„Der stärkste Handelstag in der Comdirect-Geschichte“
Im Gespräch: Sabine Schoon-Renné
„Der stärkste Handelstag in der Comdirect-Geschichte“
Die Bereichsvorständin über die Folgen von Trumps Zollkeule, die Notwendigkeit von mehr Finanzbildung und die Besonderheiten der Gen Z als Zielgruppe
Von Tobias Fischer, Frankfurt
fir Frankfurt
Comdirect hat Anfang des Monats den stärksten Handelstag in der 30-jährigen Geschichte erlebt. Auslöser waren die Börsenturbulenzen, die Donald Trump mit seiner protektionistischen Zollpolitik entfacht hatte. Dem Ansturm von Kunden, die deshalb ihre Portfolien umschichteten, habe der Online-Broker standgehalten, sagt Sabine Schoon-Renné, für Comdirect verantwortliche Bereichsvorständin der Commerzbank. Andere Häuser hatten mit erheblichen IT-Störungen und Kundenbeschwerden zu kämpfen.
Der von Donald Trump angekündigte Zollkrieg hat nicht nur Unruhe in aller Welt und ein Beben an den Finanzmärkten ausgelöst, sondern auch dem Online-Broker Comdirect eine denkwürdige Zeit beschert. „Montag, der 7. April, war der stärkste Handelstag in der Comdirect-Geschichte“, sagt die in der Commerzbank für die Direktbank zuständige Bereichsvorständin Sabine Schoon-Renné im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Comdirect wurde 1994 als Tochtergesellschaft der Commerzbank gegründet und besteht seit der Verschmelzung im November 2020 als Marke der Großbank fort.
2025 bleibt unruhig
Die Wucht, welche die Ankündigung des US-Präsidenten entfaltete, hatte viele überrumpelt, und Schoon-Renné sieht sich hier keineswegs als Ausnahme. Jede öffentliche Äußerung Trumps führe dazu, dass sich im Markt und im Brokerage sehr viel tue und Kunden Papiere abstießen oder auch Chancen zum Einstieg wahrnähmen, berichtet sie. Das Hin und Her in Trumps Zollpolitik, die Gewährung einer 90-tägigen Pause für die meisten Staaten und Verkündung neuer Zoll-Ausnahmen bei Verschärfung der Gangart gegenüber China verheißen auch für die Zukunft Ruhelosigkeit. „2025 wird weiterhin von Volatilität an den Märkten geprägt sein“, erwartet Schoon-Renné.
2025 wird weiterhin von Volatilität an den Märkten geprägt sein.
Überrumpelt hatten die Marktverwerfungen Anfang April aber auch Neobroker wie Trade Republic und Scalable, die dem Ansturm von Kunden, die ihre Depots umschichten, Verluste begrenzen oder Gewinne mitnehmen wollten, nicht gewachsen waren. Für die Vorfälle interessiert sich auch die Finanzaufsicht BaFin. Besser gelaufen ist es nach Aussage von Schoon-Renné in ihrem Hause: „Kunden konnten sich bei uns zu jedem Zeitpunkt einloggen und handeln. Wo wir bei einigen Kunden kleine zeitliche Verzögerungen hatten, war die Anzeige im Orderbuch. Aber die Orders wurden ausgeführt.“
US-Tech-Aktien abgestoßen
Die jüngsten Ereignisse haben ihr zufolge Kunden veranlasst, sich bei der Aktienwahl umzuorientieren. „Momentan beobachten wir, dass Kunden bei Aktienwerten nach Europa und Deutschland tendieren. Diese Allokation ist deutlich. Viele haben sich von Tech-Aktien aus den USA getrennt, wobei auch Gewinnmitnahmen und Stop-Loss-Limits eine Rolle gespielt haben.“
Deutsches Sicherheitsbedürfnis
Von Umschichtungen weiß sie auch zu berichten, als etwa mit der 2022 einsetzenden strafferen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder der Zins Einzug hielt. Sehr viele Menschen hätten eine Anlage gesucht, nachdem es wieder ein positives Zinsumfeld gab, wobei sie vor allem auf sichere Anlageprodukte gesetzt hätten. „In Summe ist Deutschland leider noch kein ausgeprägtes Wertpapierland“, resümiert die Bereichsvorständin deshalb. „Es gibt ein starkes Sicherheitsbedürfnis.“
Kundenvermögen gesteigert
Das von Comdirect verwaltete Kundenvermögen, also Depot und Einlagen, belief sich per Ende 2024 auf 144 Mrd. Euro, was ihr zufolge einem Wachstum von rund 20% im Vergleich mit 2023 entsprach. Der Robo-Advisor Cominvest bringt es den Angaben zufolge auf ein Kundenvermögen von 1,4 Mrd. Euro. Von den gesamten Assets under Management seien mehr als 70% Wertpapiervermögen, womit der von Comdirect-Kunden gehaltene Wertpapieranteil deutlich über dem der breiten Bevölkerung liege.
