VON DER IWF-JAHRESTAGUNG

Deutsche Banken machen mobil gegen EU-Aufsichtspläne

BVR-Vorstand Hofmann: Keine Super-Kompetenz für EU-Behörden - Sorge um harte Linie Berlins bei Einlagensicherung - Forderungen nach raschem EZB-Exit

Deutsche Banken machen mobil gegen EU-Aufsichtspläne

Von Mark Schrörs, zzt. WashingtonDie deutsche Kreditwirtschaft macht massiv Front gegen die Pläne der EU-Kommission zur Reform der EU-Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) – und speziell gegen eine Art Super-Kompetenz der ESAs gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden. “Die EU-Kommission schlägt einen Kurs ein, der in hohem Maße kontrovers bleiben wird”, sagte Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), der Börsen-Zeitung am Rande der Jahrestagungen der Bankenlobby IIF und des IWF am Wochenende in Washington. Mehr Bürokratie und KostenÄhnlich äußerte sich in Washington der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer: “Einen undifferenzierten Machtzuwachs der europäischen Aufsichtsbehörden, wie sie die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission vorsehen, halten wir für eine schlechte Idee.” Mit den Vorschlägen seien erhebliche Mehrkosten für das gesamte Aufsichtssystem zu erwarten – “Kosten, die bei den Banken und ihren Kunden landen werden”, so Kemmer.Die EU-Kommission hatte im September einen Legislativpakt präsentiert, um die Aufgabenverteilung, Steuerung und Finanzierung der ESAs neu zu justieren (vgl. BZ vom 21. September). Die drei europäischen Regulierer – die EBA für Banken mit Sitz in London, die EIOPA für Versicherer mit Sitz in Frankfurt sowie die ESMA für den Kapitalmarkt mit Sitz in Paris – sollen gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden gestärkt werden. Brüssel verspricht sich davon eine stärkere Integration der Kapitalmärkte in Europa.BVR-Vorstandsmitglied Hofmann kritisierte, dass die Vorschläge der Kommission auf “mehr Bürokratie, mehr Marktferne und potenziell hohe Mehrkosten für alle Länder” hinausliefen. “Die Tendenz zur Zentralisierung in Europa, auch da, wo es nicht erforderlich wäre, trifft auf Widerstand in der deutschen Kreditwirtschaft, und sie kann auch nicht im Interesse der nationalen Aufsichtsbehörden liegen”, sagte Hofmann der Börsen-Zeitung. Auch Kemmer bemängelte, die Pläne gingen “zulasten einer gut arbeitenden nationalen Aufsicht”.Ähnlich wie bei Hofmann stößt auch bei Kemmer insbesondere die geplante “Super-Kompetenz” für die ESAs auf Kritik. “Die nationalen Finanzmärkte und ihre Aufsichtsstrukturen sind aus guten Gründen sehr unterschiedlich”, so Kemmer: “Die ESAs kennen die jeweiligen Märkte nicht hinreichend.”Der BdB kritisierte in Washington zudem das Zusammenwirken der einzelnen Regulierungsebenen in Europa. Europäische Rechtsakte von Rat und Parlament auf der einen und die Detailarbeit der ESAs auf der anderen Seite müssten besser verzahnt werden. Die konkrete Forderung: Neue Verordnungen und Richtlinien zur Bankenabwicklung sollten erst dann Anwendung finden, wenn die zugehörigen delegierten Rechtsakte auf der zweiten Ebene veröffentlicht wurden und die Institute ausreichend Zeit zur Umsetzung der Regelungen erhalten haben. Idealerweise, so der BdB, sollte diese Zeit neun Monate ab Veröffentlichung der delegierten Rechtsakte betragen.Die Kreditwirtschaft untermauerte in Washington auch ihre Ablehnung der Kommissionspläne für eine einheitliche Einlagensicherung (European Deposit Insurance Scheme, EDIS). Die EU-Kommission hatte vor wenigen Tagen einen neuen Vorstoß gemacht und als Kompromiss eine schrittweise