GASTBEITRAG

Der regulatorische Druck hält unvermindert an

Börsen-Zeitung, 27.2.2014 Ende Januar hat EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier seine Trennbankenpläne in Brüssel präsentiert. Entgegen den Erwartungen sieht der Verordnungsentwurf nur noch vor, die größten Spieler im europäischen Bankenmarkt zu...

Der regulatorische Druck hält unvermindert an

Ende Januar hat EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier seine Trennbankenpläne in Brüssel präsentiert. Entgegen den Erwartungen sieht der Verordnungsentwurf nur noch vor, die größten Spieler im europäischen Bankenmarkt zu regulieren. Betroffen sind danach Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Mrd. Euro und einem Handelsvolumen von mehr als 70 Mrd. Euro. Dies dürfte – trotz der Einführung eines enger gefassten Eigenhandelsverbots – bei zahlreichen Bankenvertretern für Aufatmen gesorgt haben. Doch auch wenn der Kelch an ihnen diesmal vorübergegangen ist, weitere Regulierungsschritte befinden sich längst in der Pipeline. Banken werden zukünftig eine Kultur der Adaptivität brauchen, um im volatilen regulatorischen Umfeld, das ohnehin herausfordernde Kerngeschäft nicht aus den Augen zu verlieren. Hinter den Plänen zurückIn ihrem Entwurf bleibt die EU-Kommission deutlich hinter den ursprünglichen Plänen zurück. Eine harte Reform und die im Vorfeld diskutierte Option einer Zerschlagung großer Geldhäuser wird es nicht geben. Kernelemente sind vielmehr ein Eigenhandelsverbot und die Option für die zuständigen Aufsichtsbehörden (für größere Banken also ab Ende 2014 die EZB), in bestimmten Fällen eine Abspaltung von hochsensiblen Aktivitäten wie Market Making und Handel mit komplexen Derivaten sowie Verbriefungen zu verlangen.Und auch Bestimmungen über die rechtlichen, wirtschaftlichen und operativen Verbindungen sowie Managementverflechtungen zwischen einem abgetrennten Handelsunternehmen und dem Rest der Bankengruppe sowie erhöhte Transparenzanforderungen mit Blick auf das Schattenbankwesen sind berücksichtigt. Insgesamt weicht Kommissar Barnier damit jedoch deutlich von den Vorschlägen der Liikanen-Expertengruppe ab, denn in den Geltungsbereich des Vorschlags fallen wohl auch nur die 30 größten Institute, und dies sogar nur im Einzelfall. Komplexe StrukturFerner müssen die betroffenen Marktteilnehmer eine besonders komplexe Struktur und ein signifikantes Handelsgeschäft aufweisen. In Deutschland könnte dies acht Banken betreffen, wobei noch nicht klar ist, wie sich die von der EBA zu entwickelnden technischen Standards und die Prüfung durch die zuständige Aufsicht dann tatsächlich auswirken werden.Für die deutschen Banken wird sich durch die neuen Regeln aus Brüssel wohl wenig ändern. Hierzulande gibt es bereits ein nationales Gesetz, das in vielen Punkten strenger ausfällt. Auch verlangen die deutschen Regelungen von großen Banken bereits die Abtrennung des riskanten Wertpapierhandels auf eigene Rechnung. Kein WunderInsofern verwundert auch die Ankündigung der Kommission nicht, dass die nationalen Regeln in Deutschland und Frankreich nicht geändert werden müssen. Und ohnehin war ja stets fraglich, ob Geschäfte mit komplexen Derivaten tatsächlich der Nukleus der Verwerfungen auf den Finanzmärkten waren. Die Gründe dürften wohl eher in der massiven Überschuldung und dem Platzen der Kreditblasenzu suchen sein – eine Entwicklung, die wir dank billigem Notenbank-Geld auch aktuell schon wieder beobachten können. Ein Trennbankengesetz wird daran jedenfalls nichts