Das trägt erheblich zum starken Provisionsüberschuss bei. Doch auch der Zinsüberschuss habe sich dank hinzugewonnener Einlagen deutlich verbessert, nachdem er jahrelang nur eine geringe Rolle gespielt habe. Zu Ertragszahlen der in der Commerzbank aufgegangenen Comdirect nennt Schoon-Renné jedoch keine Details. Im Segment Privat- und Unternehmerkunden, zu dem die Comdirect gehört, wurden im Geschäftsjahr 2024 insgesamt Erträge (vor Risikoergebnis) von 6,1 Mrd. Euro ausgewiesen und ein operatives Ergebnis von knapp 2 Mrd. Euro.
Beim Gebührenverbot entspannt
Das ab Mitte nächsten Jahres geltende Verbot von Payment for Orderflow, also dass Broker Gebühren dafür erhalten, wenn sie Kundenaufträge an bestimmte Handelsplätze weiterleiten, bereitet ihr keine Sorge. Ertragseinbrüche seien nicht zu befürchten. „Wir sind deutlich weniger betroffen, als wir zunächst angenommen haben.“
Noch sei ohnehin nicht final geklärt, wie die Umsetzung erfolgen wird. Als Prämisse für Comdirect nennt Schoon-Renné, dass ihren Kunden nach wie vor eine Auswahl an Handelsplätzen angeboten werde. „Dann schauen wir uns unterschiedliche Modelle an, wie wir mit dem PFOF-Verbot umgehen. Es wäre jetzt aber noch zu früh zu sagen, wie eine dezidierte Lösung für uns aussieht.“
Rund 3 Millionen Kunden zählt die Comdirect Schoon-Renné zufolge aktuell, die somit annähernd jeden Vierten der insgesamt 11 Millionen Privat- und Unternehmerkunden der Commerzbank in Deutschland stellt. Das Wachstum der Kundenzahl bleibt damit hinter dem von Wettbewerbern zurück. Für Ende 2019 wiesen die Quickborner in ihrem letzten Jahresabschluss vor der Komplettübernahme durch die Commerzbank 2,7 Millionen Kunden aus.
Zum Vergleich: Trade Republic, die in 17 europäischen Ländern unterwegs ist, hat im vergangenen Jahr die Zahl der Kunden nach eigenen Angaben auf 8 Millionen glatt verdoppelt. Das verwaltete Kundenvermögen beläuft sich auf aktuell 100 Mrd. Euro. Die DKB steigerte die Zahl der Kunden von 4,7 Millionen im Jahr 2020 auf 5,8 Millionen im vergangenen Jahr.
Ihr gehe es jedoch weniger um die absolute Zahl der Kunden als darum, profitabel zu wachsen, führt Schoon-Renné aus. „Wir möchten nicht ausschließlich auf die Kundenzahl achten.“ Mit Blick auf das betreute Kundenvermögen scheint die Rechnung aufzugehen, schließlich hat es seit Ende 2019 kräftig zugelegt. Es wuchs von seinerzeit rund 80 Mrd. Euro auf nun 144 Mrd. Euro.
Konto, Karte, Einlagen einerseits, Online-Brokerage andererseits
Der Bank schreibt Schoon-Renné zwei strategische Stoßrichtungen zu. „Auf der einen Seite sind wir digitale Hauptbank und bieten Kunden Daily Banking, also alles rund um Konto, Karte und Einlagen. Auf der anderen Seite sind wir Online-Broker für Einsteiger bis zum Profi.“ Deutlich macht sie bei aller Differenzierung aber auch: „Wertpapiere sind unsere DNA.“
Von den Girokonto-Kunden nutzten ungefähr 70% Comdirect als Hauptbank, das heißt, über ihr Girokonto geht regelmäßig Geld ein, und sie nehmen mehrere Bankprodukte in Anspruch. Mit dieser Quote zeigt sich Schoon-Renné zufrieden, werde einer Direktbank doch häufig nur der Status einer zusätzlichen Bank zugesprochen, wohingegen das Hauptkonto andernorts geführt werde.
