Die ESG-Performance der Geschäftsbanken und Kapitalmärkte
Karoline WagnerESG Analyst bei ISS ESGDas Corporate-Rating-Universum von ISS ESG, dem Responsible-Investment-Arm von Institutional Shareholder Services, bewertete zum Stichtag 30. Juni 2019 insgesamt 265 Unternehmen, die der Branche “Geschäftsbanken und Kapitalmärkte” zugeordnet wurden.Die Branche ist gekennzeichnet durch ein sehr dynamisches Marktumfeld. Niedrige Zinsen und steigende regulatorische Anforderungen, Herausforderungen durch neue Technologien wie Blockchain sowie ein verändertes Verbraucherverhalten stellen hier umfangreiche Herausforderungen dar. Während sich der Wettbewerb durch den Eintritt von Technologieanbietern in den Zahlungsmarkt verschärft und die Zusammenarbeit mit den sogenannten Fintechs zunimmt, werden Datenschutz und Informationssicherheit für Banken immer wichtiger. Zudem verstärkt die allgemeine digitale Transformation die bereits bestehenden Trends von Stellenabbau und Filialschließungen. Gleichzeitig gewinnt Green und Social Finance an Dynamik: Mit dem Sustainable Finance Action Plan beabsichtigt die Europäische Union, finanzielle Ressourcen freizusetzen und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu fördern. Zusätzlich zielen verschiedene Initiativen innerhalb der Branche darauf ab, die Nachhaltigkeitschancen des Sektors zu nutzen. Vor diesem durch Veränderungen und Transformation geprägten Hintergrund ist es aufschlussreich, die Nachhaltigkeitsleistungen der Geschäftsbanken zu betrachten. Das ISS ESG Corporate Rating liefert hierzu hochrelevante, materielle und zukunftsorientierte ESG-Daten und Leistungsbewertungen. Die Methodik wendet dabei ein zwölfstufiges Bewertungssystem von A+ (exzellente Leistung) bis D- (schlechte Leistung) an. Alle Kriterien werden einzeln gewichtet und bewertet und die Ergebnisse zu einem Gesamtergebnis (Rating) aggregiert. Denjenigen Unternehmen mit einer Ratingnote oberhalb der branchenspezifischen Prime-Schwelle wird der Prime-Status zuerkannt, d.h., sie erfüllen anspruchsvolle absolute Performance-Anforderungen, die ihrer individuellen Risikoexposition Rechnung tragen. Von den 265 analysierten Unternehmen der Branche “Geschäftsbanken und Kapitalmärkte” waren dies 38 Unternehmen, was etwa 14% entspricht.Die branchenspezifischen Bewertungen im Rahmen des Corporate Ratings werden ergänzt durch den ISS ESG Sustainability Performance Score, der von 0 (Minimum Score) bis 100 (Maximum Score) reicht und einen Vergleich von Unternehmen verschiedener Branchen erlaubt. Geschäftsbanken rangieren mit einem durchschnittlichen Sustainability Performance Score von 29,7 im Vergleich zu anderen Branchen des ISS-ESG-Universums im Mittelfeld. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die meisten Banken sich zwar bereits mit Nachhaltigkeitsfragen befassen, jedoch noch nicht genügend Maßnahmen ergriffen haben, um Umwelt- und Sozialauswirkungen in ihren Wertschöpfungsketten zu reduzieren oder abzumildern. Sogar die Unternehmen mit Prime-Status erreichen keine Performancewerte über 60. Dies deutet darauf hin, dass selbst unter den Branchenführern noch viel Spielraum für Verbesserungen besteht.Arbeitsnormen und Arbeitsbedingungen Während Banken ihren Mitarbeitern immer mehr Möglichkeiten für eine bessere Work-Life-Balance bieten, bleibt deren Beschäftigungssicherheit weiterhin ein kritisches Thema in der Branche. Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des Kostendrucks sind Massenentlassungen üblich. Darüber hinaus managen nur wenige Unternehmen arbeitspsychologische Risiken angemessen. Kriterien für nachhaltige Investitionen Trotz des zunehmenden Bewusstseins für ESG-Aspekte in Anlageanalysen und Entscheidungsprozessen ist die Performance der bewerteten Geschäftsbanken in diesem Bereich gering. Mehr als 70?% haben keine Umwelt- und Sozialrichtlinien für Dienstleistungen der allgemeinen Vermögensverwaltung. Nur knapp 16?% aller Unternehmen zeigen eine gute Performance bei sozial verantwortlichen Anlageprodukten. Nachhaltigkeitsauswirkungen von Krediten und anderen Finanzdienstleistungen Kreditrichtlinien sollen einen soliden Rahmen für die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten und -risiken im Bonitätsprozess vorgeben. Jedoch schneiden Geschäftsbanken bei der Einhaltung von Umwelt- und Sozialrichtlinien für Kredite und Investment Banking nach wie vor schlecht ab. Rund 45% der bewerteten Finanzinstitute weisen keinen Ansatz zur Umsetzung von Umwelt- und Sozialkreditrichtlinien auf. Von den übrigen Unternehmen haben nur ein Dutzend vernünftige Richtlinien aufgestellt, und noch weniger stellen die Einhaltung dieser Richtlinien durch effektive Anwendungsverfahren sicher. Darüber hinaus ist trotz zunehmender Aufmerksamkeit für Fragen des Klimawandels und der UN-SDGs keine Entwicklung hin zu grüneren oder sozial vorteilhafteren Portfolios zu beobachten. Obwohl nachhaltige Finanzdienstleistungen bei vielen Unternehmen in das Produktangebot aufgenommen wurden, machen diese in der Regel nur einen vernachlässigbaren Anteil am gesamten Geschäftsvolumen aus. Kunden- und Produktverantwortung Geschäftsbanken weisen in Bezug auf Kunden- und Produktverantwortung eine relativ schlechte Performance auf, mit Ausnahme in den Bereichen Datenschutz und Informationssicherheit. Mehr als 60% setzen sich nur unzureichend mit Risiken auseinander, die im Zusammenhang mit dem verantwortungsvollen Umgang mit Kunden mit Schuldentilgungsproblemen sowie mit Offshore-Finanzgeschäften und Steuerkonformität bestehen. Versäumnisse in den Bereichen Datenschutz und Informationssicherheit gibt es dagegen nur bei weniger als 10% der Unternehmen. Hier weist etwa die Hälfte der Unternehmen eine mittlere bis gute Performance auf.Wenige Unternehmen haben zudem gute Richtlinien im Bereich des verantwortungsvollen Marketings aufgestellt und fördern in geringerem Maße verantwortungsvolle Verkaufspraktiken. Geschäftsethik Im Vergleich zu anderen zentralen Nachhaltigkeitsthemen ist die Gesamtleistung der Branche im Bereich der Geschäftsethik relativ gut. Die Einhaltung von Gesetzen ist ein Schlüsselkriterium in der Branche, das oft zur Annahme solider Verhaltenskodizes führt. Diese Richtlinien umfassen in der Regel Fragen der Geschäftsethik wie Korruption, Geldwäsche, Insiderhandel, Interessenkonflikte und Kartellrechtsverletzungen.