Jahren der Diskussion, zeigt sich: Es ist ein komplexes Regelwerk. 28 Länder mit unterschiedlichen Märkten und spezifischen Versicherungsprodukten sitzen am Tisch. Im Laufe der Zeit wurde klar: Um das alles unter einen Hut zu bekommen, muss man in die Details gehen. Aber je mehr Details man festlegt, umso komplexer wird es. Trotzdem: Das Ergebnis ist sehr gut! Und im Rahmen der nach der Implementierung vorgesehenen Überprüfung werden wir genau diese Komplexität und ihre mögliche Reduktion angehen. Nach so vielen Jahren der Diskussion, den vielen Auswirkungsuntersuchungen und den zwei Vorbereitungsjahren 2014 und 2015 kennen die Marktteilnehmer Solvency II bereits. Daher wird der Start von Solvency II am 1. Januar 2016 kein “Big Bang” mit unbekannten Anforderungen sein.- Welche Ziele hat diese Überprüfung? Wie soll sie ablaufen?Für mich sind hier drei Dinge wichtig: Zum Ersten geht es um unbeabsichtigte Konsequenzen. Denn bei einem risikobasierten System kann es immer passieren, dass es Auswirkungen auf Bereiche gibt, die nicht geplant waren. Zweitens geht es um die mögliche Reduktion von Komplexität und drittens um Verhältnismäßigkeit. Gleichzeitig müssen wir die internationalen Entwicklungen im Auge behalten und beachten.- Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist eines der Hauptprinzipien von Solvency II. Wie verwirklichen Sie dieses Prinzip? Konkret: Wie verringern Sie die möglichen Belastungen für kleinere Versicherer?Wir alle – Aufseher, Versicherungswirtschaft und Politiker – haben unser Bestes getan, das Verhältnismäßigkeitsprinzip in Solvency II umzusetzen. Das war für mich von zentraler Bedeutung. Ich komme aus einem kleinen Land und weiß daher, was Verhältnismäßigkeit ist. Ich weiß, was Anforderungen für Gesellschaften bedeutet, die nicht über viele Ressourcen verfügen, und habe immer genau auf die Verhältnismäßigkeit geachtet. Kleinere und mittlere Versicherer können gut geführt sein und den Verbrauchern gute Dienste leisten. Wenn Sie sich ansehen, was EIOPA in den vergangenen Jahren in Bezug auf Solvency II umgesetzt hat, ging es immer auch um dieses Prinzip.- Bedenken gab es ja speziell bei den Berichtspflichten, die sich gravierend geändert haben.Bei den Berichtspflichten haben wir eine Fülle von Vereinfachungen bei den Berechnungen für kleine und mittlere Versicherer entwickelt. Für diese Unternehmen gibt es einige Erleichterungen und Ausnahmen, sowohl bei den Jahres- als auch den Quartalsberichten. Ein kleiner Versicherer mit einem einfachen und nicht zu riskanten Geschäftsmodell hat einen deutlich geringeren Berichtsaufwand als eine größere und komplexere Versicherungsgesellschaft. Außerdem haben wir ein Berichtswerkzeug für kleinere Versicherer entwickelt, das diese kostenlos nutzen können. Etwa 1 200 Versicherungsgesellschaften tun dies bereits. Unser Ziel ist eine “sanfte Landung” von Solvency II.- In dem genannten Interview erwähnt der BaFin-Präsident ein “latentes Risiko” eines “exzessiven” prozyklischen Effekts von Solvency II. Wie ist Ihre Meinung dazu?Wenn man ein risikobasiertes Aufsichtsregime im Finanzwesen entwickelt, muss man eine Antwort auf marktimmanente Volatilität und Prozyklizität finden. Solvency II enthält einige Elemente, die Prozyklizitäten verhindern oder zumindest minimieren sollen. Dazu gehören Dämpfungsmechanismen für die Eigenkapitalberechnung sowie Anpassungen bei der Bewertung langfristiger Garantien, also die “Volatilitätsanpassung” und die “Matching-Anpassung”. Dazu gehört auch die Verlängerung der Sanierungsphase für Unternehmen in der Krise. Gründe hierfür sind Bedenken, dass es in einer angespannten Marktphase für Versicherer attraktiv sein könnte, in großem Umfang Kapitalanlagen zu verkaufen und damit den Abschwung zu verstärken. Die Praxis muss zeigen, ob und wie diese Mechanismen wirken.