Die digitale Kapitalverwaltungsgesellschaft
Johannes ZahnGeschäftsführer Connos GmbHDigitalisierung ist heutzutage ein “Buzzword”. Dabei geht das individuelle Verständnis, was Digitalisierung bedeutet, weit auseinander. Für manche ist bereits der gescannte und als PDF archivierte Zeichnungsschein ein Meilenstein in der Digitalisierung von Sachwertinvestments. Doch Digitalisierung ist weit mehr als nur die digitale Ablage von analog gesammelten Daten und hat übrigens zunächst nur wenig mit Distributionswegen über soziale Medien oder andere Online-Kanäle zu tun – selbst wenn wir uns hier bereits in einer digitalen Umgebung bewegen. Digitalisierung hebt den Geschäftsprozess einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) eines alternativen Investmentvermögens (AIF) auf eine neue Stufe.In einem vollständig digitalen Geschäftsmodell wird jede im Geschäftsprozess generierte Einzelinformation zentral in einer Datenbank gespeichert und kann mit jeder beliebigen anderen Einzelinformation derselben kombiniert abgefragt werden. Schauen wir uns das am Beispiel geschlossener Investmentvermögen (AIF) an. In der alten Welt füllte der Vermittler gemeinsam mit dem Anleger den Zeichnungsschein aus und sandte das vom Anleger unterschriebene Original per Post oder Fax an das Emissionshaus. Der Zeichnungsschein wurde dann im Emissionshaus erfasst, meist händisch in das Kunden- und Vertriebsmanagementsystem (CRM) eingegeben und an das Fondsmanagement und die Treuhandgesellschaft weitergereicht, die wiederum jeweils die für sie wichtigen Informationen aus dem Zeichnungsschein selektierten und beispielsweise auf Fondsebene in die Fondsmanagementsoftware eingaben. Für andere Unternehmensbereiche wie Kommunikation, Rechnungswesen etc. existierten dann noch einmal separate Datenbanken, in die Teile der Informationen aus dem Zeichnungsschein eingingen. Letztlich wurde ein und dieselbe Information x-fach im Emissionshaus erfasst. Auf der Investmentseite passierte noch einmal das Gleiche: Objektdaten, Investitions- und Finanzierungsdaten wurden separat aufgenommen und in unterschiedlichen Systemen verarbeitet. Fehler in der Datenerfassung können immer mal vorkommen, das Risiko steigt allerdings mit jeder erneuten Erfassung. Ein weiteres Risiko der redundanten Datenspeicherung ist die unvollständige Korrektur von Fehlern. Werden Fehler nur in einzelnen Datenbanken korrigiert, entstehen inkonsistente Datenbestände. Ein weiteres Problem ist, dass die Nutzer der einzelnen Datenbanken keinen Zugang zu allen Informationen haben, also immer nur einen Ausschnitt der Gesamtdatenmenge kennen und nutzen können. Für bestimmte Berichte des Risiko- oder Portfoliomanagements wurden Daten aus verschiedenen Datenbanken zusammengetragen – nicht selten manuell in einer Excel-Tabelle. Das ging oft mit Verzögerungen einher, da z. B. Daten aus dem Facility-/Property-Management nur quartalsweise in Berichten zusammengefasst und ebenfalls wieder händisch in die Systeme geladen wurden.Mit den aktuellen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Berichts- und Meldewesen ist das ebenso wenig zu vereinbaren wie mit einem wirkungsvollen Risikomanagement oder einem regelmäßigen professionellen Investorenreporting. Wie also muss der digitale Geschäftsprozess einer modernen Kapitalverwaltungsgesellschaft gestaltet sein, um allen aufsichtsrechtlichen und unternehmerischen Ansprüchen gerecht zu werden?Die IT-Struktur der modernen KVG kann im Wesentlichen in drei Ebenen eingeteilt werden: operative Systeme, datenhaltende Systeme bzw. Technologien und dispositive Managementsysteme. Die Basis bilden die operativen Daten, die im Tagesgeschäft anfallen. Sie sind meist transaktionsorientiert oder beziehen sich auf sich ändernde Mietvertragsdaten und werden oft von Verwaltungssystemen wie Buchhaltungs- oder ERP-Software erzeugt. Sie sind bestenfalls tagesaktuell, in jedem Fall zeitpunktbezogen. Durch die unterschiedlichen eingesetzten Systeme liegen diese Daten mitunter redundant und – schlimmer noch – häufig inkonsistent vor. Solche stichtagsbezogenen Daten können eine strategische und operative Entscheidungsfindung kaum unterstützen. Die Daten müssten zunächst stichtagsbezogen gespeichert werden, um sie anschließend zeitraumbezogen verarbeiten respektive auswerten zu können, was operative Systeme in der Regel nicht leisten können.Um Trends zu erkennen und Prognosen zur Steuerung abzuleiten, müssen die operativen Daten daher gesammelt und in einem zentralen Datenhaushalt zusammengeführt werden. Ein Problem dabei ist die Heterogenität der Datenquellen. Daten unterschiedlicher Formate müssen vor der Weiterverarbeitung vereinheitlicht, d. h. in einen einheitlichen und konsistenten Zustand überführt werden. Ein einschlägiges Beispiel hierfür stellt die Zusammenführung