Die Dividenden chinesischer Banken wackeln

Heftiger Ertragsdruck - Kapitalisierung hat Vorrang

Die Dividenden chinesischer Banken wackeln

nh Schanghai – Für Value-Investoren an der Hongkonger Börse sind schwere Zeiten angebrochen. Ausgerechnet die als zuverlässige Dividendenlieferanten geltenden Großbanken sind im Zuge der Belastungen durch die Corona-Epidemie zu unsicheren Kantonisten geworden. Nach dem als regelrechter Schock empfundenen Rückzieher der HSBC Holdings mit Blick auf die Ausschüttung müssen sich Hongkonger Investoren nun die Frage stellen, ob ihnen auch die Kreditriesen auf dem chinesischen Festland eine herbe Enttäuschung bereiten werden. Nullrunde in SichtAnalysten der Investmentbank Jefferies gehen davon aus, dass Chinas Großbanken durch die Coronakrise so weit in Mitleidenschaft gezogen worden sind, dass sie zur Schonung ihrer Kapitaldecke für das laufende Geschäftsjahr eine Nullrunde bei der Dividende anvisieren. Bei Jefferies rechnet man damit, dass Gewinnrückgänge jenseits von 10 % für das Gesamtjahr einen kategorischen Dividendenverzicht bei den größten Instituten des Landes zur Folge haben werden.Mittlerweile gilt es als immer wahrscheinlicher, dass dieser Fall eintreten wird. Für die erste Jahreshälfte 2020 haben die führenden Banken des Landes allesamt Gewinneinbußen zwischen 10 und 12 % verzeichnet. Ein rasch ansteigendes Volumen der notleidenden Kredite und ein kräftig erhöhter Risikovorsorgebedarf sind die Folgen einer vom Staat erwirkten Hilfestellung der Banken. So hatte die chinesische Regierung die Branche im Juni dazu angehalten, als Solidaraktion für die Stabilisierung der chinesischen Unternehmenswirtschaft auf eine Summe von rund 1,5 Bill. Yuan an Gewinnen zu “verzichten”, das sind umgerechnet rund 19 Mrd. Euro. Die Solidaraktion manifestiert sich nicht nur in unbesicherten Krediten an Wackelkandidaten, sondern auch in verbilligten Kreditkonditionen, in reduzierten Gebühren sowie in großzügigen Kredittilgungsstundungen.Unter diesen Voraussetzungen gilt es als wahrscheinlich, dass die Großbanken im Gesamtjahr noch höhere Gewinneinbußen von 15 bis 20 % erleiden werden. Dies wiederum wird die regulatorischen Kapitalquoten weiter unter Druck setzen, wie Bankanalysten betonen. Dabei achtet man vor allem auf die Tier-1-Kernkapitalquote, die nur durch Eigenkapitalerhöhungen oder Gewinnrücklagenbildung aufpoliert werden kann.Sollte der gegenwärtige Ertragstrend anhalten, werden Chinas Banken mit Blick auf die Schonung des Kernkapitals in diesem Jahr auf Dividendenzahlungen wohl ganz verzichten, wie die Bankanalysten von Jefferies prognostizieren. Dabei verweisen sie auf den geringen Bewegungsspielraum der börsennotierten chinesischen Banken in Sachen Kapitalerhöhungen. Aktienemissionen sind tabuFür staatliche Institute gilt in China die Regel, dass sie bei Kapitalerhöhungen neue Aktien nicht zu Emissionspreisen unterhalb des Buchwertes der Aktie begeben dürfen. Gegenwärtig kommen die chinesischen Großbanken im Zuge einer anhaltenden Kursmisere jedoch auf historisch niedrige Bewertungsrelationen von nur etwa der Hälfte ihres Buchwertes. Damit kommt ein Anzapfen der Anleger über Kapitalerhöhungen zumindest bis auf Weiteres nicht in Frage.