LEITARTIKEL

Der Bankenwahlkampf

Dem britischen Liberalen Vince Cable war es im Wahlkampf 2009 schnurz, ob das Kreditwesen auf der Insel besser als Universal- oder als Trennbankensystem organisiert sein sollte. Der damalige finanzpolitische Sprecher seiner Partei schlug einen...

Der Bankenwahlkampf

Dem britischen Liberalen Vince Cable war es im Wahlkampf 2009 schnurz, ob das Kreditwesen auf der Insel besser als Universal- oder als Trennbankensystem organisiert sein sollte. Der damalige finanzpolitische Sprecher seiner Partei schlug einen eigenen, sozusagen systemübergreifenden Lösungsansatz für die “Too big to fail”-Problematik und sonstigen in der Finanzkrise zutage getretenen Ärger mit der Geldbranche vor: Man möge die Banker in einen Sack voller Schlangen stecken und diesen in die Themse schmeißen. Ein gutes Jahr später war der Mann immerhin Wirtschaftsminister.Peer Steinbrück, die Antwort auf die K-Frage der SPD, strebt ein höheres Amt an. Der frühere Bundesfinanzminister hat bei aller Bildhaftigkeit der Bankenschelte bisher nicht empfohlen, irgendwen in der Spree zu versenken. Aber das publikumswirksame Thema der “Zockerbuden” hat der Kandidat instinktsicher entdeckt und mit seinem – in vielen Details nicht gerade taufrisch wirkenden – Konzept “zur Bändigung der Finanzmärkte”, in dem die Trennung von Geschäftsbereichen nur eine von vielen Ideen ist, besetzt. Die Kreditwirtschaft, die flugs davor warnte, einen “Bankenwahlkampf” zu führen und einschlägige Themen gezielt zu emotionalisieren, steckt längst mittendrin im politischen Getümmel, das sich bis zur Bundestagswahl 2013 rasch hochschaukeln wird.Des Buhlens um Wählerstimmen gänzlich unverdächtig ist die vom finnischen Zentralbankpräsidenten Erkki Liikanen geleitete EU-Expertengruppe, die nun ihre Ratschläge zur Reform des Bankgewerbes präsentiert hat, ebenfalls inklusive einer (eher moderaten) Abspaltung als besonders riskant geltender Geschäftsaktivitäten. Die Kommission macht keinen Wahlkampf. Aber sie liefert – natürlich ungewollt – erkennbar der einen oder anderen Partei zusätzliche Munition für das boomende Banken-Bashing, das nicht nur dem – vor dem Hintergrund von fünf Jahren Krise nachvollziehbaren – persönlichen Frustabbau dient, sondern auch prima geeignet ist, von eigenen Versäumnissen der Politik (und der Regulierer) abzulenken.In der Sache hat die Fokussierung der öffentlichen Diskussion auf das Thema “Universalbanken- versus Trennbankensystem” indes eine gewaltige Schieflage. Die Medien und das unbeleckte Publikum mögen ihren Teil dazu beitragen – “Deutsche Bank wird zerschlagen” ist schließlich allweil eine fetzige und gern gelesene Schlagzeile. Tatsächlich handelt es sich hier um einen Nebenschauplatz, wie man auch dem sehr abgewogenen Liikanen-Bericht entnehmen kann, der ja gerade keine Überlegenheit des einen oder anderen Modells feststellt.Es gibt eben allzu viele Beispiele für Bankpleiten wie für Systemkrisen, die mit der rechtlichen Struktur der Akteure nicht das Mindeste zu tun hatten. Auch Häuser, die vermeintlich risikoavers schlicht Einlagen hereinnehmen und Kredite herauslegen – das ist die Mutter aller Bankgeschäfte -, aber Wertpapiere und Derivate nicht mal mit der Kneifzange anfassen und Eigenhandel (den ja angeblich sogar die Deutsche Bank kaum noch betreibt) für ein Fremdwort halten, können in Wahrheit wilde Zocker vor dem Herrn sein: Wenn ihnen nämlich das Gefühl für Maß und Mitte abhandenkommt und sie etwa unter Einsatz von Kundengeldern Klumpenrisiken aufbauen oder das Zinsänderungsrisiko vernachlässigen. Man denke nur an das Savings-and-Loans-Desaster der achtziger Jahre in den USA oder aktuell an die von den spanischen Cajas aufgepumpte Immobilienblase. Das Treiben dieser Kreditbanker ist nicht weniger gemeingefährlich als das flagrante Vabanquespiel und die Hybris von Investmentbankern. Und man denke umgekehrt an Lehman Brothers, die als “Trennbank”, eben als reines Wertpapierhaus, kollabierte und die Welt an den Rand des Abgrunds brachte. Gerade dieser Fall zeigt auch sonnenklar, wie abwegig der Gedanke ist, man könnte eine abgespaltene (aber nach wie vor weltweit eng verflochtene) Investmentbank “schonend” abwickeln.Liikanen & Co. wollen verhindern, dass Banken Einlagen der Sparer verzocken und dass ein ums andere Mal die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, um marode Institute zu stützen. Dieses Anliegen kann man nur unterschreiben, und der Bericht enthält dazu jenseits der Frage “Universal- oder Trennbanken” durchaus diskussionswürdige Ideen. Um das System stabiler zu machen, bedarf es aber keiner teilweisen Aufspaltung von Banken. Eine effektive, auf den bisher eingeleiteten Maßnahmen aufbauende und global einheitliche Regulierung einschließlich eines strikten Verbots bizarrer Geschäfte würde schon reichen. Dann erübrigten sich auch krude Einfälle wie jener von Vince Cable, Banker in die Themse zu werfen – und sei es auch nur im übertragenen Sinne.——–Von Bernd Wittkowski ——- Ob Steinbrück oder Liikanen: Die Fokussierung der öffentlichen Diskussion auf das Thema “Universal- versus Trennbankensystem” hat eine gewaltige Schieflage.