Deutsche Bank gibt Kostenziel auf
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Die Deutsche Bank nutzt einen neuerlichen Sprung im Quartalsergebnis, um ihr absolutes Kostenziel zu kassieren. Da die Transformation weit vorangeschritten sei und die Bank im ersten Halbjahr nachhaltige Profitabilität bewiesen habe, konzentriere sich das Management beim Ausblick für die Kosten künftig auf die Aufwand-Ertrag-Relation, erklärte die Bank am Mittwoch, nachdem sie über eine Versiebenfachung des Vorsteuergewinns im zweiten Quartal binnen Jahresfrist informiert hatte. Die Cost-Income-Ratio bilde die von der Bank angestrebte nachhaltige Marge besser ab. „Folglich wird die Bank künftig kein absolutes Kostenziel mehr veröffentlichen“, hieß es.
Erst im Dezember vergangenen Jahres hatte das Haus sein Ziel für die bereinigten Kosten verschärft und für Ende 2022 ein Volumen von 16,7 Mrd. Euro genannt nach zuvor 17 Mrd. Dem Eindruck eines inkonsistenten Erwartungsmanagements trat Finanzvorstand James von Moltke in einer Telefonkonferenz mit Journalisten entgegen und argumentierte, dies zeuge vielmehr von Transparenz der Bank auf dem Weg zu ihren strategischen Zielen 2022.
Kalkül durchkreuzt
Durchkreuzt hat das Kostenkalkül der Bank zum einen der Entschädigungsfall der Greensill Bank. Er dürfte von Moltke zufolge allein in Form der Beiträge zur gesetzlichen Einlagensicherung im laufenden Jahr mit 70 Mill. sowie danach mit jährlich 60 Mill. Euro zu Buche schlagen. Da über den Umfang der freiwilligen Einlagensicherung noch diskutiert werde, könne der mit diesem Sicherungsfonds verbundene Aufwand noch nicht beziffert werden, erklärte von Moltke. In Marktkreisen gilt als Faustformel, dass allein die Deutsche Bank ein Viertel der Beiträge zur freiwilligen Einlagensicherung zu schultern hat. Zum Zweiten rächt sich nun auch eine voreilige Wette der Bank darauf, dass das Zielvolumen des EU-Bankenabwicklungsfonds auf 55 Mrd. Euro festgelegt werde. Tatsächlich bewegt sich der in Abhängigkeit vom Einlagevolumen der Banken berechnete Umfang inzwischen vielmehr in Richtung 70 Mrd. Euro.
Aufsicht rügt Kontrollen
Insgesamt rechnet die Bank daher den Angaben zufolge mit einem Mehraufwand von 400 Mill. Euro. Hinzu kommen Mehrkosten wegen Investitionen in Kontrollsysteme. Wie im Zwischenbericht zu lesen ist, haben die Aufsichtsbehörden dem Institut signalisiert, „dass sie ein noch höheres Tempo und eine höhere Qualität bei der Verbesserung unserer Kontrollen erwarten“. Im April hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Bank verpflichtet, ihre internen Kontrollen zu verstärken und Sorgfaltspflichten einzuhalten. Die Anordnung beziehe sich auf den sogenannten Regelprozess bei der Überprüfung von Kundendaten und erstrecke sich zusätzlich auf das Korrespondenzbankgeschäft und die Transaktionsüberwachung, heißt es im Zwischenbericht. Die Maßnahmen beträfen vor allem die Unternehmensbank, die Investmentbank und das Geschäft mit den besonders vermögenden Privatkunden in der Internationalen Privatkundenbank.
Von Moltke zufolge hat die Bank bereits Planungen begonnen, wie sie den Kostenauftrieb eindämmen kann. Als mögliche Aktivitäten nannte er eine Glättung von Prozessen, das Management des Immobilienbestands der Bank sowie die Beschäftigung mit Lehren aus der Pandemie. Dies ähnelt den Feldern, die Konzernchef Christian Sewing Ende vergangenen Jahres nannte, als die Bank das Kostenziel verschärft hatte. Er hatte zudem die Kosten der Abbaueinheit sowie konkret Reisekosten erwähnt.
Dass die Bank an ihrem absoluten Kostenziel nicht festhalten will, ist auch mit einer erfreulichen Ertragsdynamik zu erklären. So rechnet das Institut inzwischen mit höheren Erträgen als noch beim Investorentag im Dezember 2020 prognostiziert und schätzt zudem „einen erheblichen Teil des Ertragswachstums seit 2019 als nachhaltig ein“, wie es mitteilt. Aus dem nunmehr obsoleten Kostenziel von 16,7 Mrd. Euro und den angekündigten Mehrkosten von 400 Mill. Euro lässt sich anhand der angepeilten Aufwandsquote von 70% für 2022 leicht ein Ertragsziel von 24,2 Mrd. Euro errechnen, wie von Moltke darlegte.
Zinsdruck schwindet
Die Belastungen durch das Zinsumfeld dürften sich in den kommenden Quartalen schrittweise verringern, wie das Institut zudem erklärte. Überdies erwarte die Bank nurmehr eine Risikovorsorge im Kreditgeschäft von etwa 20 Basispunkten des durchschnittlichen Kreditvolumens, weniger als bisher prognostiziert. Zu Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr hatte von Moltke mit 35 bis 45 Basispunkten kalkuliert. In den ersten beiden Quartalen dieses Jahres indes lag das Niveau der Rückstellungen jeweils niedriger als in jedem der acht Quartale zuvor (siehe Grafik). Den unerwartet glimpflichen Verlauf der pandemiebedingten Belastungen begründete der Manager am Mittwoch unter anderem damit, dass der wirtschaftliche Einbruch kurz ausgefallen sei, die Kapitalmärkte offen geblieben seien und die Geldpolitik stark unterstützend wirke. Man sehe „keine Klippe“, sagte er mit Blick auf die nähere Zukunft.
