Die doppelte Abfrage

Deutsche Aufsicht und EZB kommen sich mit Erhebungen zu Zinstief und Ertragskraft in die Quere

Die doppelte Abfrage

Die deutsche Aufsicht und die EZB fordern parallel Informationen zu Zinstief und Ertragskraft ab. Banken verärgert dies.Von Bernd Neubacher, FrankfurtMit zwei parallel laufenden Abfragen zu Zinstief und Ertragskraft testet die Bankenaufsicht derzeit die Nerven der Verantwortlichen in mehreren Dutzend deutscher Kreditinstitute: Denn während die Deutsche Bundesbank sowie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach 2013 und 2015 zum nunmehr dritten Mal ihren “Stresstest zur Ertragslage und Widerstandsfähigkeit deutscher Kreditinstitute im Niedrigzinsumfeld” veranstaltet und diesmal sechs verschiedene Zinsszenarien (siehe Kasten) rechnen lässt, fordert zugleich auch die Europäische Zentralbank (EZB) von diesen Instituten, die nicht unter ihrer direkten Aufsicht stehen, im Zuge einer “LSI Profitability Forecast Survey” Informationen zur Ertragskraft an. Allein für die Erhebung von Bundesbank und BaFin sind bis spätestens Ende Juni 1 800 Datenfelder auszufüllen.Betroffen sind 41 oder 3 % jener Banken, welche die EZB zu den sogenannten “High Priority Less Significant Institutions” zählt – Institute also, die zu klein sind, um unter die direkte EZB-Aufsicht zu fallen, auf welche die Notenbank aber dennoch ein besonderes Auge hat, weil sich dies bald ändern könnte, oder Banken, die aus anderen Gründen im Fokus stehen. Konkret geht es nach Informationen der Börsen-Zeitung um rund 20 Genossenschaftsbanken, aber ebenso um Sparkassen und auch Förderinstitute. Dort hält sich die Begeisterung über die parallelen Erhebungen naheliegenderweise in sehr überschaubaren Grenzen, wie berichtet wird. Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret relativiert den Aufwand: “Lediglich 41 deutsche Institute sind in der Schnittmenge beider Untersuchungen, und das sind vorwiegend die größeren Häuser unter den mittelgroßen Banken, die auch in der Lage sein sollten, beide Befragungen parallel zu stemmen”, erklärt er der Börsen-Zeitung.Auch auf Seiten der Aufseher aber scheint man zumindest nicht überall glücklich zu sein mit der Konstellation. Den Unmut über die Parallelität der Erhebungen könne man nachvollziehen, ist zu hören. Allerdings habe die deutsche Aufsicht nicht vor, sich die Niedrigzinsumfrage von der EZB abnehmen zu lassen. So brauche etwa die Bundesbank “richtig gute Zahlen”, wenn sie mit EZB-Präsident Mario Draghi über die Niedrigzinsen und deren Auswirkungen auf das Bankwesen diskutieren wolle. Zudem pochen deutsche Aufseher im Falle ihrer zweijährlichen Niedrigzinsumfrage auf Kontinuität: “Wir versuchen natürlich, das auf unserer Basis über zwei Jahre fortzuschreiben”, heißt es dort.Auch die EZB aber hat Argumente auf ihrer Seite: Sie will sich mit ihrer Erhebung nicht nur bundes-, sondern eurolandweit ein Bild von der Ertragskraft solcher Institute machen, die knapp unter dem Radar ihrer direkten Aufsicht fliegen. Oder auch etwas tiefer. Wie zu hören ist, bringen sieben der 20 an der EZB-Umfrage beteiligten Genossenschaftsbanken jeweils Bilanzsummen von weniger als 500 Mill. Euro auf die Waage. Grundsätzlich übernimmt die EZB eine Bank unter ihre direkte Aufsicht, wenn dieses Institut Aktiva von 30 Mrd. Euro und mehr auf sich vereinigt. Den Zusatzaufwand durch die EZB-Erhebung sieht man bei der Notenbank als gering an. Im Großen und Ganzen würden nur Kennziffern abgefragt, welche den Banken bereits vorlägen, sowie die Planung für die Zukunft. Szenarien müssten nicht gerechnet werden, heißt es bei der Notenbank, die “Geschäftsmodelle und Treiber der Ertragskraft” zu einer aufsichtlichen Priorität für 2017 erklärt hat.Im Fall der doppelten Umfrage ist nicht nur deshalb Musik drin, weil 41 Banken Mehraufwand beklagen, sondern auch, weil es ein Licht auf das zuweilen von Konkurrenz geprägte Verhältnis von EZB und nationaler Aufsicht im einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM wirft. Jüngste Äußerungen von SSM-Chefin Danièle Nouy zur Aufsicht von infolge des Brexit nach Euroland kommenden Finanzinstituten sowie von deutschen Aufsehern zu regulatorischen Erleichterungen für kleinere Banken berührten zweifelsohne wichtige Fragen, lassen sich aber ebenso als Beleg für das Streben nach mehr Einfluss lesen.