Im Gespräch:Jens Siebert und Anne-Sophie Gógl, KPMG

„Der digitale Euro in der Wholesale-Variante wäre der Katalysator für ein medienbruchfreies Ökosystem digitaler Wertpapiere“

Mehr als 60 Marktteilnehmer haben sich für die zweite Runde der EZB-Tests zur Erprobung von DLT-Infrastruktur für das Settlement von Wertpapieren in digitalem Zentralbankgeld registriert. Das zeige, dass Banken und Clearinghäuser die Zukunft der Wertpapierabwicklung aktiv mitgestalten wollten – und man nun an der Schwelle stehe zu skalierten Marktinfrastrukturen, so die beiden KPMG-Experten Jens Siebert und Anne-Sophie Gógl im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

„Der digitale Euro in der Wholesale-Variante wäre der Katalysator für ein medienbruchfreies Ökosystem digitaler Wertpapiere“

IM GESPRÄCH: ANNE-SOPHIE GÓGL und JENS SIEBERT

Skalierte Infrastruktur für digitale Wertpapiere

Die beiden KPMG-Experten sehen im digitalen Wholesale-Euro den „Katalysator für ein medienbruchfreies Ökosystem“ – Großer Zulauf bei EZB-Tests für DLT

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Notenbanken und der Finanzsektor machen sich startklar für eine neue Ära des Geldes. Bester Beweis dafür sind die im Mai gestarteten Tests der EZB zum Settlement von Wertpapieren unter Einbindung von DLT-Infrastruktur, einer Art Wholesale-CBDC (Central Bank Digital Currency) als digitales Zentralbankgeld. Eine zweite Welle an Tests wurde jüngst gestartet. „Der Zulauf für diese zweite Runde zur Erprobung ist riesig. Rund 60 Markteilnehmer haben sich registriert. Das zeigt, dass Banken und Clearinghäuser die Zukunft der Wertpapierabwicklung aktiv mitgestalten wollen“, so Anne-Sophie Gógl von KPMG im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Anbieter von DLT-Marktinfrastrukturen wie 21X vervollständigen das Zielbild, in dem ein echter und regulierter Sekundärmarkthandel von Assets stattfinden kann.

Jens Siebert

Die Teilnehmerliste geht von Geschäftsbanken über Notenbanken bis hin zu Blockchain-nativen Marktinfrastrukturbetreibern wie 21X. „Dass ein Fintech wie 21X eingebunden ist, beurteile ich sehr positiv. Anbieter von DLT-Marktinfrastrukturen vervollständigen das Zielbild, in dem ein echter und regulierter Sekundärmarkthandel von Assets stattfinden kann“, sagt KPMG-Partner Jens Siebert. Da zuletzt auch das DLT-Pilotregime von ESMA und Kommission gestärkt wurde und die Mica-Regulierung Anfang 2025 in Kraft tritt, bestände für Europa nun eine gute Chance, bei Innovationen und ihrer kommerziellen Umsetzung im Markt ganz vorn dabei zu sein.

An der Schwelle zu skalierten Marktinfrastrukturen

Die beiden KPMG-Experten sagen, dass man jetzt an der entscheidenden Schwelle stehe, ob sich aus Proof of Concepts skalierte Marktinfrastrukturen schaffen lassen. Beide zeigen sich optimistisch und verweisen neben den Kollaborationen im Rahmen der EZB-Tests darauf, dass es Initiativen wie das gemeinsame Vorgehen von Deutscher Börse, Euroclear und dem DTCC gebe, die sich für interoperable Standards einsetzen und hierfür auch die Gründung eines Verbandes planen. Die von der LBBW, Standard Chartered und der DekaBank gestartete Blockchain-Initiative Swiat stellt ein weiteres Beispiel für die Kollaboration von Marktteilnehmern beim Aufbau skalierbarer Blockchain-Lösungen dar.

Der digitale Euro in der Wholesale-Variante wäre der Katalysator dafür, dass es ein medienbruchfreies Ökosystem digitaler Wertpapiere gibt.

Anne-Sophie Gógl

„Der digitale Euro in der Wholesale-Variante wäre der Katalysator dafür, dass es ein medienbruchfreies Ökosystem digitaler Wertpapiere gibt. Bei den in den Tests verprobten Lösungen von Bundesbank und Banca d‘Italia würde man immer über Schnittstellen gehen, die eine Verbindung zu dem Target-System oder der TIPS-Infrastruktur für Instant Payments herstellen. Die Banque de France stellt eine reine DLT-Lösung hin, was perspektivisch Vorteile bietet“, so Anne-Sophie Gógl.

