Der Traum vom Fortbestand des Lebenswerks

Unternehmensnachfolge darf nicht auf die lange Bank geschoben werden - Standardlösungen oder ein Patentrezept gibt es nicht - Hausbank spielt wichtige Rolle

Der Traum vom Fortbestand des Lebenswerks

Alle Unternehmer eint der Traum, dass ihr Lebenswerk auch in Zukunft nachhaltig Bestand hat. Schließlich haben sie es mit viel Einsatz und Risiko, zum Teil auch unter großen Entbehrungen über Jahre aufgebaut und weiterentwickelt. Während die Lebensdauer von erfolgreichen Unternehmen also gewissermaßen auf generationsübergreifende Langlebigkeit angelegt ist, wollen viele Unternehmer aber irgendwann auch einmal in den verdienten Ruhestand wechseln, sich neuen Herausforderungen widmen oder einfach das Erreichte genießen.Doch was wird beim Neustart in diese Lebensphase aus ihrem Unternehmen? Für das Fortbestehen muss es an die nächste Generation beziehungsweise in die richtigen Hände übergeben werden. Ein Führungswechsel im Lebenszyklus eines Unternehmens scheint von außen betrachtet ein einfacher Vorgang zu sein. Doch wir als BW-Bank wissen aus jahrzehntelanger Erfahrung und vielen von uns begleiteten Unternehmensnachfolgen, dass solch ein Prozess eine große Herausforderung ist – für den Unternehmer, den Nachfolger, aber auch die externen Stakeholder.Von den in Deutschland tätigen Unternehmen waren oder sind zwischen 2018 und 2022 schätzungsweise 150 000 Unternehmen “übergabereif”, hat das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn ermittelt. 21 700 Unternehmen davon allein in Baden-Württemberg. Die gute Nachricht: Etwa 30 % aller Unternehmen haben bereits eine Nachfolgeregelung gefunden. Das zweite Drittel steht in Verhandlungen mit potenziellen Nachfolgern. Die Zeit wird knappFür das verbleibende Drittel wird die Zeit knapp. Den Experten der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt zufolge steht dabei einem deutlichen Überangebot an Unternehmen nur eine überschaubare Nachfrage gegenüber. Auf drei Unternehmen für die zeitnah eine Nachfolge geregelt werden muss, kommt derzeit etwa ein Bewerber in Betracht. Der Nachfolgemarkt ist damit hart umkämpft – der Traum vom erfolgreichen, eigenständigen Erhalt des Unternehmens in Gefahr. Zudem: Die Suche eines geeigneten Kandidaten, die Ausbildung des Nachfolgers sowie dessen Einarbeitung in das Unternehmen braucht im Regelfall etwa drei bis zehn Jahre. Und nicht jeder Versuch wird von einem gelungenen Abschluss gekrönt.Vor diesem Hintergrund überrascht, dass sich bislang nur ein vergleichsweise geringer Anteil jener Unternehmer, deren Lebenswerk in den kommenden Jahren in kompetente Hände übergeben werden muss, aktiv damit auseinandergesetzt hat. Denn wird die Unternehmensnachfolge nicht frühzeitig thematisiert, leiden das Unternehmen und seine operative Weiterentwicklung. Wichtige Managemententscheidungen über den künftigen Wachstumskurs, neue Märkte oder Produkte werden verschoben, die Wertigkeit eines Unternehmens kann durch das Festhalten am Bisherigen sinken.Diese Risiken können sich auf die Bonität, die Kunden und die Liquiditätsplanung auswirken. Um das Unternehmen am Markt zu halten und einen weichen Übergang zu ermöglichen, sollte aus unserer Sicht die Unternehmensnachfolge daher rechtzeitig in Angriff genommen werden, um sie dann auch erfolgreich umsetzen zu können. Prozess folgt vier PhasenEin Patentrezept oder eine Standardlösung für die Unternehmensnachfolge – egal ob Unternehmensübergabe oder interne beziehungsweise externe Übernahme – gibt es nicht. Doch in aller Regel folgt der Prozess vier Phasen: Bestandsaufnahme, Analyse und Strategie, Konzept und Geschäftsplan sowie Umsetzung und Übertragung des Unternehmens.Die erste Option für viele Unternehmer ist sicher die Übergabe des Unternehmens an die nächste Familiengeneration. So bleibt alles in den Händen der Eigentümerfamilie. Aber ist es auch die beste Option? In jedem Fall stehen auch bei der traditionellen Nachfolgeregelung die Fragen im Raum: Wem vertraue ich mein Unternehmen an? Welches Familienmitglied kann und möchte das Unternehmen weiterführen? Wird das Unternehmen verschenkt oder verkauft? Aber natürlich verdienen auch Aspekte darüber hinaus Beachtung, etwa: Wie kann die Transaktion steuerlich optimiert werden?Als Inhaber muss man einerseits den richtigen Nachfolger finden, andererseits aber auch sich selbst intensiv darauf vorbereiten, loslassen zu können. Demgegenüber steht der Übernehmer, der das richtige Unternehmen finden und die Finanzierung der Übernahme sichern muss. Der richtige Berater an der Seite ist dabei entscheidend – im besten Fall gilt das für beide Seiten. Externe Partner nötigIn allen Phasen der Unternehmensnachfolge können