Neben einer kräftig sinkenden Risikovorsorge haben im zweiten Quartal Kostenreduktionen sowie nicht zuletzt eine knapp 300 Mill. Euro schwere Verbesserung aus der Fair-Value-Bilanzierung der Bank einen Gewinnsprung ermöglicht. Binnen Jahresfrist hat sich das Vorsteuerergebnis auf 1,17 Mrd. Euro gut versiebenfacht. Analysten hatten im Konsens gerade einmal 797 Mill. Euro prognostiziert. Nach einem überdurchschnittlich starken Vorjahresquartal, als der Beginn der Covid-19-Pandemie hektische Aktivitäten an den Märkten ausgelöst und die Kasse der Investmentbank hatte klingeln lassen, sanken die Einnahmen um nur 0,8% auf 6,238 Mrd. Euro. Dies sind knapp 200 Mill. Euro mehr als im Markt erwartet. Allerdings trugen zu diesem Resultat der Posten Sonstiges & Konsolidierung sowie eine Reduktion negativer Erträge aus der Abbaueinheit bei – operativ zeigt sich das Bild durchmischt. Während die Erträge im Assetmanagement binnen Jahresfrist um 14% und in der Privatbank um 3% anzogen, gaben sie in der Investmentbank um 11% sowie in der Unternehmensbank um 8% nach. Im Falle der Unternehmensbank erklärt das Management dies mit einem Rückgang episodischen Geschäfts, etwa in Form sinkender Erträge aus Versicherungen.
Massengeschäft schreibt rot
Die Investmentbank hat dabei ungeachtet ihres Ertragsrückgangs mit 1,047 Mrd. Euro vor Steuern 7% mehr als im Vorjahreszeitraum und zugleich rund zweieinhalbmal so viel verdient wie die drei übrigen operativen Sparten zusammen. Das Ergebnis der Unternehmensbank hat sich infolge einer zehnprozentigen Reduktion des Verwaltungsaufwands, im Lichte von Stellenabbau, aber auch geringer Rechtskosten, binnen Jahresfrist von 78 Mill. auf 246 Mill. mehr als verdreifacht. Dagegen verharrt die Privatkundenbank mit einem Bruttoverlust von 11 Mill. nach minus 257 Mill. Euro im Vorjahreszeitraum in den roten Zahlen. Wie die Bank darlegt, hat das Urteil des Bundesgerichtshofes zur Zustimmungsfiktion bei Gebührenerhöhungen das Ergebnis mit 222 Milll. Euro belastet. Die Privatkundenbank hat demnach allein für Rechtsstreitigkeiten, vornehmlich mit Blick auf Gebührenrückerstattungen, Rückstellungen von 128 Mill. Euro gebildet.
Deutsche Bank | ||||
Kennzahlen nach IFRS | 2. Quartal | 1. Halbjahr | ||
in Mill. Euro | 2021 | 2020 | 2021 | 2020 |
Zinsüberschuss | 2 658 | 3 089 | 5 459 | 6 340 |
Risikovorsorge im Kreditgeschäft | 75 | 761 | 144 | 1 267 |
Zinsüberschuss nach Risikovorsorge | 2 584 | 2 327 | 5 315 | 5 073 |
Provisionsüberschuss | 2 574 | 2 227 | 5 313 | 4 666 |
Ergebnis aus Fair-Value-Bewertung finanzieller Vermögenswerte/Verpflichtungen | 995 | 702 | 2 320 | 1 097 |
Ergebnis aus Umwidmung von zu fortgeführten Anschaffungskosten bewerteten Assets | 0 | 171 | 0 | 232 |
Ergebnis aus nach der Equity-Methode bilanzierten Beteiligungen | 40 | 45 | 64 | 60 |
Sonstige Erträge | − 51 | − 9 | 184 | 56 |
Personalaufwand | 2 551 | 2 645 | 5 183 | 5 334 |
Sachaufwand und sonstiger Aufwand | 2 361 | 2 599 | 5 287 | 5 474 |
Restrukturierungsaufwand | 86 | 123 | 102 | 197 |
Verwaltungsaufwand insgesamt | 4 998 | 5 367 | 10 572 | 11 006 |
Ergebnis vor Steuern | 1 165 | 158 | 2 754 | 364 |
Steuern | 338 | 97 | 889 | 238 |
Nettogewinn | 828 | 61 | 1 865 | 126 |
Minderheitsanteile | 3 3 | 32 | 69 | 5 6 |
Den Deutsche-Bank-Aktionären zurechenbares Konzernergebnis | 795 | 28 | 1 796 | 71 |
Ergebnis je Aktie (verwässert, Euro) | 0,2 | − 0,15 | 0,67 | − 0,13 |
durchschnittliche Eigenkapitalrendite nach Steuern (%) | 5,5 | − 0,6 | 6,5 | − 0,5 |
Aufwand-Ertrag-Relation (%) | 80,1 | 85,4 | 78,5 | 87,1 |
Bilanzsumme (Mrd. Euro) | 1 320 | 1 407 | 1 320 | 1 407 |
harte Kernkapitalquote (CET1, fully loaded), in Prozent zum Periodenende | 13,2 | 13,3 | 13,2 | 13,3 |
Leverage Ratio (fully loaded), in Prozent | 4,8 | 4,2 | 4,8 | 4,2 |
Mitarbeiter (Vollzeitäquivalent) | 83 797 | 86 824 | 83 797 | 86 824 |
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