- Reichen Kapitalausstattung und die versicherungstechnischen Rückstellungen aus?Es ist wichtig zu verstehen, dass die Übergangsmaßnahmen Teil des Regelwerks sind. Angesichts der im Vergleich zu Solvency I komplett veränderten Bewertung von Aktiva und Passiva muss ein gleitender Übergang zu Solvency II sichergestellt werden. Es ist absolut in Ordnung, wenn Gesellschaften diese Übergangsmaßnahmen anwenden. Das sollte kein Stigma sein nach dem Motto: Wer diese Maßnahmen anwendet, ist nicht in Form. Versicherer werden ihre Zahlen mit und ohne Übergangsmaßnahmen veröffentlichen. Alle Daten sind transparent, nichts wird versteckt. Und noch einmal, wer die Übergangsmaßnahmen anwendet, folgt dem Regelwerk, ist damit nicht “draußen”. Diese Übergangszeit sollte auch genutzt werden, das eigene Geschäftsmodell zu überprüfen und dem veränderten wirtschaftlichen Umfeld anzupassen.- Aber werden Analysten nicht Unternehmen, die die Übergangsregeln gar nicht oder nur sehr kurz nutzen, besser beurteilen?Analysten werden ihre Analysen machen, keine Frage. Da haben wir Aufseher uns nicht einzumischen. Uns ist aber wichtig, dass diese Übergangsregeln transparent sind. Denn Analysten und auch der Markt sollten sich dann Sorgen machen, wenn etwas versteckt wird und unklar ist. Die Unternehmen müssen entscheiden, ob sie diese Regeln in Anspruch nehmen wollen, und die Aufseher müssen dies genehmigen. Es wäre nicht fair, wenn diese Gesellschaften deshalb vom Markt “bestraft” würden. Denn die meisten Übergangsbestimmungen betreffen Produkte, die in der Vergangenheit in einem vollkommen anderen wirtschaftlichen Umfeld und aufsichtsrechtlichen Rahmen bepreist wurden. Daher erwarte ich nicht, dass diese Versicherer stigmatisiert werden.- Glauben Sie denn, dass die Versicherer ihre Geschäftsmodelle überprüfen werden?Ich mache mir in der Tat Sorgen, dass die Übergangsphase – ab dem 1. Januar 2016 gibt es verschiedene Fristen von ein bis 16 Jahren – nicht dazu genutzt wird. Denn nicht Solvency II ist die größte Bedrohung der Geschäftsmodelle, sondern die wirtschaftliche Realität. Es ist so ähnlich wie mit dem Programm der quantitativen Lockerung QE der EZB und den notwendigen Strukturreformen. Die Staaten haben jetzt die Zeit, diese Reformen durchzuführen. Wer bis zum Ende des QE-Programms dies nicht getan hat, behält die alten Probleme. Ähnlich verhält es sich bei der Übergangsphase für Solvency II. Die Versicherer müssen ihr Geschäftsmodell in dieser Zeit an die Realität anpassen.- Für Versicherer zentral sind auch die Anlagestrategien. Glauben Sie, dass diese sich unter Solvency II ändern werden?Ein Aufsichtsregime beeinflusst immer Anlageentscheidungen. Aber ich glaube nicht, dass Solvency II ursächlich für die Veränderungen bei der Zusammensetzung der Anlageportfolien ist. Sie ergeben sich vielmehr aus der wirtschaftlichen Lage, vor allem aus den niedrigen Zinsen. Vor zwei oder drei Jahren, als die Ausgestaltung von Solvency II schon klar erkennbar war, haben wir zwar hier und da einige Veränderungen des Kapitalanlageverhaltens gesehen, aber keine maßgeblichen.