IM BLICKFELD

Die eierlegende Wollmilchbehörde

Von Detlef Fechtner, Frankfurt Börsen-Zeitung, 5.10.2017 Die EU-Bankenaufsichtsbehörde - die European Banking Authority (EBA) - kann sich dieser Tage über einen Mangel an öffentlicher Aufmerksamkeit gewiss nicht beschweren. Schließlich sorgt die...

Die eierlegende Wollmilchbehörde

Von Detlef Fechtner, FrankfurtDie EU-Bankenaufsichtsbehörde – die European Banking Authority (EBA) – kann sich dieser Tage über einen Mangel an öffentlicher Aufmerksamkeit gewiss nicht beschweren. Schließlich sorgt die Frage, wohin das bislang in London beheimatete Amt und seine knapp 200 Angestellten umziehen werden, für Gesprächsstoff. Die Umsiedlung ist notwendig, da die EU-Einrichtung nach dem Brexit nicht länger im Vereinigten Königreich bleiben kann. Acht Städte haben sich als neue Heimat beworben. Das Wetteifern produziert ständig neue Schlagzeilen. Was indes die EBA eigentlich macht, gerät dabei in den Hintergrund. Exekutivdirektor Adam Farkas hat daher jüngst eine Fachkonferenz in Wien zum Anlass genommen, um den Blick auf die vielseitigen Tätigkeiten der von Präsident Andrea Enria geführten Behörde zu lenken.So dürften die meisten Banker die EU-Bankenaufsichtsbehörde vor allem in ihrer Rolle als die Institution wahrnehmen, die EU-Finanzmarktgesetze auslegt. Das macht sie in Form vieler Durchführungsverordnungen, Leitlinien und regulatorischer Standards. Was früher nationale Aufgabe gewesen ist oder in wenigen Fällen vom Vorgängergremium CEBS, dem Komitee europäischer Bankenaufseher, geleistet wurde, zählt heute zum Hauptgeschäft der EBA – die Übersetzung von EU-Verordnungen und EU-Richtlinien in die Praxis der Kreditwirtschaft.Längst gibt es regelmäßig Klagen, dass dieser Transfer von “level 1” auf “level 2” selbst kein sachlogischer, sondern ein politischer Prozess ist. Nicht nur betroffene Marktakteure, sondern auch die Berichterstatter im EU-Parlament haben wiederholt moniert, dass sich die EBA und ihre “Schwestern” EIOPA (Versicherungen) und ESMA (Wertpapierhandel) zu weit von ihren engen Mandaten entfernen. Das ist zumindest ein Indiz dafür, wie einflussreich die Behörde allein dadurch ist, dass sie EU-Recht konkretisiert. Frühzeitige BeteiligungDie EBA kommt freilich nicht erst dann ins (politische) Spiel, wenn EU-Parlament und Ministerrat in Brüssel Entscheidungen gefällt haben. Sie ist vielmehr schon in der Entstehungsphase der EU-Gesetzgebung intensiv beteiligt – und zwar bereits in der frühesten Stufe. Wenn die EU-Kommission nämlich einen Gesetzesentwurf vorbereitet, gibt sie häufig Analysen und Berichte bei der EBA in Auftrag. So hat sie im Falle von aufsichtsrechtlichen Kennziffern wie der Net Funding Stable Ratio ebenso wie bei den Streitthemen Proportionalität oder Vergütungen von Führungskräften auf das sowohl umfassende als auch nach unterschiedlichen Bankkategorien sortierte Datenmaterial und die Expertise der Bankenaufsichtsbehörde zurückgegriffen. “Diese Aufgabe wird immer bedeutender”, ist Farkas überzeugt. Alles, was die EBA im Zusammenhang dieser Berichte tue, sei im Übrigen für die Öffentlichkeit zugänglich.Ein weiteres Arbeitsgebiet der Behörde ist es, internationale Rechtsetzungsprozesse anzustoßen. So hat die EBA im Herbst 2014 eine Studie erstellt, die sich mit der Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts durch die Einführung von Standards (simpel, transparent, standardisiert, STS) befasst. Das führte nicht nur dazu, dass die Europäische Union Jahre später eine entsprechende EU-Verordnung beschlossen hat. Sondern auch dazu, dass sich seit 2015 sowohl der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht als auch die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (Iosco) des Themas angenommen haben und weltweite Vereinbarungen vorbereiten. Koordinator in BaselSchließlich agiert die Europäische Bankenaufsichtsbehörde als Koordinator nationaler Interessen in der Europäischen Union bei internationalen Verhandlungen. Das gilt insbesondere für die Arbeiten an Standards für Eigenkapitalanforderungen in Basel. Dort hat die EBA beispielsweise bei Fragen rund um die differenzierte Behandlung von Immobilienkrediten, der Nutzung interner Modelle bei der Risikokalibrierung oder zusätzlichen Kapitalanforderungen für Großbanken zwischen den Positionen innerhalb der EU vermittelt.Kurzum: Die EBA entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine eierlegende Wollmilchsau, die scheinbar überall, wo es um Finanzmarktregulierung geht, Aufgaben zu erledigen hat. Dabei dürfen Farkas und Enria kaum auf Beifall für ihr Tun hoffen. Was dem einen nicht detailliert oder standardisiert genug ist, halten andere für eine überzogene Einmischung in ihre Geschäftsmodelle.