Bedingt kostenfreies Girokonto
Comdirect bietet drei Girokonto-Modelle an, von denen eines bedingt kostenfrei ist, etwa sofern monatlich zumindest 700 Euro eingehen. Am Girokonto unter Bedingungen werde Comdirect festhalten, sagt Schoon-René, auch wenn die Commerzbank davon Abstand nimmt. Zum 1. Mai streicht sie ihr entsprechendes Angebot. „Wir haben uns bewusst im Konzern dafür entschieden, uns an der Stelle von der Commerzbank zu differenzieren. So wird klarer, wer für was steht“, kommentiert die Bereichsleiterin das unterschiedliche Vorgehen der beiden Marken im Hause Commerzbank.
Influencer werben um junge Leute
Auch wenn reines Kundenwachstum nicht im Vordergrund stehe, so peilt die Comdirect, wie so viele andere Institute auch, verstärkt die Gen Z als Zielgruppe an. „Aktuell gewinnen wir viele Kunden im Alter ab 30 Jahren. Wir möchten aber künftig noch stärker auch in jüngeren Altersgruppen wachsen“, sagt Schoon-Renné.
Die Marketingaktivitäten wurden entsprechend ausgerichtet, Rapper und andere Influencer buhlen etwa auf TikTok, Instagram und Facebook um die Aufmerksamkeit der 15- bis 30-Jährigen. „Wir schauen, wie wir über Social Media frischer im Markenauftritt werden können“, erklärt die Comdirect-Managerin. „Wir versuchen, ein bisschen mehr Leichtigkeit in das Thema Finanzen zu bringen.“
Wir versuchen, ein bisschen mehr Leichtigkeit in das Thema Finanzen zu bringen.
Wissen und Kompetenz in Geldbelangen zu vermitteln, sei ihr in diesem Zusammenhang ein besonderes Anliegen. „Finanzbildung ist in Deutschland noch nicht so ausgeprägt, und hier ist einer der Hebel, wo wir ansetzen. Das verfängt bei der sehr jungen Zielgruppe.“ Wünschen würde sich Schoon-Renné nach eigenen Worten, dass an den Schulen unterrichtet wird, wie man gut und vernünftig mit Geld umgeht. „Das ist zentral für unser Land und kann privatwirtschaftlich nicht aufgefangen werden“, sagt sie.
Bangen um Altersvorsorge
Ihr sei aufgefallen, dass in der Altersgruppe die ständige Sorge umgehe, im Alter nicht über ausreichend Geld zu verfügen. Das sei in dieser Generation viel ausgeprägter als in vorhergehenden, stellt Schoon-Renné fest. Vom steten Bemühen, sich darum zu kümmern, zeuge etwa die Vielzahl an jungen Menschen, die Wertpapierdepots anlegten, um mit langfristigem Horizont zu investieren.
Zur Person
Zeit ihres Berufslebens arbeitet Sabine Schoon-Renné (Jahrgang 1980) im Commerzbank-Konzern, wo sie zwischen Retail und Coporate Banking und den Marken Commerzbank und Comdirect wechselte. Nach der Bankausbildung im Hause und ihrem Bachelor- und Master-Studium der Bankwirtschaft an der Frankfurt School verschlug es sie in der Großbank zunächst ins Privatkundensegment, 2006 dann ins Corporate Banking.
Es folgte ein Intermezzo als Vorstandsassistentin für den Credit Risk Officer, dem sich der Wechsel ins Corporate-Geschäft anschloss. 2013 bis 2015 führte sie die Abteilung Firmenkunden.
Ihre heutige Wirkungsstätte Comdirect lernte sie bereits 2016 kennen, damals allerdings noch als eigenständige Bank. Dort verantwortete sie als Bereichsleiterin Corporate Strategy & Consulting und gestaltete die Verschmelzung der Comdirect auf die Commerzbank mit, die im November 2020 abgeschlossen war. Nach der Bereichsleitung Firmenkunden Strategie übernahm sie im Januar 2023 als Bereichsvorständin die Zuständigkeit für Comdirect. Schoon-Renné ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann in Hamburg.