- Das heißt, Sie rechnen auch in Zukunft mit keinen großen Veränderungen?Es wird einige Anpassungen geben, und einige sind zu begrüßen, denn mehr Diversifikation ist aus Sicht der Aufsicht und der Verbraucher immer besser. Die Konzentration auf ein Land oder einen Sektor kann sich später rächen. Auf der Jagd nach Rendite wird diversifiziert, das ist klar zu beobachten. Die Anlagebasis zu verbreitern kann gut sein. Einige Versicherer investieren mehr in Immobilien und Infrastruktur, auch Verbriefungen sind vereinzelt zu beobachten. Das ist aber nur dann positiv, wenn die Unternehmen die Risiken dieser Anlageklassen auch verstehen.- Glauben Sie, dass die Versicherer genügend Expertise im Infrastrukturbereich haben? Sie haben ja gerade der EU-Kommission vorgeschlagen, die Eigenkapitalunterlegung für solche Projekte zu senken.Versicherer investieren seit vielen Jahren in Infrastruktur. Das gilt vor allem für die großen Unternehmen, die mehr Erfahrung auf diesem Gebiet haben. Doch inzwischen interessieren sich mehr und mehr Gesellschaften für diese Assetklasse. Als Aufsicht haben wir nichts gegen solche Anlageformen. Aber sie unterscheiden sich grundsätzlich von Staatsanleihen. Diese kauft man, es gibt einen Cash-flow, und dann werden sie wieder verkauft. Infrastrukturprojekte müssen hingegen ständig überwacht und kontrolliert werden. Deshalb haben wir in unserer Empfehlung an die EU-Kommission auf drei Punkte besonderen Wert gelegt: Erstens haben wir Kriterien für die Assetklasse Infrastruktur festgelegt. Dazu gehören ein stabiler Cash-flow, robuste Vertragsbedingungen und die Fähigkeit, Stressszenarien zu überstehen. Das grenzt die Zahl der Infrastrukturprojekte deutlich ein und lässt die riskantesten außen vor.- Und zweitens?Zweitens konnten wir bei der Kalibrierung den Nachweis führen, dass die von uns definierten Infrastrukturprojekte deutlich seltener notleidend werden als die anderen “normalen” Projekte. Deshalb konnten wir die Reduzierung der Eigenkapitalunterlegung empfehlen. Drittens ist aus unserer Sicht ein gutes Risikomanagement zentral. Das Risikomanagement der Unternehmen, die in diese Assetklasse investieren, muss bestimmte Anforderungen erfüllen. Dabei geht es um die Sorgfaltspflicht, Due Diligence sowie die laufende Kontrolle und Überwachung der verschiedenen Einzelrisiken. Das passt sehr gut zum risikobasierten Solvency-II-Regime. Wir werden als Aufsicht genau darauf achten, ob die Kapazität der Gesellschaften ausreicht, um diese Risiken zu bewältigen. Nicht zuletzt ist es aber wichtig, dass es in dieser Assetklasse mehr Standardisierung gibt.- Warum ist das so wichtig?Viele Versicherungsmanager berichten uns, dass sie nicht wegen der Eigenkapitalanforderungen Investitionen in Infrastruktur meiden, sondern weil die einzelnen Infrastrukturprojekte komplett unterschiedlich ausgestaltet sind, insbesondere rechtlich. Das verlangt große Überprüfungs- und Analysekapazitäten, über die nur große Unternehmen verfügen. Um solche Standardisierungen geht es im Übrigen auch im 315 Mrd. Euro schweren sogenannten Juncker-Plan zur Förderung privater Infrastrukturinvestitionen.- Europäische Versicherer sind traditionell stark in EU-Staatsanleihen investiert. Sie müssen bisher nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. In internen Modellen von Solvency II soll dies nicht mehr akzeptiert werden. Wann wird im Standardmodell zwischen den Staatsanleihen verschiedener EU-Staaten differenziert?Im Standardmodell ist es genauso wie im Bankenregime Basel II beziehungsweise III: Staatsanleihen haben 0 % Kapitalunterlegung. Das kommt aus der Vergangenheit. Niemand hat früher in Frage gestellt, dass Staatsanleihen risikolos sind. Aber für mich ist ganz klar: Die Realität hat gezeigt, dass Staatsanleihen nicht mehr risikolos sind. Das sollte in irgendeiner Form in den Aufsichtsregimes berücksichtigt werden. Ich bin mir daher sicher, dass im Rahmen des zukünftigen Überprüfungsprozesses dieser Umstand auch im Standardmodell seinen Niederschlag finden wird.