McKinsey-Studie

Deutsche Fintech­branche hat Aufhol­potenzial

Im deutschen Fintech-Sektor finden die Berater von McKinsey in einer Studie einige Defizite. Trotzdem sind sie überzeugt, dass in Fintechs genug Potenzial schlummert, um zu einer Renaissance des deutschen Finanzsektors beizutragen.

Deutsche Fintech­branche hat Aufhol­potenzial

bg Frankfurt

Die Unternehmensberatung McKinsey hat den deutschen Fintech-Sektor unter die Lupe genommen und beim Benchmarking festgestellt, dass sich im europäischen Vergleich einiges an Aufholpotenzial ergibt. Würde Deutschlands Fintech-Ökosystem bei Gründungsquote und Investitionen zu Großbritannien, Schweden und den Niederlanden aufschließen, könnte der Sektor den Standort Deutschland wesentlich stärken, heißt es in einer Mitteilung vom Montag. Die kumulierte Bewertung des Fintech-Sektors könnte um mehr als 280 Mrd. Euro gesteigert werden, zudem könnten rund 60000 Arbeitsplätze der nächsten Generation entstehen, so die Erwartung der Experten für den Fall, dass langfristig das volle Potenzial realisiert würde.

Die drei Problemfelder: Weniger Gründungen, geringere Investitionssummen und kaum Skalierung im EU-Vergleich. Zudem verschlechtert sich das Umfeld für den deutschen Fintech-Sektor, da der Zugang zu Finanzierungen schwieriger wird und Bewertungen zurückgehen, heißt es in der Studie „Europäische Fintech-Champions – Made in Germany“. Trotz dieser Eintrübungen sehen die Experten einen positiven Trend im Fintech-Ökosystem Deutschlands: „Fintechs gewinnen an Relevanz für unsere Gesellschaft und werden die Finanz-Ökosysteme immer stärker prägen“, so Max Flötotto, Senior Partner im Münchener Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie.

Dabei entwickelt sich Fintech zum Jobmotor in Deutschland: Allein von 2019 bis 2021 verzeichneten die zehn führenden Fintechs in Deutschland ein Beschäftigungswachstum von 60 %, heißt es in der Studie. Nach Ansicht von McKinsey wäre sogar noch viel mehr möglich, da Marktchancen insbesondere in B2B nicht ausgereizt würden. Denn bisher konzentrierten sich deutsche Fintechs stark auf das Geschäft mit Privatkunden (B2C), was der B2C-Fokus von fünf der sieben Fintech-Unicorns in Deutschland bestätigt. „In Zukunft könnten Fintechs vermehrt B2B-Finanzdienstleistungen revolutionieren und weitere Bereiche erschließen, etwa die Monetarisierung von Bank- und Marktdaten sowie Megatrends wie nachhaltige Investitionen“, sagt André Jerenz, Partner im Hamburger Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie.

Allerdings befindet sich Deutschland nicht in der Top-Position verglichen mit anderen Ökosystemen. Bei der Zahl der Gründungen pro Kopf liegt Deutschland mit sieben Fintechs pro eine Million Einwohner im unteren europäischen Mittelfeld hinter Irland und Schweiz (jeweils 30), Großbritannien (26), Schweden (23) oder den Niederlanden (15). Auch beim Funding besteht trotz einer Verzehnfachung der Fintech-Investitionen von 2016 bis 2021 auf 39 Euro pro Einwohner noch ein Delta zu führenden Märkten wie Schweden (170 Euro), Großbritannien (153 Euro) oder den USA (127 Euro). Und auch bei der Skalierung hapert es: Deutschland habe zwar aktuell mehr Fintechs mit einem Unternehmenswert zwischen 50 Mill. und 1 Mrd. Dollar (ca. 50) als Frankreich (ca. 40), Schweden (ca. 30) oder die Niederlande (ca. 30), aber beim Wachstum jenseits der 1 Mrd. Dollar gebe es Schwierigkeiten, heißt es. Mit der gleichen Pro-Kopf-Quote wie in den USA (0,53) oder in Großbritannien (0,43) müsste es in Deutschland mehr als 30 Fintech-Einhörner geben, so die Berechnungen.

Um das Potenzial besser auszuschöpfen, sei eine klar definierte programmatische Agenda erforderlich, an deren Umsetzung sich alle Stakeholder aktiv beteiligen müssten, fordert Eckart Windhagen, Senior Partner im Frankfurter Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie. Die Berater sehen in Fintech eine große Chance für eine „Revitalisierung des deutschen Finanzsektors“.

Vor dem Hintergrund, dass sich kein einziges deutsches Finanzinstitut mehr unter den 50 größten Banken weltweit befinde, nähre eine beschleunigte Entwicklung von Fintech die Hoffnung auf eine „Renaissance des deutschen Finanzsektors, der sich wieder zu einem internationalen Innovations- und Wachstumsmotor entwickeln könnte“, heißt es in der Studie. Und für die Positionierung im internationalen Wettbewerb gelte es nun, das nationale Ökosystem mit seinen standortspezifischen Faktoren zu stärken.

Wertberichtigt Seite 6

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