Der Bankberater als Prügelknabe

Von Jan Schrader, Frankfurt Börsen-Zeitung, 20.10.2016 Nur wenige naive Menschen, so scheint es, vertrauen heute noch einer Bank. "Grundsätzliches Misstrauen gegenüber Beratern", die bestimmte Geldanlagen empfehlen, äußern 57 % der Deutschen,...

Der Bankberater als Prügelknabe

Von Jan Schrader, FrankfurtNur wenige naive Menschen, so scheint es, vertrauen heute noch einer Bank. “Grundsätzliches Misstrauen gegenüber Beratern”, die bestimmte Geldanlagen empfehlen, äußern 57 % der Deutschen, “Anlagen werden nur aus Provisionsinteresse empfohlen” werfen 58 % der Zunft vor, wie eine Umfrage zeigt. Und in diesem Ton geht es weiter: “Anlageberatung kostet mehr, als sie bringt” (46 %), “Berater können den Markt auf Dauer nicht schlagen” (50 %), “Gute Anlagen sind nur bei großen Vermögen erreichbar” (42 %), und so weiter, und so fort.Hinter der Umfrage, für die jeweils mehr als 1 000 Menschen in den USA und Deutschland im Juli und August befragt worden sind, steht die Quirin Bank. Das Berliner Institut tritt bekanntlich für das Modell der Honorarberatung in Deutschland ein, setzt in Geldanlage häufig auf börsengehandelte Fonds (ETF) und zählt mit der Plattform Quirion zu den sogenannten Robo Advisors, also zu den Anbietern einer weitgehend automatischen Geldanlage durch den Computer. Am bestehenden Modell der Beratung hat das Institut etwas auszusetzen. Der Bankberater ist Prügelknabe.Es ist erst wenige Tage her, da kam EY in einer Umfrage zu einem anderen Ergebnis: Auf 50 % bezifferte die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft den Anteil der Menschen, die ihrer Hausbank “voll vertrauen”. Zwar geben viele Befragten an, dass ihr Vertrauen in die Branche nachgelassen hat, doch ist der Ruf der Geldhäuser in Deutschland besser als in vielen anderen Ländern Europas, ausgenommen der Schweiz, wie die Umfrage weiter zeigt. Nun lässt die Quirin Bank ermitteln, dass das Vertrauen in Deutschland weitaus schlechter ist als in den USA.Mit ihrer Kritik an dem vorherrschenden Modell weiß sich die Bank in guter Gesellschaft. Am Dienstag erst hatte das Start-up Liqid sich von der üblichen Bankberatung in Deutschland distanziert. Das Unternehmen kooperiert mit HQ Trust, dem Vermögensverwalter der Familie Harald Quandt, und brachte aus den Kreisen der deutschen Wirtschaftsprominenz den ehemaligen Metro-Chef und Bilfinger-Aufsichtsratsleiter Eckhard Cordes in Stellung. Der Manager prangerte den Interessenkonflikt in der verkaufsorientierten Bankberatung an und empfahl das Start-up, das auf Gebührenbasis operiert. Schlechte Erfahrungen mit etablierten Anbietern treiben der jungen Firma Kunden in die Arme, hieß es – passend zum Bild, das nun die Quirin Bank verbreitet. Von “gut” bis “mangelhaft”Kritik an der vorherrschenden Bankberatung ist nicht neu: Provisionen im Vertrieb und die Nähe von Produktanbietern zu Banken bringen offensichtlich einen Interessenkonflikt mit sich, für den die Branche immer wieder kritisiert wird. Doch ist die Qualität der Dienstleistung in der Praxis nicht so schlecht, wie das zuweilen anklingt. Die Stiftung Warentest etwa hielt kurz nach Jahresbeginn fest, dass es bei der Auswahl passender Produkte für den Kunden oft hapert. Den Bedarf ermitteln die Banken und Sparkassen aber vielfach bereits solide. Die Spanne der Noten für die Beratung reicht insgesamt von “gut” bis “mangelhaft”. Viel Licht und Schatten also. “Voll vertrauen” sollte ein Kunde seiner Bank vielleicht nicht, aber ein “grundsätzliches Misstrauen” wirkt ebenfalls hochgegriffen.Über die Vertriebsmodelle der Kreditbranche wird auch in Zukunft gestritten werden. Wie gut die Finanzberatung am Ende sein kann, hängt nicht allein am Vertriebsmodell, sondern insbesondere von der Politik der beratenden Häuser ab. Gut geschulte Berater und nicht allzu starre Vorgaben für den Vertrieb lassen jedenfalls Raum für eine gute Betreuung der Kunden. Und auch das vielbeschworene Modell der sogenannten Robo Advisors muss nicht, so wie es bei der Quirin Bank und Liqid der Fall ist, an Gebühren geknüpft sein, sondern kann die provisionsgestützte Beratung ergänzen.Ob Kunden ihrer Bank der öffentlichen Wahrnehmung nach “voll vertrauen” oder “grundsätzlich misstrauen”, steht auf einem anderen Blatt. Die Antwort der Anleger hängt dabei nicht zuletzt von der Frage ab, mit der ihnen die Meinungsforscher auf die Pelle rücken. Eines ist sicher: Die nächste Umfrage kommt bestimmt. ——–Die Quirin Bank lässt per Umfrage bestätigen, dass Kreditinstitute keinen guten Ruf haben.——-