Kreditwirtschaft

Deutsche Banken zeigen sich resilient

Die deutsche Kreditwirtschaft ist auf Erfolgskurs. Der Gewinn erhöhte sich zuletzt deutlich. Eine Krise ist unwahrscheinlich.

Deutsche Banken zeigen sich resilient

Im internationalen Vergleich zählen die deutschen Banken weder zu den größten noch zu den profitabelsten Instituten weltweit. Doch gegenüber den aktuellen makroökonomischen und geopolitischen Herausforderungen sind sie aus vielerlei Gründen gut gerüstet. Derzeit ist die deutsche Kreditwirtschaft auf Erfolgskurs: Der Gewinn vor Steuern erhöhte sich im vergangenen Geschäftsjahr von 14,3 Mrd. Euro auf 27,1 Mrd. Euro – und lag damit weit oberhalb des langfristigen Mittels von 18,0 Mrd. Euro. Zuletzt wurde ein derartiges Niveau 2017 erreicht, schreibt die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht für September.

Bemerkenswert ist dabei, dass diese Ergebnisverbesserung nicht nur auf eine geringere Risikovorsorge aufgrund der abklingenden Auswirkungen der Corona-Pandemie zu­rückzuführen ist. Sie steht vielmehr auf einem breiten Fundament: Die deutschen Banken erzielten 2021 ein kräftiges Wachstum beim Wertpapiergeschäft mit Kunden, beim Zahlungsverkehr, im Vermittlungsgeschäft, in der Vermögensverwaltung und bei den Gebühren für Dienstleistungen – und das in allen drei Säulen des deutschen Banksystems von den Großbanken über die Sparkassen bis zu den Genossenschaftsbanken.

Trotz deutlich verschlechterter Rahmenbedingungen und einer drastisch verschlechterten Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich diese hohe Profitabilität der Kreditwirtschaft im ersten Halbjahr 2022 fortgesetzt. Nicht wenige Institute meldeten sogar Rekordwerte. Und auch für das dritte und vierte Quartal 2022 äußern sich viele deutsche Banken noch optimistisch – nicht zuletzt aufgrund eines durch die Zinswende zu erwartenden kräftigen Anstiegs der Nettozinserträge.

Belastung voraus

Ob sich die insgesamt gute Ertragslage im kommenden Jahr fortsetzen wird, ist allerdings fraglich. Denn abzusehen ist, dass es 2023 zu einer Belastungsprobe kommen wird. Die drohende Rezession, der Ukraine-Krieg und die weitere Entkopplung zwischen den USA und China werden zunehmend auch die wirtschaftliche Situation der deutschen Banken belasten. Zu rechnen ist daher kurz- und mittelfristig mit einer anhaltend hohen Marktvolatilität.

Anzeichen hierfür sind bereits zu erkennen: So beeinträchtigen die schlechten Wirtschafts- und Konjunkturaussichten, die steigenden Zinsen und die zahlreichen Unsicherheiten die Nachfrage im Firmen­kundengeschäft und in der Immobilienfinanzierung. Und auch die Nettozuflüsse im deutschen Assetmanagement sowie die Einlagen im Retailgeschäft gehen aufgrund der gestiegenen Energie- und Konsumkosten der Privathaushalte spürbar zurück.

Stabil aufgestellt

Sind aufgrund dieser Zukunftsaussichten Verwerfungen oder gar Krisen im deutschen Banksektor zu erwarten? Nein, sehr wahrscheinlich nicht. Denn die deutschen Banken verfügen – insbesondere im Vergleich zur Finanzkrise 2008 – heute über eine gut ausgestattete Kapitaldecke. Außerdem haben sie in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten zur Digitalisierung intensiviert und so die Kosteneffizienz und Flexibilität in ihren operativen Prozessen – und in diesem Zusammenhang auch ihre Cybersicherheit – erhöht.