- So wie in den internen Modellen unter Solvency II …Für die internen Modelle haben wir 2015 eine Stellungnahme veröffentlicht, in der wir den nationalen Aufsichtsbehörden empfehlen, bei Unternehmen, die ein wesentliches Länderrisiko haben, dieses auch in ihrem Modell zu berücksichtigen. Es war in unserem Rat der Aufseher nicht einfach, sich darauf zu einigen. Denn einerseits ist das sehr technisch, auf der anderen Seite aber eminent politisch. Aber wir haben es geschafft, darauf können wir stolz sein. Wir werden 2016 bei den Versicherungsgesellschaften abfragen, wie sie die Länderrisiken in ihren internen Modellen berücksichtigen, und darüber anschließend berichten.- Und wie sieht es im Standardmodell aus?Aufgrund unseres risikobasierten Ansatzes sollten im Standardmodell alle Risiken, die quantifizierbar sind, abgebildet sein. Bei Staatsanleihen geht es mir um drei Dinge: Erstens sollten Länderrisiken in den Aufsichtsregimes von Banken und Versicherern konsistent behandelt werden. Andernfalls gäbe es große Arbitragemöglichkeiten. Das kann weder für Banken und Versicherer noch für das Finanzsystem insgesamt gut sein. Zweitens müssen übertriebene Konzentrationen in einem Land verhindert werden. Solch ein Risiko besorgt mich wirklich. Es muss Anreize geben, Staatsanleihen mehrerer Länder zu kaufen, also zu diversifizieren.- Und drittens?Drittens muss über jede Änderung öffentlich und transparent beraten werden. Außerdem muss es eine Auswirkungsuntersuchung geben. Schließlich sollte eine Übergangsperiode vorgesehen werden, damit Gesellschaften nicht plötzlich große Volumina an Staatsanleihen verkaufen.- Jeder nationale Aufseher genehmigt unter Solvency II seinen Versicherern zum Beispiel Maßnahmen in der Übergangszeit und interne Modelle. Sind dann die Versicherer EU-weit überhaupt noch vergleichbar?Diese Konvergenz in den Aufsichtsregeln hat für uns in den nächsten Jahren oberste Priorität. Dabei sind wir schon ziemlich weit gekommen, und das Konvergenzniveau ist hoch. Diese Regeln anzuwenden ist eine andere Frage. Diese Reise beginnen wir 2016.- Wie stellen Sie eine einheitliche Implementierung sicher?Zuerst über die Veröffentlichung von Standards und Richtlinien, damit die Aufseher wissen, wie sie die neuen Regeln interpretieren müssen, und die Unternehmen wissen, was von ihnen erwartet wird. Außerdem gibt es die aufsichtsrechtlichen EIOPA-Stellungnahmen zu spezifischen Themen. Des Weiteren arbeiten wir an unserem Aufsichtshandbuch, das bewährte Verfahrensweisen, Good Practices, enthalten soll. Aber Fakt ist: Wir haben sehr unterschiedliche Aufsichtskulturen in Europa. Die einen analysieren Daten, die anderen legen Wert auf Vor-Ort-Inspektionen. Die einen halten sich genau an die Buchstaben des Gesetzes, die anderen betrachten mehr wirtschaftliche Aspekte. Der Aufbau einer europäischen Aufsichtskultur ist eine große Herausforderung, der wir uns aber sehr gerne stellen.- Was tun Sie noch?Wir üben unsere Aufsichtsfunktion aus, indem wir an den Colleges der nationalen Aufsichtsbehörden teilnehmen, und erarbeiten Benchmarks und Indikatoren für interne Modelle, damit europaweit Wettbewerbsgleichheit sichergestellt wird. Schließlich besucht unser Supervisory Oversight Team, bestehend aus vier erfahrenen Aufsehern, die nationalen Aufsichtsbehörden. Bisher hat es etwa 20 solcher Besuche gegeben.