Der Charme einer EU-Zweigstelle

Brexit erschwert britischen Banken Zugang zu EZB-Zentralbankgeld - Institute werden erfinderisch

Der Charme einer EU-Zweigstelle

Von Bernd Neubacher, FrankfurtBritische Banken erwägen die Eröffnung von Zweigstellen im EU-Gebiet, um damit günstigen Zugang zu Zentralbankgeld der EZB zu erhalten. “Dies ist ein Teil der Überlegungen”, bestätigt auf Anfrage der Verband der Auslandsbanken in Deutschland. Viele Banken spielten vieles durch, heißt es zugleich relativierend.Schon gehandelt hat die Royal Bank of Scotland (RBS). “Um die Kontinuität der Euro-Zahlungen nach dem Brexit aufrechtzuerhalten, ist eine Mitgliedschaft im europäischen Zahlungs- und Settlementverbund durch eine entsprechend lizenzierte EU-Zweigstelle oder Tochter erforderlich”, bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage. “RBS hat eine neue Bankenlizenz für unsere Niederlassung in Frankfurt beantragt, welche weiterhin einen Zugang zur Finanzmarktinfrastruktur in Deutschland zur Unterstützung von Euro-Zahlungen und Euro-Liquidität durch die Bundesbank ermöglicht.” Barclays und Lloyds reagieren nicht auf eine Anfrage der Börsen-Zeitung.Hintergrund: Der Brexit wird britischen Banken in Großbritannien den Zugang zu EZB-Zentralbankgeld deutlich erschweren. Dies gilt gerade für Häuser, die ihren Hauptsitz auf der Insel haben und im Zuge des Brexit eine Tochter im EU-Gebiet eröffnen, über die das EU-Geschäft läuft, während sich der Mutterkonzern um das Geschäft in Großbritannien und mit dem Rest der Welt kümmert.Denn fließen solchen Banken, die nach dem Brexit in Großbritannien sitzen, aus dem Geschäft außerhalb der EU künftig Euroguthaben zu, werden sie diese Beträge bei Notenbanken im Euroraum nicht hinterlegen können, wie bei Marktkennern mit Blick auf Häuser wie Barclays, Lloyds oder Royal Bank of Scotland erläutert wird. Banken halten Euro-Bestände etwa für Zahlungen bereit oder als Sicherheit für andere Euro-Positionen. “Wenn Sie nach dem Brexit in Großbritannien sitzen, können sie solche Euro keiner europäischen Zentralbank abgeben”, heißt es. Dazu müsse eine solche Bank ein Konto im Zahlungsverkehrssystem Target2 haben. Solche Accounts würden aber nur Häuser erhalten, die als Kreditinstitut gemäß der EU-Eigenkapitalrichtlinie CRR definiert seien. Ein in Großbritannien ansässiges Institut ist nach dem Brexit kein CRR-Kreditinstitut mehr. Schonung der LiquiditätsquoteNatürlich könnten diese Banken außerhalb des Euroraums auflaufende Euro-Liquidität an eine Tochter etwa in Irland geben und von dort an die dortige Zentralbank weiterleiten lassen. Aufsichtlich und regulatorisch aber wäre ein Transfer über eine Zweigstelle für eine britische Bank günstiger. Denn ohne eine Zweigstelle hätte die britische Mutter eine Forderung an die EU-Tochter in den Büchern stehen. Wie Fachleute erklären, wirkt sich eine Forderung auf die Berechnung der regulatorischen Liquiditätskennziffern deutlich ungünstiger aus als der Transfer an eine EU-Zweigstelle – die wird rechtlich als Teil der Mutter betrachtet. Aus der Forderung der Mutter an die Tochter wird damit eine direkte Forderung an die Zentralbank durch die Zweigstelle. Und kaum etwas schont die Liquiditätskennziffern LCR und NSFR mehr als Zentralbankforderungen.Die Eröffnung einer Zweigstelle in der EU, nur um sich den Zugang zur Notenbank zu sichern, wird nicht überall in Europa gerne gesehen. Denn theoretisch könnte dies ein Weg sein, Euro-Liquidität und damit Kredite bei der EZB aufzunehmen und diese nach Großbritannien oder sonst wohin in die Welt zu transportieren. “Das würde ich schlecht finden”, meint ein Aufseher. Denn für die Versorgung mit Liquidität wäre im Falle britischer Banken vielmehr die Bank of England die richtige Adresse. Mancherorts in der EU sollen Aufseher dies dem Vernehmen nach sogar als Umgehungstatbestand betrachten. In Deutschland, aber auch in Frankreich wird der Transfer über eine Zweigstelle hingegen weniger skeptisch betrachtet.Zentralbanken und Aufseher sollen dem Vernehmen nach etwas freigebiger mit der Einrichtung von Zentralbankkonten und Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis sein. Britische Institute können also auch nach dem Brexit ihre in der Gruppe aufgelaufene Euro-Liquidität etwa über ein Bundesbank-Konto bei der EZB hinterlegen, bei Bedarf aber auch abheben und in der Gruppe verwenden.Die betroffenen Geldhäuser können also darauf hoffen, dass sie als Kreditinstitut gemäß CRR anerkannt werden und auf Wunsch ein Konto des Zahlungsverkehrssystems Target2 eröffnen können. Die Aufseher äußern sich auf Anfrage dazu nicht. Grundlage des Kalküls auf deutscher Seite ist dabei auch die sogenannte Kreditinstitutsfiktion im Gesetz über das Kreditwesen (KWG). Eine Zweigstelle muss demnach als Kreditinstitut anerkannt werden. Enge Grenzen für TransfersDen Transfer von Euro-Liquidität in alle Welt im großen Stil scheinen Aufsicht und Zentralbank dabei nicht zu befürchten. Die Zweigstelle einer solchen Bank in der EU könnte nur sehr begrenzt Kredite bei der EZB und damit Euro-Liquidität aufnehmen und diese nach Großbritannien oder anderswohin in die Welt transferieren, wie argumentiert wird. Denn eine Zweigstelle dürfte demnach keinen negativen Verrechnungssaldo mit ihrem Konzern eingehen – der Spielraum für Transfers wäre somit begrenzt.