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Deutsche Bank entlässt Mitarbeiter in flauen Arbeitsmarkt

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 11.7.2019 Das Geschäft der großen Wall-Street-Banken brummt. Im vergangenen Jahr haben allein die sechs größten US-Institute gemeinsam zum ersten Mal mehr als 100 Mrd. Dollar verdient. Da sollte es...

Deutsche Bank entlässt Mitarbeiter in flauen Arbeitsmarkt

Von Stefan Paravicini, New YorkDas Geschäft der großen Wall-Street-Banken brummt. Im vergangenen Jahr haben allein die sechs größten US-Institute gemeinsam zum ersten Mal mehr als 100 Mrd. Dollar verdient. Da sollte es für viele der Mitarbeiter der Deutschen Bank in New York, die im Zuge des am Wochenende verkündeten radikalen Umbaus des deutschen Spitzeninstituts bereits ihre Entlassungspapiere erhalten haben, eigentlich ein Leichtes sein, Anschluss bei der Konkurrenz zu finden. Doch die Lage am Arbeitsmarkt ist differenzierter und spiegelt die Rekordgewinne der US-Banken aus den vergangenen Monaten nur zum Teil wider.Seit der Finanzkrise 2008 haben die 16 größten Banken in den USA und Europa nach Angaben von Bloomberg mehr als 800 000 Stellen abgebaut. Während einige Institute zuletzt wieder dazu übergegangen sind, Arbeitsplätze aufzubauen und Banken wie J.P. Morgan und BNP Paribas die Stellenkürzungen der vergangenen Jahre sogar schon fast wieder ausgeglichen haben, fahren andere wie Citi oder Royal Bank of Scotland, die mit die radikalsten Einschnitte vorgenommen haben und zusammen fast 300 000 Arbeitsplätze abgebaut haben, ihre Mitarbeiterzahlen weiter zurück. Jetzt holt auch die Deutsche Bank zum Kahlschlag aus und baut weltweit rund 18 000 Stellen ab. Der Finanzplatz New York, wo die Bank zuletzt fast 10 000 Mitarbeiter beschäftigt hat, dürfte von der Schrumpfkur besonders stark betroffen sein.”Einige werden wieder auf ihren Füßen landen, die anderen werden sich neu erfinden müssen”, fasst Alan Guarino, Vize Chairman der Personalberatung Korn Ferry, die Chancen für Deutschbanker auf dem Arbeitsmarkt zusammen. Denn gerade im Handel mit Aktien und festverzinslichen Wertpapieren, den die Bank kräftig stutzen will, hat die Konkurrenz in den vergangenen Jahren bereits abgespeckt und viel Geld in Automatisierung investiert. David Solomon, der CEO der US-Investmentbank Goldman Sachs, hat zuletzt damit geprahlt, dass drei Mitarbeiter im Aktienhandel der renommierten Wall-Street-Adresse heute die Arbeit machen, für die früher 500 Banker beschäftigt wurden.”Viele Leute, die von der Deutschen Bank kommen, werden schon wegen des schieren Wandels im Aktiengeschäft Schwierigkeiten haben, einen neuen Job zu finden”, sagt Michael Nelson, Senior Recruiter bei Quest Group. “Wenn man so viele Leute auf der ganzen Welt freisetzt, könnten einige von ihnen die Branche verlassen müssen.” Für das zweite Quartal, über das die US-Banken in der nächsten Woche berichten werden, haben die meisten Wall-Street-Adressen übrigens sinkende Erträge im Handel mit Aktien und festverzinslichen Wertpapieren in Aussicht gestellt.Auch im Investment Banking, wo die Deutsche Bank viele Stellen kürzt, herrscht an der Wall Street Flaute auf dem Arbeitsmarkt. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Beschäftigten in diesem Segment zum fünften Mal in Folge zurückgegangen, wie aus Daten von Coalition Development hervorgeht. “Investmentbanken standen nach der Krise wegen zunehmender Regulierung und sinkender Ertragspools lange Zeit unter besonderem Druck und haben deshalb gekürzt und gekürzt”, sagt Alison Wiliams von Bloomberg Intelligence. 2018 habe sich die Zahl der Beschäftigten immerhin stabilisiert.Die Analystin rechnet allerdings damit, dass der Druck der Regulierung in andere Segmente überschwappen und etwa im Assetmanagement zu weiteren Stellenkürzungen führen wird, womit sich eine weitere Tür für Banker auf Arbeitssuche schließen würde. Hedgefonds, die auf der Suche nach Talenten in der Vergangenheit auch immer wieder bei der Deutschen Bank fündig wurden, haben zuletzt ebenfalls reduziert. Bleiben nach Einschätzung von Marktbeobachtern als aussichtsreichste Destinationen für ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Bank vor allem Family Offices, die sich um die Vermögen der wachsenden Zahl von Ultrareichen kümmern, und Investmentbank-Boutiquen wie Evercore.Wer einen neuen Job findet, dürfte sich in vielen Fällen zunächst mit einem bescheideneren Gehalt zufriedengeben müssen. Das gilt vor allem für jene Mitarbeiter der Deutschen Bank, die zuletzt zu den mehr als 1 100 Risikonehmern in der Investmentbank zählten und im vergangenen Jahr durchschnittlich 1,25 Mill. Dollar verdient haben, wobei drei Fünftel davon als Gehalt ausgezahlt wurden. “Viele dieser Leute werden sich an eine geringere Vergütung gewöhnen müssen”, stellt Richard Lipstein von der Personalberatung Gilbert Tweed International in Aussicht. Außerdem würden die Institute heute im Allgemeinen einen geringeren Vergütungsanteil in bar auszahlen, sagt der Experte. Bewerbung statt BermudasWer auf Stellensuche in New York nicht fündig wird, wo zuletzt rund 750 000 Menschen in der Finanzindustrie beschäftigt waren, sollte über eine Klimaveränderung nachdenken. In San Francisco verdienen Investmentbanker laut US-Arbeitsmarktstatistik im Durchschnitt ohnehin ein Zehntel mehr. Einige gut bezahlte Jobs im Portfoliomanagement gibt es auch in Santa Fe, das auf knapp 2 200 Metern über Meer für eine echte Luftveränderung sorgt. Näher an New York gelegen ist Fairfield County mit Greenwich als bekanntester Hedgefonds-Adresse. Mitte Juli sitzen die meisten Hedgefondsmanager allerdings in den Hamptons oder auf den Bermudas, und auch an der Wall Street werden nur wenige Bewerbungsgespräche geführt.