Der Stresstest reißt große Lücken

Studie: Europäische Banken benötigen bis zu 65 Mrd. Euro zusätzliche Mittel - Teure Verhaltensrisiken

Der Stresstest reißt große Lücken

Europas Banken droht im Zuge des diesjährigen Stresstests der European Banking Authority (EBA) mehr Ungemach als bei der Belastungsprobe 2014. Hatte sich damals eine Kapitallücke von 25 Mrd. Euro ergeben, dürften es nun bis zu 65 Mrd. Euro werden, wie das zu PwC gehörende Beratungshaus Strategy& errechnet hat. Dies liegt vor allem daran, dass der Stresstest in diesem Jahr die Verhaltensrisiken in Banken berücksichtigen wird.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Berücksichtigung von Verhaltensrisiken dürfte Europas Banken im diesjährigen Stresstest der European Banking Authority (EBA) wenig schmeichelhafte Ergebnisse bescheren. Wie das zu PwC gehörende Beratungshaus Strategy& durch eine Simulation errechnet hat, werden die Institute “wahrscheinlich zwischen 15 und 65 Mrd. Euro frisches Kapital generieren müssen, um die durch den Test aufgedeckten Risiken effizient zu managen”. Den Angaben zufolge entspricht dies einem Anstieg der momentanen Eigenkapitalquoten um 1 % bis 5 %.Im zurückliegenden Stresstest im vorvergangenen Jahr hatte die EBA 123 Banken ihrer Belastungsprobe unterzogen und dabei eine Kapitallücke von 24,6 Mrd. Euro zutage gefördert. Diesmal verteilt sich der Kapitalbedarf von bis zu 65 Mrd. Euro indes auf nur 51 Stresstestteilnehmer. War die Kernkapitalquote der teilnehmenden Banken im Zuge der Übung 2014 im Durchschnitt um 260 Basispunkte gefallen, sollten es Strategy& zufolge diesmal durchschnittlich 390 bis 600 Basispunkte sein.Anders als bei ihrem Stresstest im vorvergangenen Jahr legt die EBA für ihre Belastungsprobe 2016 zwar keine Latte auf, was eine Mindestkapitalquote angeht. Folglich kann beim Test 2016 auch keine Bank durchfallen oder die Aufsicht ihr eine Kapitallücke bescheinigen. Die entsteht allerdings spätestens dann, wenn die Kapitalquote einer Bank unter die Baseler Mindestanforderung fällt, wie Strategy& meint. Harte Auflagen drohenZudem sollen die Ergebnisse des Stresstests in die aufsichtliche Überprüfung und Bewertung (Supervisory Review and Evaluation Process/SREP) der Institute einfließen, so dass sich Banken, die im Stresstest schwach abschneiden, bald mit einer Aufstockung ihrer individuellen Mindestkapitalquote durch die europäische Bankenaufsicht konfrontiert sehen dürften. Dies gilt auch für die rund 60 Institute, welche die Europäische Zentralbank (EZB) den diesjährigen Stresstest ebenfalls rechnen lässt, obwohl sie nicht an der EBA-Übung teilnehmen.Neben dem Nettozinsertrag, der Empfindsamkeit gegenüber steigenden Volatilitäts- und Bewertungsrisiken am Finanzmarkt sowie der Abhängigkeit von Kapitalinstrumenten, die im Zuge von Basel III auslaufen, rücken mit dem Stresstest 2016 auch die Art der Unternehmensführung sowie Verhaltensrisiken stärker in den Fokus. Mit gutem Grund, haben die großen Banken in Europa und in den USA in den vergangenen Jahren doch mehr als 200 Mrd. Euro an Strafen im Zuge von Fehlverhalten berappt. Im Stresstest müssen die Banken nun eigene Schätzungen darüber anstellen, wie anfällig sie für Fehlverhaltensrisiken sind, und dies mit Daten zu entsprechenden Belastungen in der Vergangenheit untermauern. Können sie ihre Schätzungen nicht hinreichend unterfüttern, müssen sie den Verlust von 15 % ihrer Bruttoerträge unterstellen. Dies deute darauf hin, dass die Banken insgesamt 80 Mrd. Euro an Kapital vorhalten müssen, um Verhaltens- und andere operative Risiken abzudecken, meint Strategy&.Allein dieser Faktor dürfte den Angaben zufolge den größten Unterschied zwischen den Stresstests 2014 und 2016 darstellen, auch wenn die Minuspauschale von 15 % für die meisten Banken das Worst-Case-Szenario sein dürfte, heißt es. Für Philipp Wackerbeck, Leiter der Financial Services Practice von Strategy&, ist klar: “Mit dem 2016er Stresstest erhöhen die europäischen Bankaufsichten den Reformdruck für Banken.” Seiner Einschätzung zufolge ist der diesjährige Stresstest “ein weiterer Datenpunkt, der untermauert, dass strukturelle Veränderungen im europäischen Bankenmarkt dringend geboten sind”. Initiativen wie der kürzlich in Italien beschlossene Bankenrettungsfonds würden “nur ein Pflaster, aber kein Heilmittel sein”. Je exakter freilich die historischen Daten einer Bank zu Fehlverhalten in der Vergangenheit sind, umso besser dürfte das Institut nun im Stresstest abschneiden. Verringern können die Kapitallücke der Institute auch Verhandlungen mit den Aufsehern, in denen Banken begründen, warum es in ihrem Fall Sinn habe, von der reinen Stresstestmethodik abzuweichen, um ihrer Situation gerecht zu werden.Dem Novo Banco soll es auf diese Weise im Stresstest 2014 gelungen sein, seinen Kapitalbedarf mehr als zu halbieren, wie im Markt zu hören ist: “Das können wir natürlich nicht genau antizipieren”, erklärt Wackerbeck zu den Resultaten solcher Gespräche. Die Veröffentlichung der Ergebnisse des Stresstests ist für den Beginn des dritten Quartals geplant.