Darüber hinaus wurde das Risikomanagement Schritt für Schritt ausgebaut und verfeinert. Das Ergebnis: In den jüngsten Stresstests von BaFin und Bundesbank schnitten die deutschen Banken und Sparkassen insgesamt sehr gut ab.

Zur hohen Resilienz trägt auch bei, dass die Corona-Risikovorsorge bislang nur zum Teil wieder aufgelöst wurde. Zahlreiche Sicherheitspuffer stehen daher zur Verfügung. Auch Sondereffekte wie die gezielten länger­fristigen Refinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank werden sich noch einige Jahre positiv auf die Ertragssituation der Banken auswirken. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass der Markt für Bankdienstleistungen in Deutschland von einem geringen Konzentrationsgrad, einem wachsenden Wettbewerb durch internationale Akteure innerhalb und außerhalb des Bankensektors und von hohen Kosten geprägt ist.

Auf Augenhöhe zu US-Banken

Zur weiteren Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der deutschen Institute ist eine stärkere Konsolidierung essenziell. Auf europäischer Ebene kann dies durch das weitere Voranbringen der Bankenunion und auch Kapitalmarktunion erreicht werden. Denn dies böte deutschen und anderen europäischen Banken einen signifikant vergrößerten und vertieften Markt und ein neues Level Playing Field, auf dem sie amerikanischen und europäischen Wettbewerbern entgegentreten können.

Um sich zukunftssicher aufzustellen, sollten sich die deutschen Banken intensiv mit den wichtigsten Makrotreibern ihrer Geschäftsmodelle auseinandersetzen und diesen auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene höchste Aufmerksamkeit einräumen. Zu diesen Treibern zählen zunächst die gewaltigen geopolitischen Veränderungen: Sie führen dazu, dass sich die Welt mehr und mehr in separate wirtschaftliche Sicherheitszonen mit eigenen Technologien und Standards aufteilt. Diese Auswirkungen treffen die Banken sekundär durch ihr Exposure gegenüber betroffenen Kunden. Entsprechend ist es jetzt für Banken notwendig, das Risikomanagement und das Produktportfolio zu erweitern.

Vor allem der Wandel in den Instituten zu einem nachhaltigen Ge­schäft muss vor diesem Hintergrund neu gedacht und gesteuert werden, wie wir vor kurzem in unserem Paper „Neue geopolitische Herausforderungen bei der ESG-Transformation: Ein 10-Punkte-Plan für Banken“ analysiert haben. Aufgrund der Exportorientierung der deutschen Wirtschaft werden die deutschen Banken weit stärker als Institute anderer Länder von dieser Neuordnung be­troffen sein.

Ähnlich tiefgreifende Veränderungen sind mit Blick auf die Nachhaltigkeitstransformation zu erwarten. ESG-Themen müssen daher auf die strategische Agenda der Banken nach ganz oben rücken. Denn sie verändern die Wirtschaft als Ganzes und haben durch die geopolitischen Spannungen zusätzlich an Dynamik gewonnen. Eine abwartende Haltung wird die Zukunftsfähigkeit zahlreicher Geschäftsmodelle im Bankensektor gefährden.

Fintechs machen es vor

Von zentraler Bedeutung ist außerdem die Digitalisierung der Branche: Sie hat das Potenzial, die eigene Effizienz und Flexibilität wesentlich zu verbessern und gleichzeitig die Kundenbeziehungen zu stärken. Die Erwartungen der Kunden an ihrer Bank werden weiter steigen. Es reicht nicht mehr aus, jederzeit verfügbar zu sein oder die Prozesse möglichst zu verschlanken. Es geht darum, die individuellen Kundenbedürfnisse entlang der kompletten Customer Journey abzubilden. Ein Blick auf die Welt der Neobanken und Fintechs zeigt, was möglich­ ist.

Zuletzt erschienen:

Schweizer Banken im Hypotheken-Albtraum (25. Oktober)

Rezession schreckt US-Häuser nicht (22. Oktober)

Brutaler Test für britische Banken (19. Oktober)