Der digitale Wandel erfordert hohe Investitionen

Deutschlands Mittelstand strotzt vor Kraft, aber die Geschäfte befinden sich oft im Umbruch - Banken finanzieren Investitionen und unterstützen mit Expertise

Der digitale Wandel erfordert hohe Investitionen

Die Stimmung im deutschen Mittelstand ist ausgezeichnet. Fast 60 % der Unternehmen stufen ihre Wirtschaftslage laut Mittelstandspanel 2017 vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und von A.T. Kearney als sehr gut oder gut ein. Das ist der höchste Prozentsatz seit der ersten Erhebung im Jahr 2005. Für das kommende Jahr rechnet mehr als die Hälfte der Befragten mit einem sehr guten Geschäftsjahr. Die positive Geschäftsentwicklung ist vor allem durch die Binnenkonjunktur getrieben. Fast jeder zweite Mittelständler sieht die Inlandsumsätze steigen. Aber auch das Auslandsgeschäft läuft nach wie vor rund. Etwa ein Viertel erwartet hier steigende Umsätze.Ein Grund für den Erfolg: Der deutsche Mittelstand ist ein wesentlicher Treiber von Innovationen. Deutschlands “Hidden Champions”, unbekannte mittelständische Weltmarktführer, insbesondere aus dem Maschinen- und Anlagenbau, sind weltweit gefragt. Sie fertigen Industriepumpen, Spezialfahrzeuge, Abluftanlagen, Messgeräte oder Fertigungsmaschinen auf kaum noch zu schlagendem Technologie- und Serviceniveau – und bilden damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Modelle weiterentwickelnWeltweit ist der industrielle Mittelstand aus Deutschland für seine innovativen Ideen bekannt. Doch bei der Digitalisierung hinken die Unternehmen in manchen Punkten den besten der Welt hinterher. Um weiter erfolgreich zu bleiben und die Chancen der Digitalisierung nachhaltig zu nutzen, müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln, ihre Prozesse und ihre Produktion digitalisieren und mit innovativen Produkten und Services neue Geschäftsfelder erschließen. Dabei ist der Megatrend Digitalisierung durchaus in Industrie und Mittelstand angekommen.Laut dem aktuellen Mittelstandspanel haben 55 % der Unternehmer das Gefühl, die Auswirkungen der Digitalisierung auf das eigene Unternehmen in den kommenden fünf Jahren verstanden zu haben. Einige Mittelständler haben neue Technologien mit Kreativität und Mut aufgegriffen und sind damit rege digitale Pioniere geworden. Beispielsweise der mittelständische Familienkonzern, der im Zuge einer digitalen Plattformstrategie einen App Store eingerichtet hat, in dem externe Entwickler Software für die Maschinen und Industrieanlagen des Unternehmens anbieten.Bei einem großen Teil der mittelständischen Unternehmen liegen Wissen und Handeln jedoch noch ein gutes Stück weit auseinander. Es wird nicht reichen, die Auswirkungen neuer Technologien zu analysieren. Die Erkenntnisse müssen sich in zukunftsorientierten Strategien widerspiegeln. Dass Handlungsbedarf besteht, wird daran deutlich, dass die Ausgaben von Mittelständlern für Digitalisierungsmaßnahmen im Verhältnis zu den gesamten Investitionen noch gering sind. Beispielsweise investiert der deutsche Mittelstand laut Hochrechnungen der KfW erst rund 10 Mrd. Euro jährlich in Projekte zum Ausbau der Digitalisierung.Ein Anstieg der Ausgaben um mindestens 30 % bis 2018 wäre der KfW zufolge nötig, denn wer nicht rechtzeitig investiert, der droht den Anschluss zu verlieren. Viele Unternehmen haben den Einstieg in die neue Ära eingeleitet, doch ebenso viele suchen noch die richtige Formel für ihr Geschäft der Zukunft. Kritisch für den Erfolg sind Wendigkeit im unternehmerischen Denken und Handeln, ein freier Blick auf das Neue – und Investitionen. Fremdfinanzierungen nötigDie meisten Unternehmen nutzen hierfür vor allem Rücklagen und den laufenden Cash-flow. Nach einer Analyse der KfW werden Digitalisierungsvorhaben zu 77 % aus den laufenden Einnahmen der Unternehmen finanziert. Bankkredite spielen mit 4 % kaum eine Rolle. Damit unterscheidet sich die Finanzierung deutlich von der von Investitionen in Sachanlagen. Dabei bestehen trotz des erhöhten Erfolgsrisikos bei Investitionen in Digitalisierungsprojekte viele Parallelen.Doch angesichts des absehbar großen Investitionsbedarfs werden die Binnen-Ressourcen der Unternehmen bald nicht mehr ausreichen. Immer mehr Firmen erkennen, dass sie mit einer Politik des Abwartens und der kleinen Schritte ins Hintertreffen geraten. Um im Wettbewerb der Wirtschaft 4.0 bestehen zu können, sind Fremdfinanzierungen