Im GesprächJürgen Baudisch, SEB Deutschland

„Deutschland wird zunehmend als Bremser wahrgenommen“

Die SEB Deutschland hat sich vorgenommen, neue Firmenkunden zu gewinnen und bestehende Beziehungen zu vertiefen. Weiter wachsen will die Gesellschaft auch in den Märkten Österreich und Schweiz sowie in der Transformationsfinanzierung. Hier wünscht sich Landeschef Jürgen Baudisch mehr Innovationsfreundlichkeit und weniger Bürokratie.

„Deutschland wird zunehmend als Bremser wahrgenommen“

Im Gespräch: Jürgen Baudisch

„Deutschland wird zunehmend als Bremser wahrgenommen“

SEB-Länderchef wirbt für mehr Offenheit bei grünen Technologien – Weiteres Wachstum angepeilt

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Die SEB Deutschland hat sich vorgenommen, neue Firmenkunden zu gewinnen und bestehende Beziehungen zu vertiefen. Weiter wachsen will sie auch in Österreich und Schweiz sowie in der Transformationsfinanzierung. Hier wünscht sich Landeschef Jürgen Baudisch mehr Innovationsfreude und weniger Bürokratie.

Für die nächsten Jahre peilt die SEB Deutschland bei den Erträgen ein Wachstum im oberen einstelligen Prozentbereich an. Der Gewinn werde voraussichtlich etwas stärker als die Erträge steigen, so die Erwartung. „Als strategisches Ziel haben wir uns gesetzt, über die für 2024 erwarteten Erträge hinaus innerhalb der nächsten sieben bis zehn Jahre zwei Drittel mehr einzunehmen“, sagt Jürgen Baudisch im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Mit absoluten Zahlen hält sich der CEO der deutschen Zweigniederlassung der schwedischen Großbank zurück. Aus dem Geschäftsbericht der in 20 Staaten präsenten schwedischen Bankengruppe geht hervor, dass die SEB in Deutschland im vergangenen Jahr 7,6 Mrd. skr (670 Mill. Euro) an Erträgen erwirtschaftet und einen Vorsteuergewinn von 1,6 Mrd. skr (141 Mill. Euro) erzielt hat. Das entspricht rund 3% des Konzernergebnisses vor Steuern in Höhe von umgerechnet 4,24 Mrd. Euro. Hierzulande beschäftigt die Bank 230 Mitarbeiter in der Zentrale in Frankfurt und in München.

Mit dem bisherigen Jahresverlauf zeigt sich Baudisch, der seit 25 Jahren bei der SEB tätig ist und seit 2022 als CEO und Country Head für Deutschland fungiert, zufrieden. „Wir sind bislang in diesem Jahr zweistellig gewachsen, sowohl bei den Erträgen als auch beim Gewinn.“ Auch 2023 sei „über alle Bereiche“ ein sehr gutes Jahr gewesen. Die SEB bespielt hierzulande vier große Segmente: Corporate Banking, Institutional Banking, Financial Sponsors sowie Private Wealth Management & Family Office.

Corporate-Markt weiter ausschöpfen

Als Wachstumstreiber führt Baudisch mehrere Faktoren an. „Wir haben innerhalb unseres Corporate-Banking-Zielmarkts noch nicht sämtliche Adressen ausgeschöpft.“ SEB nimmt sich ihm zufolge Unternehmen ab 1 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr vor, in Ausnahmefällen auch mal weniger. In Deutschland seien etwa 1.000 Unternehmen ansässig, die in diese Kategorie fallen. „Auf diese 1.000 wenden wir Filter an, und die verbleibenden Unternehmen definieren wir als Zielmarkt“, führt Baudisch aus. „Von diesen wiederum zählen wir aktuell etwas weniger als die Hälfte als Kunden.“

Zudem könnten Beziehungen vertieft werden: „Geschäftsbeziehungen im Corporate Banking sind langjährig. Auch hier herrscht noch enormes Wachstumspotenzial mit den bestehenden Kunden.“

Fall der Credit Suisse wirkt sich wenig aus

Als zusätzliche Treiber des Geschäfts nennt er die noch jungen Märkte Österreich und Schweiz. Seit dem vollständigen Markteintritt im Jahr 2020 seien die Erträge dort mehr als verdoppelt worden. Konkrete Zahlen nennt er nicht. „Wir liegen über unseren Ertragsplänen, was Österreich und die Schweiz betrifft.“ Insbesondere in der Schweiz sei es ertragsmäßig sehr gut gelaufen, was Baudisch zufolge aber nur wenig auf den Untergang der Credit Suisse zurückführen sei. „Ich hätte mir mehr Dynamik für unser Geschäft durch Credit Suisse erhofft.“

Beim Einlagenvolumen habe es sich immerhin ein Stück weit bemerkbar gemacht, habe SEB doch einen großen Kunden in der Schweiz hinzugewonnen, der nach dem Zusammenbruch von einer der beiden Schweizer Großbanken offenbar Wert auf Diversifikation gelegt hat.

