IM BLICKFELD

Die Ablösung der EBA wäre logisch, aber . . .

Von Carsten Steevens, London Börsen-Zeitung, 19.6.2012 Europäische Kommission und Europäische Zentralbank (EZB) offenbaren immer deutlicher ihre Unterstützung für die Idee einer europäischen Bankenunion. Diese soll wesentlich dazu beitragen, die...

Die Ablösung der EBA wäre logisch, aber . . .

Von Carsten Steevens, LondonEuropäische Kommission und Europäische Zentralbank (EZB) offenbaren immer deutlicher ihre Unterstützung für die Idee einer europäischen Bankenunion. Diese soll wesentlich dazu beitragen, die Europäische Währungsunion auf eine dauerhaft stabile Basis zu stellen. Dabei wird der Eindruck erweckt, als könne der Plan schnell und vergleichsweise einfach umgesetzt werden.EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso etwa ließ vergangene Woche via Interview in einer Londoner Tageszeitung durchblicken, dass diese Bankenunion einschließlich einer mächtigen europäischen Bankenaufsicht, eines europäischen Bankenabwicklungsfonds und einer europäischen Einlagensicherung schon 2013 in allen 27 EU-Staaten erreichbar sei. Zeitaufwendige Änderungen an bestehenden EU-Verträgen, denen möglicherweise in einzelnen Ländern erst in einem Referendum zugestimmt werden müsste, seien nicht erforderlich. Doch so logisch und notwendig beispielsweise die Ablösung oder Reform einer Institution wie der European Banking Authority (EBA) erscheint, die sich durch ihren missratenen ersten EU-weiten Bankenstresstest selbst desavouierte, so zweifelhaft ist auch die schnelle Umsetzung der Pläne für eine europäische Bankenunion.Zwar drängt die Zeit, denn die Märkte haben ihr Vertrauen in die Fähigkeit Europas, den Bankensektor zu stabilisieren, verloren. Kreditinstitute in den Euro-Krisenländern spüren dies am Interbankenmarkt. Banken aus Italien und Spanien sind daher die größten Nutzer der von der EZB bereitgestellten Liquiditätshilfen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt seit langem, dass ein Ende der Staatsschuldenkrise in der Eurozone erst dann anstehe, wenn auch eine Lösung für das Bankenproblem gefunden sei. . . . eine Frage von VertrauenDoch wie sollen Investoren von Aktions- oder Masterplänen zur Rettung des Euro-Projekts überzeugt sein, wenn beispielsweise die spanische Regierung eine Einflussnahme und Beratung von außen ablehnt, selbst wenn Banken im Land mit europäischen Finanzhilfen von 100 Mrd. Euro gestützt werden? Wie soll der Eindruck entstehen, Europa ziehe bei der Krisenbewältigung an einem Strang, wenn beispielsweise Großbritannien die Idee einer Bankenunion sehr gut findet, eine Teilnahme aus Sorge vor zu viel Souveränitätsverlust aber schon jetzt ausschließt?Schließlich lässt auch die Position der deutschen Bankenaufseher nicht darauf schließen, dass die vor allem von Vertretern der Krisenstaaten an der Eurozonen-Peripherie befürwortete Bankenunion rasch Realität werden könnte. Eine Bankenunion dürfe nicht ohne Fiskalunion geschaffen werden, weil sonst eine europäische “Haftungsgemeinschaft durch die Hintertür” ohne disziplinierende Mechanismen und Kontrollen entstehe, heißt es bei der Bundesbank.Dass die neue Idee einer Bankenunion mehr als zwei Jahre nach dem ersten Höhepunkt der Schuldenkrise in Griechenland mit viel Elan propagiert wird, ist verständlich. Bislang haben es die 27 EU-Staaten nicht verstanden, die gegenseitige, destabilisierende Abhängigkeit zwischen den Regierungen der Mitgliedsländer und ihren nationalen Bankensystemen zu überwinden. Bankenkrisen