wie Bankkredite sowie Finanzierungen über den Kapitalmarkt oder Investoren unabdingbar. Banken spielen daher eine wichtige Rolle als Finanzierer der Digitalisierung. Auch deshalb hat die HypoVereinsbank erfolgreich eine Initiative zur Finanzierung der Digitalisierung des Mittelstands gestartet. Wir agieren als strategischer Partner beim Thema Digitalisierung und erarbeiten mit den Unternehmen passende Investitionsstrategien.Bei der Finanzierung von Digitalisierungsprojekten spielt auch die Einbindung von Förderkrediten – beispielsweise der KfW oder der LfA Förderbank Bayern – eine wichtige Rolle. Unternehmer profitieren von günstigen Zinssätzen und können auch Zuschüsse beantragen. Seit Juli 2017 gibt es beispielsweise den ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit der KfW. Die Programme sind nicht auf Sachinvestitionen beschränkt. Sie können auch für Schulungen oder Kooperationsmodelle entlang der digitalen Wertschöpfungskette genutzt werden.Zudem werden Vorhaben wie der Aufbau digitaler Plattformen oder die Analyse großer Datenmengen unterstützt. Neben der KfW treiben einige Bundesländer die Förderung der Digitalisierung in ihrer Region mit eigenen Programmen voran. Zusätzlich hat die EU mehrere Programme aufgelegt, mit denen mittelständische Unternehmen hohe Kosten für Digitalisierungsmaßnahmen leichter stemmen können. Angesichts der Vielzahl der Förderungen empfiehlt es sich, in jedem Fall frühzeitig das Gespräch mit der Hausbank zu suchen.Banken unterstützen ihre Firmenkunden aber nicht nur mit Krediten und beim Erschließen anderer Finanzierungsquellen, sondern vor allem mit ihrer Expertise. Aufgrund ihres breiten Kundenportfolios haben Banken einen sehr guten Einblick in die Digitalisierungstrends der unterschiedlichen Branchen. Dieses Know-how stellen sie ihren Kunden zur Verfügung. Dabei ist es Aufgabe der begleitenden Bank, gemeinsam mit dem Unternehmen das jeweilige Geschäftsmodell zu analysieren, Chancen und Risiken für das Unternehmen zu identifizieren und auf die entscheidenden Fragestellungen einzugehen: Wie sieht die jeweilige Branche in fünf Jahren aus, und was sind die wichtigsten Treiber der Digitalisierung? Wie digitalisiert ist ein Unternehmen in Bereichen wie Verwaltung, Produktion oder Vertrieb? Sind die Mitarbeiter ausreichend für die Anforderungen im digitalen Zeitalter qualifiziert?Damit Banken ihrer Rolle als Finanzierer der Digitalisierung gerecht werden, müssen sie die Risiken der Finanzierung digitaler Projekte realistisch bewerten. Dabei genügt es nicht, ein digitales Kreditrisiko auf einem Bankenrating und den Sicherheiten eines Unternehmens aufzusetzen. Zu komplex sind Investitionen in digitale Projekte. Bei der Risikoeinschätzung werden die qualitativen Faktoren rund um die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens und die Betrachtung des zukünftigen Geschäftsmodells immer wichtiger. Hinzu kommt: Die werthaltigen Assets der digitalen Unternehmensära sind immaterielle Vermögenswerte – Analysesoftware, Datenbanken oder digitale Fortbildungsprogramme für Mitarbeiter. Entsprechend schwer sind sie als rasch liquidierbare Vermögenspositionen zur Kreditsicherung zu verwenden.Aus Bankensicht wird die Bewertung des jeweiligen Einzelfalls daher noch wichtiger. Es macht einen großen Unterschied, ob das Geschäftsmodell einer Firma digitalisiert und neu ausgerichtet wird oder ob sich ein bestehendes Erlösmodell nur partiell verändert. Das Verständnis für diese Art der Investitionen und die Fähigkeit, das Risiko dafür einzuschätzen, sind in Zukunft noch essenzieller als bisher. Banken reagieren auf diese Anforderungen mit immer differenzierteren Cash-flow-Modellen, mehr digitalem Know-how auf der Vertriebsseite und einer detaillierteren Betrachtung der Investment Cases.Entscheidend ist immer der intensive Dialog mit den Unternehmern. Banken müssen verstehen, was die individuellen Treiber des Umsatzes eines Unternehmens sind, wie sich eine Branche in den nächsten Jahren verändert und inwiefern sich ein Unternehmen darauf einstellt. Nur so können sie ihre Aufgabe als Finanzierer der Digitalisierung erfüllen. Und nur mit passenden Finanzierungsstrategien sind die Unternehmen in Deutschland in der Lage, die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auch im digitalen Zeitalter zu erhalten.—Robert Schindler, Vorstandsmitglied der HypoVereinsbank und verantwortlich für die Unternehmer Bank