Künftig auch mit Repräsentanz in Zürich

Der Geschäftsbereich Private Wealth Management und Family Office unter Leitung von Thilo L. Zimmermann habe festgestellt, dass es aus den nordischen Ländern, und dort vor allem aus Norwegen, viele wohlhabende Kunden in die Schweiz verschlage. „Deshalb haben wir beschlossen, in der Schweiz eine Tochterfirma zu gründen, die Non-Financial Services anbietet. Das 1856 Family Office wird in Zukunft auch als Repräsentanz der SEB genutzt.“

Der Züricher Standort mit zunächst zwei bis drei Beschäftigten bietet in der Schweiz ansässigen Unternehmerfamilien und Family Offices administrative und weitere nichtfinanzielle Dienstleistungen und stellt ihnen Büroflächen zur Verfügung. Über Deutschland, Österreich und die Schweiz hinaus stehe aktuell kein weiterer Markt auf der Agenda, sagt Baudisch.

SEB Kort schließt Kauf von Airplus ab

Investiert wurde in jüngster Zeit darüber hinaus in Umbauten der Büros am Deutschland-Hauptsitz in Frankfurt. Die Konzerntochter SEB Kort Bank, die Zahlungsdienstleistungen für Unternehmen anbietet, hat unterdessen den im vergangenen Jahr angekündigten Erwerb des Lufthansa-Finanzdienstleisters Airplus für 450 Mill. Euro Ende Juli abgeschlossen und eine neue Größe im Geschäft mit Firmenkarten geschmiedet.

Weiterhin profitiere SEB vom enormen Finanzierungsbedarf, um eine grüne Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. Das gelte sowohl für klassische Finanzierungen wie für das Kapitalmarktgeschäft, sagt Baudisch. Gerade bei Energieversorgern sei SEB bei Green-Bond-Transaktionen als Sustainability Advisor und Bookrunner in Erscheinung getreten.

ESG-Regulierung als Belastung

Viele Unternehmen seien dem 1,5%-Grad-Ziel verpflichtet, was auch an den langfristigen Investitionsplänen ablesbar sei, doch macht Baudisch eine gewisse Transformationsmüdigkeit aus, die auf wachsende Bürokratie zurückzuführen sei: „Ich merke, dass die Vielzahl der ESG-Reporting-Anforderungen, die ganze EU-Regulatorik und -Bürokratie auf größten Unwillen bei Unternehmen stößt. Das wird als unglaublich große Belastung wahrgenommen und führt zu einer negativen Konnotation eines an sich positiv besetzten Themas.“

Auch die SEB sei immer stärker bürokratischen Meldeprozessen unterworfen. „Dann gilt es, auf das Positive für unser Haus hinzuweisen: Nachhaltigkeit ist ein großer Wachstumstreiber, sowohl klassisches Bankkredit- als auch Kapitalmarktgeschäft und M&A-Transaktionen werden dadurch befeuert.“

Die zunehmende Zahl von Firmeninsolvenzen beunruhige ihn nicht, sagt er. Das Kreditbuch speise sich zu drei Vierteln aus Projektfinanzierungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie aus international tätigen Dax- und MDax-Unternehmen. Viele davon investierten auch. Dass sie das nicht unbedingt in Deutschland täten, sei zweitrangig, da die SEB Unternehmen international begleite.

Deutsche Skepsis gegenüber grünen Technologien

„Viele Unternehmen investieren eben im Ausland, denn Deutschland wird wirtschaftlich zunehmend als Bremser wahrgenommen.“ Das gelte auch für Technologien, sei es bei der Abscheidung von CO2 oder dem Entziehen aus der Atmosphäre, sei es bei der Frage des Umgangs mit Wasserstoff als grüner Technologie. „Aus Deutschland waren immer nur Bedenken zu hören. Das ist schade.“

Die Firmen seien zwar weiterhin aktiv und investierten, doch die Sorgen nähmen zu und Prioritäten verschöben sich. „Fragt man Unternehmensmanager, was ihre Agenda dominiert, antwortet kaum einer mit Klimawandel. Da gibt es ganz andere Themen wie etwa die geopolitische Lage.“

Besser abgestimmtes Vorgehen gewünscht

Baudisch würde sich ein konzertierteres Vorgehen wünschen, um die Dinge zum Besseren zu wenden. „Wie bekommen wir die Kapitalmarktunion in Europa hin? Welche Lenkungsmechanismen können wir einsetzen, um moderne Technologien voranzutreiben? Wie schaffen wir es, Banken und Investoren in der Transformationsfinanzierung zu fördern, zum Beispiel mit geringerer Eigenkapitalbelastung oder mit Garantien? Die Wahrnehmung, die vorherrscht, ist: Unternehmen und Banken müssen engmaschig überwacht werden, anstatt Innovationen zu entfesseln.“

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