ändern.Und ohnehin wird nach reichlicher Kritik an den Plänen abzuwarten sein, ob diese überhaupt die Zustimmung des (im Mai neu zu wählenden) EU-Parlaments und der EU-Staaten bekommen. Vor Ende 2014 ist damit keine definitive Entscheidung zu erwarten.Auch wenn Trennbankenregelungen in der aktuellen Fassung nur geringe Auswirkungen entfalten mögen: Für die Bankenindustrie hält der regulatorische Druck unvermindert an. Seit 2010 wurden schließlich im Zuge der Finanzkrise bereits 30 Initiativen zur “Bändigung” der Finanzmärkte vorgeschlagen.Vor dem Hintergrund des Libor-Skandals, öffentlich gewordener Devisenmarktmanipulationen und Co. wird es wohl kaum dabei bleiben. Bereits das Legislativpaket CRD IV/CRR zur Umsetzung von Basel III, welches zum Januar 2014 wirksam wurde, bedeutet trotz schrittweiser Einführung für etliche Institute auch weiterhin einen Kraftakt. Ressourcen gebundenUnd auch die zuletzt erfolgte Einigung auf Mifid II, mit den ab 2017 geltenden Begrenzungen des Hochfrequenzhandels, Aspekten des Anlegerschutzes sowie Regulierung risikoreicher Produkte, wird interne Ressourcen binden. Allein diese Beispiele zeigen: Nach der Regulierung heißt stets vor der Regulierung. Die Konsequenz für die Branche muss daher lauten, sich strukturell flexibel aufzustellen, um jederzeit auf externe Eingriffe reagieren zu können.Gelingt Banken dies nicht, werden sie zwangsläufig ihr Kerngeschäft aus den Augen verlieren. Und auch hier warten zahlreiche Herausforderungen. So hat die Bankenlandschaft bislang nur unzureichend auf den digitalen Wandel reagiert. Digitales Banking und Filiale driften zusehends auseinander.Ein integriertes Konzept, gerade im klassischen Retail-Geschäft – mit einer nahtlosen Betreuung der Kunden sowie relevanten Angeboten – fehlt bislang bei den meisten Instituten. Ganz zu schweigen von strategischen Überlegungen, mittels Digitalisierung mit neuen Produkten und Services auch in Märkte jenseits des eigenen Geschäfts vorzustoßen. Gefahr durch NewcomerDamit wächst insgesamt die Gefahr, dass branchenfremde Wettbewerber wie Google, Amazon & Co. mit ihrem datengetriebenen Kunden-Know-how den klassischen Spielern Marktanteile abjagen. Im Bereich des Zahlungsverkehrs ist dies bereits zu beobachten. Weitere Segmente werden mit Sicherheit folgen.Doch wie können Banken das notwendige hohe Niveau an Adaptivität und Flexibilität erreichen? Ein wesentlicher Ansatz ist die Restrukturierung mittels Integrated Business Services, der jüngsten Evolutionsstufe von Shared Service-Konzepten. Dabei fasst das Institut zahlreiche Tätigkeitsfelder unter einem organisatorischen Dach zusammen. Die Struktur folgt nicht mehr klassischen Bankfunktionen, sondern orientiert sich an End-to-End-Services für interne wie externe Kunden. Das Ergebnis sind erhebliche Synergien. Viele HerausforderungenZugleich werden dabei viele Herausforderungen der Branche adressiert. Ganz gleich ob die Optimierung der Kostenstruktur, die Flexibilisierung der Service-Levels oder die Unterstützung der Einhaltung von Compliance-Vorschriften – Die integrierten und gebündelten Funktionen haben das Potenzial, die Governance zu verbessern und die Institute weit agiler und flexibler zu machen. Dies nützt insofern nicht nur der Reaktionsfähigkeit in Hinblick auf die Regulatorik. Eine neue, agile Struktur steigert auch die Wettbewerbsfähigkeit bei der Bewältigung der zahlreichen Branchenherausforderungen.—-Christian Altrock, Geschäftsführer des Bereichs Finance & Risk in Banken bei Accenture