von Zahlungsströmen und Mietvertragsstammdaten dar.Eine Bereinigung und Standardisierung ist der erste Schritt eines Transformationsprozesses, der die Daten in themenorientierte, fehlerfreie und analysefähige Datenbanken, bestenfalls ein Datawarehouse, überträgt. Der zweite Schritt besteht in der Harmonisierung der Daten. In einem dritten Schritt erfolgt die Aggregation oder Verdichtung der Daten. Dabei werden beispielsweise einem Anleger das anteilige Fondsvolumen und die darauf erfolgten Auszahlungen in einem bestimmten Jahr zugeordnet. Im vierten und letzten Schritt erfolgt dann die Anreicherung der Daten. Dabei werden betriebswirtschaftliche Kennzahlen generiert und der Datenbasis zugefügt.Durch die Transformation der operativen Daten in konsolidierte Datenbestände kann eine erhebliche Reduzierung der Datenmenge erreicht werden. Ein weiterer obligatorischer Aspekt für KVGs ist die revisionssichere Dokumentation von Datenveränderungen. Die aufbereiteten Daten des Datawarehouse werden historisiert und dadurch unveränderlich gemacht. Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation einer KVG nach § 28 KAGB umfasst insbesondere “eine vollständige Dokumentation der ausgeführten Geschäfte, die insbesondere gewährleistet, dass jedes das Investmentvermögen betreffende Geschäft nach Herkunft, Kontrahent sowie Art und Abschlusszeitpunkt und -ort rekonstruiert werden kann”. Die Erfüllung dieser gesetzlichen Vorgabe erfordert somit die absolute Kontrolle über den eigenen, fehlerfreien und analysierbaren Datenbestand.Auf Basis der in der zweiten Ebene, dem Datawarehouse, vorgehaltenen nun dispositiv nutzbaren Daten, können in der dritten Ebene Managementsysteme eingesetzt werden. Diese versetzen die KVG erst in die Lage, ihre gemäß Aufsichtsrecht vornehmlichen Aufgaben des Portfolio- und Risikomanagements effektiv und effizient wahrzunehmen. So heißt es etwa in § 29 (2) KAGB: “Die Kapitalverwaltungsgesellschaft muss über angemessene Risikomanagementsysteme verfügen, die insbesondere gewährleisten, dass die für die jeweiligen Anlagestrategien wesentlichen Risiken der Investmentvermögen jederzeit erfasst, gemessen, gesteuert und überwacht werden können. Die Kapitalverwaltungsgesellschaft hat die Risikomanagementsysteme regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen.” Und nach § 29 Abs. (3) 2. KAGB muss die KVG gewährleisten, “dass die mit den einzelnen Anlagepositionen des Investmentvermögens verbundenen Risiken sowie deren jeweilige Wirkung auf das Gesamtrisikoprofil des Investmentvermögens laufend ordnungsgemäß erfasst, gemessen, gesteuert und überwacht werden können; sie nutzt hierzu unter anderem angemessene Stresstests”. Wichtige Kennzahlen zur Steuerung des Portfolios, des Risikomanagements oder der Liquidität auf Fonds- und KVG-Ebene lassen sich einfach mit auf das Management von AIF ausgelegten modularen Business-Suites visualisieren und steuern. Soll-Ist-Vergleiche und die Analyse unterschiedlicher Szenarien lassen den AIF-Manager drohende Risiken schnell antizipieren und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.Auch die Erfüllung der Melde- und Berichtspflichten nach §§ 34 und 35 KAGB wird durch dispositive Systeme erheblich vereinfacht und effizienter. Mehr noch: Die Abgabe in Papierform ist für die einschlägigen behördlichen Meldungen oft gar nicht mehr zulässig. Mittels XML-Format lassen sich die jeweils aktuellen Berichtsvorgaben von Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) maschinell durchführen und entsprechende Berichte auf Basis der dispositiven Systeme per Knopfdruck generieren.Mit einem so aufgebauten IT-Rückgrat ist die moderne KVG jederzeit in der Lage, ihre Aufgaben effektiv und effizient zu erfüllen. Die Skalierbarkeit der Systeme ermöglicht nicht nur wachsende Volumina in der Verwaltung, sondern sorgt ebenfalls für abnehmende Grenzkosten. Das kommt der Marge der KVG zugute, im Idealfall aber auch der Rendite der Anleger.Die vollständige Digitalisierung des Geschäftsprozesses eröffnet AIFs darüber hinaus neue Absatzpotenziale bzw. Zielgruppen. Institutionelle Investoren fordern immer häufiger eine Stellungnahme zum Umfang und zur Erbringung der individuell notwendigen Reportings, bevor ein Deal zustande kommt. In der Vergangenheit taten sich institutionelle Investoren mit geschlossenen Investmentvermögen oft schwer, weil sie deren Daten nicht in ihre auf offene Investmentprodukte ausgelegten Risikomanagement- und Reportingsysteme integrieren konnten. Für die moderne KVG mit digitalen Geschäftsprozessen sollte dies kein Problem mehr darstellen.Mit der Digitalisierung schließen die KVGs der geschlossenen Investmentvermögen zu den Standards ihrer Pendants mit offenen Produkten auf und der gesamte Markt für Sachwertinvestments erhält wieder eine Perspektive.