Der Ton in der Dividendendebatte wird rauer

SocGen-Chairman Bini Smaghi: Aufsicht muss sich fragen, ob sie den Bankensektor "uninvestierbar" macht

Der Ton in der Dividendendebatte wird rauer

bn Frankfurt – Die Auseinandersetzung um ein Ende des europaweiten Dividendenmoratoriums im Bankensektor gewinnt an Schärfe. Die Aufseher müssten sich überlegen, ob sie den Bankensektor mit ihrem Appell, auf Ausschüttungen zu verzichten, “uninvestierbar” machten, “um ein harsches Wort zu benutzen”, hat Lorenzo Bini Smaghi, Chairman von Société Générale (SocGen), am Mittwoch auf einer Konferenz erklärt. Die Frage laute, ob der Appell nicht kontraproduktiv wirke, was die den Banken zugedachte Rolle der Finanzierung der Realwirtschaft angehe: “Wenn Sie den Bankensektor von der Marktwirtschaft ausnehmen und ihn als eine Art Wohltätigkeitsunternehmung ansehen, aus der Investoren nicht einmal einen kleinen Gewinn ziehen können, dann wird es keinen Anleger mehr geben, der sich dafür interessiert”, sagte er.Mit Blick auf den Ansatz der deutschen Finanzaufsicht, Institute, die ausschütten wollen, ohne sich dies nach Einschätzung der Aufseher leisten zu können, zu sanktionieren, warnte das ehemalige EZB-Direktoriumsmitglied in Anwesenheit von BaFin-Präsident Felix Hufeld vor Fehlanreizen. Wenn die Vorgabe laute, dass Banken umso eher ausschütten dürften, je dicker ihr Kapitalpolster sei, könnten Institute versucht sein, ihre Kreditvergabe einzuschränken: “Dies wird zu einer prozyklischen Reaktion führen.”Die europäische und die deutsche Bankenaufsicht haben Banken zunächst bis Oktober und nunmehr bis Dezember empfohlen, fürs Erste von Ausschüttungen abzusehen. Dies soll verhindern, dass Banken, anstatt in der Krise die Kreditvergabe aufrechtzuerhalten, Kapital ausschütten, das ihnen ohne die aufsichtlichen Erleichterungen wegen Corona nicht in diesem Maße zur Verfügung stünde. Frankreichs Großbanken fordern schon seit längerem ein Ende des Dividendenappells. Auch bei deutschen Banken wächst der Unmut. Je länger die EZB an ihrem Moratorium festhalte, um so eher bewege sie sich auch juristisch in einer Grauzone, hieß es zuletzt im Vorstand einer großen deutschen Bank. Die Europäische Zentralbank werde im Dezember ihre Empfehlung überprüfen und womöglich zu einer flexibleren Praxis übergehen, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch jüngst. Einige von Bini Smaghi aufgeworfenen Probleme würden eher kurz- als mittelfristig anzugehen sein, erklärte BaFin-Präsident Hufeld. Einige Komponenten der Regulierung hätten sich als übermäßig prozyklisch entpuppt, räumte er auch mit Blick auf die Bilanzierungsvorgaben ein. Vor allem der Standard IFRS 9 zur Bildung von Risikovorsorge steht in der Kritik. Änderungen seien allerdings eine “verzwickte Sache”. Denn grundsätzlich sei er von den Vorzügen einer risikoorientierten Aufsicht überzeugt. Diese aber habe per se eine prozyklische Komponente. Man bewege sich auf einem “sehr schmalen Grat”.Wie Bettina Orlopp, Finanzvorständin der Commerzbank, berichtete, hat die zweigrößte Privatbank der Republik im Zuge der Pandemie bislang “nicht viele Ausfälle von Schuldnern” registriert. Noch nehme die Bank in Erwartung kommender Belastungen umfangreiche Pauschalbuchungen vor, “um sicherzustellen, dass wir genug Risikovorsorge haben werden”. Ihren Worten zufolge werden das erste und das zweite Quartal des kommenden Jahres zeigen, mit welchem Ausmaß an Ausfällen zu rechnen ist.