- Diese Besuche werden regelmäßig stattfinden?Ja. Dabei steht der Meinungsaustausch im Vordergrund. Wir präsentieren aber auch unsere Vorschläge, um das Aufsichtshandeln konsistenter zu machen. Doch eines ist klar: EIOPAs Aufgabe ist nicht die tägliche Aufsicht. Wir sind für die Bildung einer einheitlichen europäischen Aufsichtskultur und für konsistenteres Aufsichtshandeln zuständig. Die Aufsicht muss überall in Europa von gleich hoher Qualität sein, damit die Versicherten in der gesamten Europäischen Union wirksam geschützt werden können.- Kommen wir zu den global systemrelevanten Versicherern, den Global Systemically Important Insurers. Für sie gibt es Basiskapitalanforderungen, die Basic Capital Requirements, und zusätzliche Kapitalanforderungen, die Higher Loss Absorbency oder HLA. Passt das zu Solvency II?Bei den Versicherern gibt es keinen einheitlichen internationalen risikobasierten Standard. Deshalb musste er entwickelt werden. Begonnen hat der Finanzstabilitätsrat mit den grundsätzlichen Kapitalanforderungen, die sehr viel näher an Solvency I als an Solvency II sind, da sie nicht risiko-, sondern faktorbasiert sind. Risikobasierte Kapitalanforderungen werden Teil des zukünftigen Aufsichtsrahmens für international tätige Versicherungsgruppen, des sogenannten ComFrame, sein. Hinzu kommt dann noch das HLA, das das systemische Risiko berücksichtigt. Dieser zukünftige Aufsichtsrahmen ComFrame wird sehr viel konsistenter mit einem risikobasierten Regelwerk wie Solvency II sein. In der Zwischenzeit müssen wir damit leben, dass es zwei verschiedene Regimes gibt.- Wie passen Solvency II und ComFrame zusammen?Wir hoffen, dass sich ComFrame bis 2019 entscheidend weiterentwickeln wird und einige Grundprinzipien von Solvency II übernommen werden. In den internationalen Diskussionen werden immer Elemente aus den verschiedenen nationalen Aufsichtsregimes aufgegriffen. Unser Ziel ist, dass es nur einen Kapitalstandard für alle international tätigen Versicherungsgruppen gibt. Wir wollen verhindern, dass international tätige Versicherungsgruppen ihre Kapitalanforderungen einmal nach Solvency II und ein zweites Mal nach einem internationalen Standard berechnen müssen. Das erschwert unnötig die Steuerung der Geschäfte. Gleichzeitig sollten wir auch offen für mögliche Änderungen von Solvency II sein, mit dem Ziel eines internationalen Kapitalstandards. Einen solchen internationalen Standard muss es geben, damit es für eine international tätige Versicherungsgruppe keinen Unterschied macht, wo die Muttergesellschaft ihren Sitz hat. Regulierungsarbitrage wird damit verhindert.- Wird es also kein Solvency III, sondern ComFrame geben?Das wird die Zukunft zeigen. Es wird vermutlich ein Solvency III geben, das kompatibel mit internationalen Standards ist. Gleichzeitig sollte man realistisch sein: Ein internationaler Standard wird nie so detailliert sein wie Solvency II und vergleichbare Standards.- Sie sind gerade vom Europäischen Parlament für eine zweite Amtszeit von weiteren fünf Jahren bestätigt worden. Was sind Ihre Ziele für EIOPA bis 2021?Meine Vision ist es, EIOPA als glaubwürdige Aufsichtsbehörde im europäischen Finanzaufsichtssystem weiterzuentwickeln. Meine drei wichtigsten strategischen Prioritäten für die nächsten fünf Jahre sind: erstens die Verbesserung der aufsichtlichen Konvergenz, zweitens die weitere Stärkung des vorbeugenden Verbraucherschutzes und drittens die Wahrung der Finanzmarktstabilität. Ich freue mich sehr, gemeinsam mit EIOPAs Management sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die vor uns liegenden Herausforderungen im Interesse der europäischen Verbraucher anzugehen.—-Die Fragen stellte Thomas List.