LEITARTIKEL

Deutschlands starke Banken

Haben Sparkassen und Kreditgenossen gelernt, den Nullzins zu lieben? Bei den Bilanzpressekonferenzen ihrer Dachverbände DSGV und BVR konnte man fast glauben, die Spitzenleute Helmut Schleweis und Marija Kolak hätten ein Konfliktbewältigungsseminar...

Deutschlands starke Banken

Haben Sparkassen und Kreditgenossen gelernt, den Nullzins zu lieben? Bei den Bilanzpressekonferenzen ihrer Dachverbände DSGV und BVR konnte man fast glauben, die Spitzenleute Helmut Schleweis und Marija Kolak hätten ein Konfliktbewältigungsseminar bei Mario Draghi absolviert, so moderat fiel diesmal die Kritik an der aberwitzigen europäischen Geldpolitik aus. Nur der BdB scheint den Fortbildungskurs geschwänzt zu haben, ging der Verband der privaten Banken doch jüngst viel härter mit der EZB ins Gericht.Auch mancher regionale Sparkassenobere ließ in puncto Entschiedenheit keine Wünsche offen und betätigte sich nicht allein als Interessenvertreter seiner Mitgliedsinstitute, sondern auch als Anwalt der Sparer. Diese würden “weiter abgestraft”, monierte der baden-württembergische Verbandschef Peter Schneider. Sein Kollege in Hessen-Thüringen, Gerhard Grandke, brandmarkte die Zinspolitik, weil sie “wie eine gigantische Kapitalertragsteuer” wirke und “potenzielle Zinserträge der Privaten in staatliche Ersparnisse transformiert”. Eine Umverteilung zulasten der deutschen Sparer und zugunsten der öffentlichen Hand von 300 Mrd. Euro seit 2010!Allzu innig ist das Verhältnis zwischen der Kreditwirtschaft, die sich vor allem auch einer kolossalen transatlantischen Wettbewerbsverzerrung ausgesetzt sieht (Europas Banken zahlen für Einlagen Negativzinsen, die US-Konkurrenz bekommt von ihrer Notenbank Geld dafür), und der EZB also doch nicht. Aber zu lieben gelernt haben Banken und Sparkassen in der Tat den Nullzins auf der Passivseite. Je mehr dort mit der Zeit höher verzinste Einlagen fällig werden, umso schneller bewegt sich ihr Aufwand in Richtung Nulllinie. Bei den 875 Volks- und Raiffeisenbanken waren es im vorigen Jahr noch 3 Mrd. Euro. 2012, in dem Jahr, als die EZB den Satz ihrer Einlagefazilität zunächst auf 0,00 % senkte und Draghi sein “Whatever it takes” zum Besten gab, hatten die Kreditgenossen fast 11 Mrd. Euro an Zinsen gezahlt. Ihr Zinsüberschuss, für die Masse der deutschen Institute die mit Abstand ergiebigste Ertragsquelle, war zuletzt in absoluten Zahlen sogar etwas höher als sechs Jahre zuvor.Das will nur auf den ersten Blick nicht ins Bild passen. Beim zweiten Hinsehen passt es, weil auch die Genossen in dieser Position zwischenzeitlich schon mal besser dastanden und weil die Lage deutlich ungünstiger aussieht, wenn man die Zahlen in Relation zur beträchtlich gewachsenen Bilanzsumme setzt. Und schließlich hat die Bilanz eben auch eine Passivseite, was bei den seit Jahren kolportierten Horrorszenarien zuweilen übersehen wurde. Die Sparkassen, die als Gruppe Marktführer sind, konnten sich auch beim absoluten Zinsergebnis nicht so gut aus der Affäre ziehen.Die Befürworter von “Blau-Gelb” argumentieren ja gerne, Deutschland brauche eine starke Bank. Ob es die womöglich schon gibt? Die auslaufende Bilanzsaison am Bankenplatz zeugt jedenfalls erneut davon, dass sich die Branche als Ganzes, zumal eingedenk des widrigen Umfelds, in robuster Verfassung befindet. Das erschließt sich gewiss nicht unmittelbar, wenn man auf die Kurscharts von Deutscher Bank und Commerzbank schaut. Auch wer angesichts von Multimilliardengewinnen der US-Banken Bauklötze staunt oder Renditeansprüchen jenseits von 20 % hinterhertrauert, wird kaum verstehen, wovon die Rede ist.Wer aber bereit ist, sich mit einer Eigenkapitalverzinsung im höheren einstelligen bis unteren zweistelligen Bereich anzufreunden, für den kann ein Blick ins Kleingedruckte erkenntnisfördernd sein: Deutschland hat starke Banken und Sparkassen. Das gilt umso mehr, wenn man neben der Ertragskraft die Kapitalstärke in Betracht zieht. So ist die Kernkapitalquote der Sparkassen seit 2012 von 12,5 % auf – nach strengeren Kriterien berechnete – 16,2 % gestiegen, jene der Kreditgenossen von 11,9 % auf 15 %. Und die Erfolgsrezepte unterliegen nicht einmal dem Bankgeheimnis: Wachstum, Margenpolitik, Ausbau des provisionstragenden Geschäfts, strikte Kostendisziplin.Glück gehört auch dazu: Der mit der Digitalisierung einhergehende Wandel im Kundenverhalten erlaubt einen stetigen Abbau von Arbeitsplätzen und Filialen, ohne dass es einen Aufschrei der Stakeholder gibt. Und das auskömmliche Wirtschaftswachstum sorgt dafür, dass die Kreditrisikovorsorge oft bei null oder sogar auf der Ertragsseite steht. Sicher: Manches könnte besser sein, jede der drei Säulen hat ihre gravierenden Problemfälle. Aber wer über das Kreditgewerbe insgesamt klagt, der tut das auf immer noch relativ hohem Niveau. —–Von Bernd WittkowskiWer über die Lage der deutschen Banken und Sparkassen klagt, der tut das trotz der Folgen der EZB-Zinspolitik auf immer noch relativ hohem Niveau.—–