Gógl weiß zu berichten, dass in den Tests aber vor allem die Bundesbank-Trigger-Lösung und das italienische Set-up gefragt sind – es sei eben unter anderem weniger Aufwand, dort anzudocken. Und was die Leistungsfähigkeit von DLT-Infrastrukturen betrifft, da verweisen Gógl und Siebert auf das, was die DekaBank über ihre Ausgründung Swiat auf die Beine gestellt hat. Die Transaktionsleistung auf dieser DLT könne die Marktanforderungen erfüllen, auch Blockchains wie Solana und Polygon würden immer tauglicher für tokenisierte Assets, wie sie die klassische Finanzindustrie einbringen würde. Und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) arbeite schon an der Interoperabilität verschiedener Blockchains im grenzüberschreitenden Wertpapier-Settlement, merkt Gógl an. Hinzu kommen Akteure wie Swift, die im Hintergrund Blockchain-Protokolle verbindungsfähig macht.

Zahlungsmittel nebst Zahlungssystem

Wesentlich diffiziler gestaltet sich die Entwicklung der Retail Central Bank Digital Currency (CBDC), deren Einführung offiziell noch nicht entschieden ist, auch weil diese als das Projekt „digitaler Euro“ in der politischen Sphäre gelandet ist, führt Gógl aus. Die Gesetzesinitiative dazu sei in dem Paket zum Euro als gesetzliches Zahlungsmittel gelandet, erklärt sie. Dieses sei unter anderem zur Stärkung von Bargeld gedacht gewesen – bislang seien Dinge wie die Pflicht zur Bargeldakzeptanz nur auf Basis eines EuGH-Urteils geregelt gewesen.

Da der digitale Euro zwar zunächst nur ein neues Zahlungsmittel sein würde, mit seiner Einführung aber ein zusätzliches Zahlungssystem verbunden wäre und es eben alle Bürger betreffen würde, sei es richtig, die Entscheidung über die Einführung und Ausgestaltung in die Hände von Brüssel zu legen.

EZB nicht für alles zuständig

Eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer Retail-CBDC ist bei der derzeitigen Kakophonie fast müßig, weil sachorientierte Beiträge in populistischen Diskussionen ignoriert werden – dagegen sein gilt bei manchen Interessengruppen als chic. Für Gógl befindet sich der digitale Euro in line mit dem Auftrag zur Bargeldversorgung. Dieses muss den Bürgern zur Verfügung gestellt werden und bedingungslos nutzbar sein – und wo die Bargeldnutzung nachlasse, da springe das digitale Äquivalent ein.

Was die Anwendungsfälle, neudeutsch Use Cases, betrifft, da sagt Siebert, es sei nicht die Aufgabe der EZB, diese festzulegen. Dies könne z.B. von den privaten Banken dargestellt werden, die weiterhin auf das Backend der Notenbank zurückgreifen können.

Wie das Zielbild für den digitalen Euro in seiner technischen Umsetzung aussehen soll, darauf wird sich die EZB erst zum Jahresende festlegen.

Jens Siebert

Eurosystem investiert 1 Mrd. Euro

Die beiden KPMG-Experten sind von einem großen Vertrauen in die Akteure bei der EZB geprägt, die Weichenstellungen seien gut und eine Einführung könne iterativ stattfinden, also in schrittweiser Annäherung an das Zielbild, sagt Siebert. „Wie das Zielbild für den digitalen Euro in seiner technischen Umsetzung aussehen soll, darauf wird sich die EZB erst im Rulebook zum Jahresende festlegen. Da die Ausschreibungen für die Plattform-Infrastruktur schon raus sind, ist jetzt schon klar, dass das Eurosystem allein dafür bis zu 1 Mrd. Euro investieren wird.“

EZB, Banken und Clearinghäuser rüsten sich für eine Zukunft des Wertpapier-Settlements auf DLT-Marktinfrastruktur. Der große Zulauf bei den Tests der Notenbank für eine Wholesale-CBDC stimmt die KMPG-Experten Anne-Sophie Gógl und Jens Siebert optimistisch, dass DLTs die Marktanforderungen erfüllen werden.

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