Neupositionierung

Deutsche Bank sucht ihre Rolle noch

Seit seinem Amtsantritt versucht Vorstandschef Christian Sewing, die Deutsche Bank in ihrem Heimatmarkt neu zu positionieren. Ganz gelungen ist dies bislang nicht.

Deutsche Bank sucht ihre Rolle noch

Nachdem sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren eine durchaus bemerkenswerte betriebswirtschaftliche Restrukturierung hingelegt hat, feilt die Deutsche Bank auch an ihrem gesellschaftlichen Profil. Das macht sich nicht nur in staatsmännischen und bisweilen von selbstkritischer Reflexion ge­prägten Reden von Vorstandschef Christian Sewing bemerkbar, sondern auch darin, dass er sich zusätzlich zu seinem Amt als Präsident des deutschen Bankenverbands an die Spitze der European Banking Federation wählen ließ. Die Botschaft ist klar: Die Deutsche Bank ist wieder wer, auch wenn die Börsenbewertung dies noch nicht widerspiegelt.

Dieses Bestreben ist in doppelter Hinsicht nachvollziehbar. Zum einen, weil die schmähliche Vernachlässigung ihres Heimatmarktes zu den Fehlern der Vergangenheit gehört, mit denen Sewing seit seinem Amtsantritt aufzuräumen versucht. Nach der Übernahme der US-Bank Bankers Trust, mit der sie 1999 in das Investment Banking einstieg, schien es lange, als ob die Deutsche Bank nur noch in den ganz großen Kategorien denken könnte. Der Zusammenschluss ist oft als Reverse Takeover gedeutet worden, ein umgekehrter Zusammenschluss, bei dem die Investmentbanker das Steuer übernahmen. In dem Bemühen, sich ein Image aufzubauen, das mit der aus Sicht der neuen, zumeist angelsächsischen Herrscher piefigen Heimat möglichst wenig zu tun hatte, verschreckte die Deutsche Bank viele Mittelständler.

Zum anderen ist das neue Bedürfnis der Deutschen Bank, Stellung zu beziehen in gesellschaftlichen und geopolitischen Debatten, auch deshalb verständlich, weil ihr Verhältnis zu Politik und Aufsichtsbehörden in der Finanzkrise unter die Räder geraten ist. Mit einem unangemessen großspurigen Auftritt zerrüttete die Deutsche Bank das einst vergleichsweise enge und von Respekt geprägte Verhältnis.

Der Versuch, dieses Verhältnis durch staatstragende Reden und bisweilen selbstkritische Reflexion zu kitten, ist in den vergangenen Tagen mehrfach an Grenzen gestoßen. Erst durch die nicht durch Fakten unterlegten Vorwürfe, die Fabrizio Campelli, Chef der Unternehmens- und Investmentbank, den US-Wettbewerbern der Deutschen Bank in einem Interview machte. Die Wall-Street-Banken tendierten dazu, ihre Kreditangebote je nach Marktumfeld hoch- und runterzuschrauben, sagte er den Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters. Damit gab er nicht nur das Abbild eines schlechten Verlierers, angesichts des beinahe verdoppelten Marktanteils, den die US-Anbieter sich in Deutschland erarbeitet haben, sondern erweckte auch den Eindruck, das auch dem Bankwesen innewohnende marktwirtschaftliche Prinzip nicht wirklich durchdrungen zu haben.

Wenige Tage später sorgte Sewing auf einer Branchenkonferenz für Aufsehen, indem er die europäische Bankenaufsicht wegen der Sanktionierung des Leveraged-Finance-Geschäfts ungewöhnlich scharf anging. Dass er in derselben Rede die Aussagen seines Vorstandskollegen Campelli relativierte und mit Blick auf den US-Wettbewerb versöhnliche Töne anschlug, lässt tief blicken. Die Deutsche Bank, so scheint es, hat ihre neue Rolle in ihrem deutschen beziehungsweise europäischen Heimatmarkt noch immer nicht gefunden.

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