und sollten externe Partner fachspezifisch beratend und begleitend zur Seite stehen. Neben Banken – im Idealfall natürlich die professionelle Kernbank des Unternehmens – sind dies beispielsweise Rechtsanwälte, Steuer- und Unternehmensberater und Notare, aber auch Fachverbände und Kammern. Neben den Vorteilen, die die Berater einbringen, bestehen dabei allerdings oft große Nachteile in der Wissenstiefe des Geschäftsmodells und der Philosophie sowie der persönliche Bezug zu den involvierten Personen auf der Unternehmensseite.Insbesondere die Übergabe eines Familienunternehmens bedarf viel Fingerspitzengefühl und ist meist eine sehr emotionale Angelegenheit, die außenstehenden Beratern ohne persönliche Bindung zu den Beteiligten meistens fehlt. Hier liegt der Vorteil bei der Hausbank des Unternehmens. Durch die jahrelange, verlässliche Partnerschaft ist das Know-how der Bank über das Unternehmen umfangreicher als das Wissen eines Außenstehenden. Nicht selten vertrauen Unternehmer auch ihr privates Geld dieser Bank an, so dass auch hier ein über die Jahre gereiftes Vertrauensverhältnis besteht. Dieses ermöglicht es, Bedarf und Wünsche für die neue Lebensphase richtig einzuschätzen und entsprechend umzusetzen. Ebenso können durch eine solche umfassende Einbindung rechtzeitig die rechtlichen und steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten erkannt und Aspekte der Vermögensstrukturierung einbezogen werden. Realistische BewertungBei einer Übernahme durch einen externen Nachfolger steht meist die Maximierung des Gewinns im Vordergrund des Verkäufers. Hier kommt es allerdings oft auch zu einer Überschätzung des Wertes, weil über die Lebensphasen des Unternehmens viel Zeit, Geld und Emotionen des Unternehmers investiert worden sind. 50 % aller Firmenverkäufe scheitern, weil der Unternehmer aus Unkenntnis Fehleinschätzungen trifft. Hier kann die Hausbank auf der Grundlage der Datenhistorie und der aktuellen Kenntnisse von Markt und Unternehmen eine realistische Bewertung des Unternehmens abgeben.Ganz wichtig sind hierbei die offene, vertrauensvolle Kommunikation und der Respekt aus jahrelanger verlässlicher Zusammenarbeit. Für private, inhaber- beziehungsweise familiengeführte Unternehmen kann eine solide Nachfolgeplanung das Wachstum des Unternehmens vorantreiben, Steuern senken und die Voraussetzungen für den Ruhestand schaffen. Verschiedene OptionenIst die Weitergabe des Unternehmens innerhalb der Familie nicht möglich, ergeben sich verschiedene Optionen, das Fortbestehen des Unternehmens zu sichern. Neben dem Verkauf des Unternehmens kann auch ein externer Nachfolger gesucht werden, oder das Unternehmen an einen neuen Chef aus den eigenen Reihen übergeben werden. Bei der Suche nach einem potenziellen Nachfolger ist der Zugriff auf verschiedene Netzwerke hilfreich.Auch Modelle wie Management-Buy-out oder Management-Buy-in spielen bei der Übergabe im Mittelstand eine Rolle. Geeignete Kandidaten zur Nachfolge können auch Finanzinvestoren, Family Offices oder strategische Investoren sein. In diesem Fall sollte ebenso auf die Unterstützung von Banken nicht verzichtet werden. Gemeinsam mit dem Berater kann das geeignete Nachfolgekonzept oder das Verkaufsvorhaben entwickelt beziehungsweise die Suche nach Investoren vorangetrieben werden.Bei der Nachfolgefinanzierung empfiehlt es sich, einen guten Mix aus eigenkapitalähnlichen Darlehen, Bürgschaften und Haftungsfreistellung zu suchen. Eine solche Zusammenstellung macht Kredite günstiger und minimiert das Risiko auf der Seite des Käufers, Verkäufers und der Bank. Ebenfalls können auch Fördermittel den gewählten Finanzierungsmix ergänzen. Bei der Zusammenstellung und der Suche nach geeigneten Förderprogrammen können Banken die richtige Hilfestellung geben. Die ausreichende Eigenkapitalausstattung von Unternehmen hat zunehmend Bedeutung. Risiken absichernEine Unternehmensnachfolge birgt immer Risiken, welche von den beteiligten Personen und der Gesellschaft getragen und abgesichert werden müssen. Neben der Finanzierung und anderen Fallstricken, wie der Gestaltung des Übernahmevertrags und den gesetzlichen Verpflichtungen, die mit einer Übernahme einhergehen, ist es immer auch wichtig, das Unternehmen in einer sicheren Zukunft zu wissen. Unsere langjährige Erfahrung als Hausbank vieler mittelständischer Unternehmen zeigt ganz deutlich, dass neben der fachlichen Expertise aber auch die Chemie und das Zwischenmenschliche bei einer Unternehmensnachfolge passen müssen. Wenn das alles passt, dann steht dem Traum vom nachhaltig erfolgreichen Fortbestand des Unternehmens nichts im Weg. Norwin Graf Leutrum von Ertingen, Vorstandsmitglied der Baden-Württembergischen Bank (BW-Bank)