Einführung einer europäischen Einlagensicherung vorgeschlagen. In einer ersten Stufe sollen sich die Länder zunächst auf die Einrichtung einer reinen Rückversicherung konzentrieren.”EDIS soll den Einstieg in eine de facto unbegrenzte Haftung der Banken für fremde Verbindlichkeiten begründen, und zwar ohne jegliche Vorbedingung und trotz grundlegend unterschiedlicher Risikolage in den Ländern der Eurozone”, sagte Hofmann: “EDIS darf politisch nicht als vermeintlich für den Staat budgetneutraler Ersatz für mangelnde Fortschritte auf dem Weg zu einer politischen Union in Europa gesehen werden.” Hofmann zeigte sich besorgt, dass die Bundesregierung ihre bisher konsequente Linie bei dem Thema, zunächst auf die Erfüllung von Vorbedingungen zu bestehen, im Laufe der Verhandlungen aufgeben könnte, wenn es in gemeinsamen Bemühungen mit Frankreich darum gehe, Europa voranzubringen. “Berlin darf die Einlagensicherung nicht opfern”, sagte Hofmann.Auch Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon sprach sich in Washington klar gegen eine “zwangsweise Vergemeinschaftung” der Einlagensicherung in Europa aus. BdB-Hauptgeschäftsführer Kemmer sagte in der US-Kapitale, dass sein Verband dem Fernziel wohl grundsätzlich offener gegenüberstehe als die Genossenschaftsbanken und die öffentlichen Sparkassen und Landesbanken. Einig seien sich aber alle, dass die Voraussetzungen aktuell nicht erfüllt seien.”Bereits der Einstieg in ein Rückversicherungssystem in Form der gesetzlich erzwungenen Kreditvergabe an illiquide Einlagensicherungen in Europa wäre ein Quantensprung in der Risikoteilung. Es ist unverständlich, weshalb die Kommission hierfür keinerlei Vorbedingungen für erforderlich hält und offenbar die Unterschiede in den Risiken der Bankensysteme ausblendet”, sagte Hofmann. Er kritisierte, dass die Interessen deutscher Einleger da offenbar kaum eine Rolle spielten. Negativzinsen aus der ZeitUnisono forderten die deutschen Bankenverbände in Washington erneut einen zügigen Ausstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) aus der ultralockeren Geldpolitik samt der breiten Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE). “Es ist an der Zeit, dass die EZB nun die Exit-Tür findet und erklärt, wann sowie in welcher Weise sie hindurchgeht”, sagte Hofmann. Die EZB solle auch schon im Jahr 2018 die Leitzinsen erhöhen. “Insbesondere die Negativzinsen erscheinen zunehmend fragwürdig vor dem Hintergrund der erkennbaren Dynamik des Wachstums in Europa”, sagte Hofmann.Auch BdB-Hauptgeschäftsführer Kemmer kritisierte insbesondere den negativen Einlagenzins der EZB von aktuell – 0,4 %. Dieser wirke auf die Banken im Euroraum wie eine Strafsteuer. Aktuell koste das die Institute monatlich rund 500 Mill. Euro – “Geld, das an anderer Stelle fehlt”, wie Kemmer sagte: “Es wäre sehr viel sinnvoller, wenn die Banken es dafür nutzen könnten, ihre Bilanzen weiter zu stärken und in die Digitalisierung zu investieren.””Die EZB sollte das 2 %-Inflationsziel in der aktuellen Situation nicht als Alibi gegen eine Normalisierung der Geldpolitik verwenden”, sagte Hofmann. Die ultralockere Geldpolitik schwäche zunehmend den Finanzsektor und verzerre die Finanzmärkte sehr viel stärker, als dies beispielsweise in den USA aufgrund des dortigen QE-Programms der Fall gewesen sei, betonte er. Die EZB dürfe sich auch nicht abhängig machen von politischen Risiken und beispielsweise den Wahlen in Italien im Frühjahr 2018. Hofmann: “Wenn sich eine Notenbank von dem Ausgang von politischen Wahlen abhängig macht, hat sie ihre Unabhängigkeit schon verloren.”