wie in Irland und Spanien überfordern einzelstaatliche Regierungen, die zur Hilfe verpflichtet sind. Die Folge: Die Bonität dieser Länder schwindet dahin.Finanzmärkte zweifeln an der Fähigkeit der Regierungen solcher Staaten, weitere Banken stützen zu können. Dies wiederum belastet die Kreditwürdigkeit der Kreditinstitute und schränkt ihre Möglichkeiten ein, sich an den Finanzmärkten zu refinanzieren. Die Banken sehen sich nicht nur zum Abbau ihrer Verbindlichkeiten veranlasst, sondern reduzieren auch die volkswirtschaftlich wichtige Kreditvergabe. Obendrein springen sie – wie in Italien und Spanien zu besichtigen – mangels ausländischer Investoren noch als Käufer heimischer Staatsanleihen ein. Dieser Teufelskreis könne nur von außen, das heißt durch eine Verlagerung der Verantwortung für die Bankenrettung von der nationalen auf die europäische Ebene, durchbrochen werden, zeigen sich die Befürworter der Bankenunion überzeugt. . . . und von GlaubwürdigkeitDoch ist auch dies bislang nicht mehr als eine Hoffnung. Dass eine solche Verlagerung begleitet werden müsste von Reformen, die sich gegen Inkompetenz in den Kontrollgremien der Kreditinstitute und gegen Verflechtungen und Interessenkonflikte zwischen Banken und Politik richten, liegt auf der Hand.Auch würde eine Bankenunion, zu der sich – anders als von EU-Kommissionspräsident Barroso erträumt – wohl kaum alle 27 EU-Staaten ins Boot holen lassen werden, erfordern, dass sich ein peinliches Durcheinander bei der Durchführung von Stresstests wie bei der erst Anfang 2011 installierten EBA mit willkürlicher Kapitaldefinition und politisch determinierten Parametern nicht mehr wiederholt. Weil es um den elementaren Wert ihrer Glaubwürdigkeit an den Märkten geht, dürfte es einer mit der Bankenaufsicht in der Eurozone betrauten EZB nicht zumutbar sein, dass sie dem spanischen Bankensektor coram publico erst einen beruhigend geringen Kapitalbedarf von 1,6 Mrd. Euro attestiert, der vier Monate später auf 26 Mrd. Euro anschwillt, die tatsächlichen Nöte aber noch immer nicht realitätsnah widerspiegelt, weil die prekären Immobilienkreditbestände nicht berücksichtigt wurden.Es ist aber per se auch noch nicht überzeugend, die Bankenaufsicht in der Eurozone auf die EZB zu verlagern, weil – wie der portugiesische EZB-Vizepräsident Vitor Constâncio anmerkte – diese Institution bestehe und nicht erst aufgebaut werden müsse, weil der EU-Vertrag von Lissabon in Artikel 127 Nummer 6 die Übertragung dieser Kompetenz auf die EZB bereits grundsätzlich vorsehe und weil inzwischen 14 von 17 nationalen Zentralbanken in der Eurozone ein Aufsichtsmandat ausübten. Eine einzige Institution neben den geldpolitischen Aufgaben auch mit der Aufsicht über die verschiedenen Bankensektoren innerhalb der Eurozone zu betrauen, könnte sich nicht nur wegen des Umfangs des Aufsichtsgebiets und der Eigenheiten der nationalen Bankensysteme als problematisch erweisen. Bei einer derart mächtigen EZB wären auch besondere Rechenschaftspflichten und Kontrollmaßnahmen einzufordern.Schließlich deutet die Abneigung einzelner Staaten wie etwa Spaniens, Anleihegläubiger zur Bankenrettung heranzuziehen, darauf hin, dass bis zu einer europäischen Bankenunion noch eine längere Zeit vergehen wird, als es der Kommissionsspitze in Brüssel derzeit vorschwebt. Ein wirksames System des “Bail-in” müsste für die Eurozone noch errichtet werden. Bis dahin dürften sich Steuerzahler weiter fragen, warum sie für die Bankenrettung in anderen Euro-Ländern eintreten sollten.