Deutsche Aufsicht entlastet Banken

Finanzstabilitätsausschuss reduziert antizyklischen Kapitalpuffer auf null - Spielraum für neue Kredite

Deutsche Aufsicht entlastet Banken

Die deutsche Finanzaufsicht kommt der Aufforderung der Europäischen Zentralbank nach und reduziert den antizyklischen Kapitalpuffer. Weitere Puffer eröffnen den Banken, zusammen mit infolge der Finanzkrise aufgebautem Überschusskapital, in der Coronakrise einen Spielraum von insgesamt 225 Mrd. Euro. bn Frankfurt – Deutschlands Finanzaufsicht kommt den Banken mit weitreichenden Erleichterungen entgegen, welche den Instituten Finanzkreisen zufolge einen Spielraum von insgesamt 225 Mrd. Euro eröffnen werden, um in der Coronakrise die Kreditvergabe zu forcieren und Verluste aufzufangen. Wie der mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums, der Deutschen Bundesbank sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) besetzte Finanzstabilitätsausschuss am Mittwoch erklärt hat, wird die BaFin “angesichts des erwarteten Kreditbedarfs der Realwirtschaft” in der Krise den antizyklischen Kapitalpuffer per Anfang April auf 0 % senken. Auf diesem Niveau soll er “bis mindestens” zum Jahresende bleiben. 2021 will das Gremium erneut entscheiden.Damit kommt der Ausschuss einer Aufforderung nach, welche die europäische Bankenaufsicht am Donnerstag vergangener Woche an die nationalen Aufsichtsbehörden gerichtet hatte. Zuvor hatten sich bereits die privaten Banken Deutschlands in einem Schreiben an den Finanzstabilitätsausschuss für eine Reduktion dieses Puffers stark gemacht.Diese Kapitalanforderung zur Steuerung makroprudenzieller Risiken im Bankensektor hatte die Aufsicht erst im Mai vergangenen Jahres aktiviert und auf 0,25 % der Risikoaktiva festgelegt. Mit der Senkung stehen deutschen Kreditinstituten theoretisch nun rund 5,5 Mrd. Euro an zusätzlichem Kernkapital für zusätzliche Kreditvergabe bzw. für die Absorption krisenbedingter Verluste zur Verfügung. Der Betrag könnte in der Vergabe eines Mehrfachen dieser Summe an zusätzlichen Ausreichungen resultieren. “Folgerichtig”Dirk Bliesener, Partner und Bankenaufsichtsrechtler bei Hengeler Mueller, begrüßte die Entscheidung als “folgerichtig”. Damit werde in den Banken nötiges Kapital freigesetzt, um den krisenbedingten Anforderungen gerecht zu werden. Die EZB und der nationale Aufseher zögen an einem Strang.Letztlich soll die Entlastung der Banken weitaus höher ausfallen. Denn im selben Maße, in dem Europas Bankenaufsicht den Großbanken Eurolands erklärt hat, dass diese Kapitalpuffer auflösen können und in der Krise auch eine Verletzung der Mindestvorgabe der kurzfristigen Liquiditätsquote LCR geduldet wird, kommt die deutsche Aufsicht Finanzkreisen zufolge auch der breiten Masse der rund 1 500 Institute in der Bundesrepublik entgegen. Dies gilt etwa für die Eigenmittelzielkennziffer, das Pendant zu der von der EZB vorgegebenen Kapitalempfehlung Pillar2 Guidance (P2G), welche eigens dafür konzipiert ist, bei Bedarf angegriffen werden zu können. Auch wollen die Aufseher es demnach tolerieren, wenn Banken den Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozentpunkten vorübergehend nicht vorhalten sollten, diese Institute dann indes eng begleiten. Bereits vor Eskalation der Coronakrise hatten rund 30 deutsche Institute ihre Eigenmittelzielkennziffer nicht erfüllt.Insgesamt dürfte sich die Kapitalfreisetzung mit Hilfe der Puffer auf 105 Mrd. Euro summieren, wie es in Finanzkreisen heißt. Da sich demnach nochmals gut 120 Mrd. Euro in Form überschüssigen Eigenkapitals im System befinden, stehen potenziell rund 225 Mrd. Euro bereit. Theoretisch könnten die deutschen Banken ihr Kreditvolumen damit um einen niedrigen Billionenbetrag oder um gut 50 % ausweiten, wie es heißt. Ende 2019 summierten sich die von Banken in Deutschland an inländische Unternehmen und Privatpersonen vergebenen Kredite laut Statista auf rund 2,86 Bill. Euro. In Frage steht allerdings, inwieweit Banken bereit sind, ihre Kreditvergabe in der Krise zu forcieren und nicht vielmehr das Volumen ihrer Ausreichungen reduzieren wollen. Zudem dürfte die Aufsicht auch Wert darauf legen, dass die Institute ihren Spielraum nicht nur dazu nutzen, Kredite zu vergeben, sondern auch dazu, Verluste aufzufangen. Zweitrundeneffekte drohen”Die aktuelle Situation der Realwirtschaft verdeutlicht die Bedeutung von Puffern im Finanzsystem, welche in Stressphasen aufgezehrt werden können”, stellte der Ausschuss für Finanzstabilität am Mittwoch fest. Zwar betrachtet der Ausschuss die momentane Krise nicht als systemisch für den Bankensektor und diesen als insgesamt gut kapitalisiert. Auch zeigten sich keine Liquiditätsengpässe, teilt das Gremium mit. Allerdings ist es alleine eine Frage der Zeit, wann der massive ökonomische Schock, verstärkt durch eine allgemeine Verunsicherung, die Banken erreichen wird. Zudem drohen Zweitrundeneffekte aus Engagements von Banken in von der Krise betroffenen Finanzmärkten.