Der neue Banker ist digitalaffin, beredt und arbeitet agil

Überarbeitete Ausbildungsverordnung für Bankkaufleute legt viel Wert auf soziale und IT-Fähigkeiten - Antwort auf Digitalisierung und Akademisierungstrend

Der neue Banker ist digitalaffin, beredt und arbeitet agil

Von Tobias Fischer, FrankfurtDer Strukturwandel im Bankwesen geht mit neuen Berufsanforderungen einher. Zunehmend gefragt sind Kommunikations- und Beratungskompetenz, die Bereitschaft und Fähigkeit zu agilen Arbeitsformen und zuvorderst digitale Fertigkeiten. Gleichzeitig ist ein Trend zur Akademisierung der Branche zu beobachten. Analog zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gewinnen Akademiker auch in der Finanzbranche stark an Bedeutung, heißt es vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). So verfügt ein zunehmender Anteil von Beschäftigten über einen akademischen Abschluss, der Anteil von Mitarbeitern mit einer Berufsbildung hingegen sinkt. Laut IAB ist der Anteil jener Mitarbeiter mit einem anerkannten Berufsabschluss in der Finanzbranche von 2013 bis 2018 in Deutschland von 73 auf 70 % zurückgegangen, in Hessen von knapp 57 auf 52 % und in der Stadt Frankfurt von 43 auf 39 %. Zugleich ist in diesem Zeitraum der Anteil der Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss in Deutschland um fast 5 Prozentpunkte auf fast 22 % gestiegen, in Hessen und in Frankfurt um jeweils fast 8 Prozentpunkte auf knapp 36 beziehungsweise 45 %. Noch kommen Einsteiger in der Regel über eine duale Berufsausbildung in den Job. Im privaten Bankgewerbe sind es 60 % (s. Grafik).Wird die Gesamtbranche betrachtet, zeigt sich, dass die Zahl von Bankkaufleuten in Ausbildung deutlich abgenommen hat, derweil die Zahl an Auszubildenden insgesamt gestiegen ist, wie das IAB ausgemacht hat. Ausschlaggebend für die Entwicklung im Bankwesen seien sowohl weniger Bewerber als auch weniger Ausbildungsstellen (s. Tabelle). Die Bewerber-Ausbildungsstellen-Relation, die Aufschluss darüber gibt, wie viele Bewerber auf eine Ausbildungsstelle kommen, ist bundesweit wie lokal für Bankkaufleute deutlich geringer als die Relation für alle Ausbildungsberufe. “Die Rekrutierungsposition für Banken ist somit schlechter als für Arbeitgeber insgesamt”, schlussfolgern die Arbeitsmarktexperten.Der Trend zu Höherqualifizierung wird sich deren Einschätzung nach fortsetzen. Dem soll die erstmals seit 21 Jahren grundlegend überarbeitete Ausbildungsverordnung für Bankkaufleute begegnen, die den Anspruch hegt, das Berufsbild gerade mit Blick auf Digitalisierung zu modernisieren. Die unter Mitwirkung der Verbände des Kreditgewerbes – AGV Banken, Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken sowie Deutscher Sparkassen- und Giroverband – von Gewerkschaften und Vertretern von Banken erarbeitete Verordnung soll der Ausbildung in den klassischen Geschäftsbereichen einer Bank ebenso gerecht werden wie gewachsenen kundenbezogenen Anforderungen und neuen Arbeitsformen. Start im August erwartetAn Bedeutung gewinnen demnach kommunikative Kompetenzen, die Fähigkeit zu vernetztem Denken und der professionelle Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln, konstatiert das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), das im Verfahren eine koordinierende Funktion übernommen hat. Stimmen die beteiligten Gremien der binnen viereinhalb Monaten erarbeiteten Novelle zu, kann sie Ende Januar im Bundesanzeiger veröffentlicht werden und am 1. August 2020 in Kraft treten, hofft Gabriele Jordanski, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BIBB. Somit verbliebe den Finanzinstituten und Berufsschulen ein halbes Jahr Zeit zur Umsetzung.Habe einst eher der Verkauf im Mittelpunkt gestanden, sei mittlerweile wieder der Kunde in den Mittelpunkt gerückt, hält das BIBB fest. Mit der Digitalisierung stelle sich mehr und mehr die Frage, was der Mensch besser könne als die Maschine. Insbesondere in der Kundenberatung böten sich hier Chancen. “Denn gerade in den Bereichen, wo Computer an Grenzen stoßen, erhält das persönliche Gespräch und die ganzheitliche Betreuung der Kunden durch das Bankpersonal eine besondere Bedeutung”, berichtet Jordanski. Sie spielten auch zunehmend eine Rolle, um Kunden angesichts der digitalisierungsbedingten Datenflut Orientierung zu bieten. “Kunden sind über das Internet besser informiert und anspruchsvoller als früher. Sie brauchen Berater, welche die Informationsfülle reduzieren.”Deshalb fällt nach der reformierten Ausbildungsverordnung das Drumherum des Kundengesprächs und die Art und Weise der Kommunikation mehr ins Gewicht, auch um Kunden verstärkt zu binden. Abgeschlossene Lerninhalte wie “Kunden ganzheitlich beraten” und “projektorientiert arbeiten” habe es in dieser Form bisher noch nicht gegeben. Rechnungswesen abgespecktWerden diese Kompetenzen und die Fähigkeit zur Selbstreflexion sowie Prozesse und Wechselwirkungen einzuschätzen immer wichtiger, verlieren andere Tätigkeiten an Relevanz. So wurden die Bereiche Rechnungswesen und Zahlungsverkehr in der Ausbildungsverordnung abgespeckt. “Angesichts automatisierter Massenprozesse sind vertiefte Kenntnisse im Zahlungsverkehr nur noch in Sonderfällen erforderlich wie beispielsweise im Auslandszahlungsverkehr”, teilt der AGV Banken mit.Wissen im Rechnungswesen ist demnach angesichts der Zentralisierung buchhalterischer Vorgänge weniger wichtig. “Rechnungswesen hat zwar einen geringeren Stellenwert als früher. Bankkaufleute benötigen allerdings noch immer entsprechende Kenntnisse”, sagt BIBB-Mitarbeiterin Jordanski. “Denn um sich in die ökonomische Situation ihrer Kunden hineindenken zu können, brauchen sie ein betriebswirtschaftliches Bewusstsein.”Akademisierung ist ihrer Ansicht nach nur eine Möglichkeit, um voranzukommen. “Nichtakademische Wege sind in der Finanzbranche trotz des Trends zur Akademisierung weiterhin eine gute Option.” Immer wichtiger werde ob der sich beschleunigenden Taktung der Veränderungen in der Branche die berufliche Fortentwicklung. Hier könnten Mitarbeiter auf ein umfangreiches und gut entwickeltes Weiterbildungsgeflecht der Banken und Sparkassen zurückgreifen.