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Die EZB trimmt die Kapitalquoten der Großbanken

Von Bernd Neubacher, Frankfurt Börsen-Zeitung, 16.4.2019 Deutsche Bank und Commerzbank werden im Falle ihres Zusammenschlusses mit dezimierten Kapitalquoten in eine Fusion gehen. Dafür sorgen die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr Vorhaben...

Die EZB trimmt die Kapitalquoten der Großbanken

Von Bernd Neubacher, FrankfurtDeutsche Bank und Commerzbank werden im Falle ihres Zusammenschlusses mit dezimierten Kapitalquoten in eine Fusion gehen. Dafür sorgen die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr Vorhaben Targeted Review of Internal Models (TRIM), eine breit angelegte Analyse der bankinternen Modelle, mit deren Hilfe ein guter Teil der direkt von der Notenbank beaufsichtigten Institute ihren Kapitalbedarf selbst berechnen.Die Deutsche Bank, die Ende 2018 eine harte Kernkapitalquote von 13,6 % auswies, rechnet infolge der Übung mit einer Reduktion um 20 bis 40 Basispunkte im ersten Halbjahr. Netto, also verrechnet mit anderen Faktoren, dürfte ein negativer Effekt von 20 Basispunkten bleiben, wie es in der jüngsten Telefonkonferenz mit Analysten hieß. Damit wird die Bank näher an die ab 1. März gültige Mindestkapitalvorgabe der Notenbank von 11,82 % heranrücken. Schließlich muss das Haus auch die sogenannte Kapitalempfehlung der EZB erfüllen, die zwar nicht rechtsverbindlich ist, deren Unterschreitung indes sehr wohl die Aufsicht auf den Plan ruft. Diese Empfehlung (SREP Pillar II Guidance) wird nicht individuell publiziert; im Mittel der Banken betrug sie zuletzt nicht weniger als 1,5 Prozentpunkte, wie die Notenbank vor wenigen Tagen mitteilte. Die Deutsche Bank fährt somit einen relativ heißen Reifen, noch bevor etwaige Kapitalbelastungen durch eine Großfusion berücksichtigt werden und wohl eine Kapitalerhöhung notwendig machten.TRIM beschäftigt die EZB schon seit 2015. Im Zuge der bis Anfang 2020 dauernden Übung, für welche die Aufsicht Heerscharen externer Berater hinzuzieht, will die Notenbank unangemessenen Abweichungen in der Art der Kalkulation des Eigenkapitalbedarfs zu Leibe rücken und die im Zuge der Finanzkrise in Verruf geratenen Modelle letztlich harmonisieren. Bislang hat das Großprojekt, in dessen Zuge es zu rund 200 Vor-Ort-Inspektionen bei 65 der insgesamt 119 Großbanken unter direkter EZB-Aufsicht kommt, 70 aufsichtliche Maßnahmen nach sich gezogen. Weitere dürften folgen, denn in rund zwei Dritteln der Fälle steht ein Abschluss der Untersuchungen noch aus, auch wenn Banken inzwischen eine Ahnung davon haben dürften, was auf sie zukommt. Dies bedeutet nichts anderes, als dass bisher so gut wie jede Vor-Ort-Untersuchung aufsichtliche Maßnahmen nach sich gezogen hat. So hat knapp ein Drittel der bisher untersuchten Banken einen Rüffel allein dafür erhalten, dass Richtlinien für den Fall von Änderungen an Modellen fehlen bzw. die Aufsicht über erhebliche Änderungen nicht informiert wurde.Zu den Banken, deren Untersuchung noch nicht abgeschlossen worden ist, zählt neben der Deutschen Bank auch die Commerzbank. Offiziell hat das gelbe Institut den negativen Effekt von TRIM auf die Eigenkapitalquote noch nicht beziffert. 2018 hätten insbesondere Prüfungen mit einem Schwerpunkt auf Portfolios mit geringen Ausfallrisiken stattgefunden, heißt es im Geschäftsbericht. “Die Bescheide zu den TRIM-Prüfungen aus dem Jahr 2017 werden im Jahr 2019 von der EZB erstellt. Belastungen hieraus für die Risikoaktiva sind nicht auszuschließen.” Vorsorglich hat das Institut angekündigt, dass es im Jahresverlauf vorübergehend seine Zielquote fürs Kernkapital reißen dürfte. So heißt es im Prognosebericht unter Verweis auf “die Umsetzung neuer Rechnungslegungsstandards sowie erwartete Auswirkungen regulatorischer Maßnahmen”, die Bank gehe davon aus, “wahrscheinlich in der ersten Jahreshälfte zunächst eine harte Kernkapitalquote unterhalb unserer Zielquote von 12,75 % auszuweisen”. Infolge der Einführung neuer Regeln zur Bildung von Risikovorsorge im Kreditgeschäft war die Quote 2018 schon von 14,1 % auf 12,9 % heruntergerauscht. Die EZB hat der Bank für 2019 eine harte Kernkapitalanforderung von 10,11 % verordnet, hinzu kommt die Kapitalempfehlung von durchschnittlich 1,5 % für 2018.Auch bei anderen deutschen Großbanken schlägt die Analyse der EZB mehr oder minder stark ins Kontor, auch wenn nicht jede Bank den Effekt auf Anfrage beziffern will, wie etwa die BayernLB. Wie im Markt zu erfahren ist, hatten die Münchener Landesbank und deren Tochter DKB wie andere Landesbanken Besuch von den Prüfern. Der Effekt aufs Kapital sei noch nicht abzuschätzen, heißt es. Heftiger Einschlag bei AarealDie Helaba hat eigenen Angaben zufolge im vergangenen Jahr Prüfungen zum Marktpreisrisikomodell und zu einem Kreditrisikomodell absolviert; 2019 steht eine Prüfung in einem weiteren Kreditrisikomodell an. “Vor dem Hintergrund der Prüfungsergebnisse 2018 erwarten wir keinen signifikanten RWA-Anstieg und damit auch keine signifikanten Auswirkungen auf die Eigenkapitalquote”, heißt es dort. Ebenfalls zwei Prüfungen hat die LBBW hinter sich gebracht, die dritte ist vor wenigen Tagen angelaufen. “Wir kennen derzeit erst Feststellungen aus zwei von drei Prüfungen, welche sich im Rahmen vergleichbarer Banken bewegen”, wird in Stuttgart mitgeteilt: “Diese haben nur geringfügige Auswirkungen auf die Kapitalquote der Bank.”Einen heftigen Einschlag muss dagegen die Aareal Bank hinnehmen. In ihrem Fall ließ TRIM die harte Kernkapitalquote gemäß den Regeln von Basel III um nicht weniger als 3,5 bis 4 Prozentpunkte fallen, wie ein Sprecher auf Anfrage erklärt. Nachdem der Wiesbadener Immobilienfinanzierer die “erwarteten relevanten Auswirkungen von TRIM zu gewerblichen Immobilienfinanzierungen” neben Empfehlungen der Aufseher zu faulen Krediten berücksichtigt hatte, schrumpfte die harte Kernkapitalquote 2018 laut Geschäftsbericht letztlich um 2,4 Prozentpunkte, und zwar von 19,6 % auf 17,2 %. Im Haus führt man dies auf einen hohen Anteil von Portfolien mit geringen Risiken zurück, welche TRIM besonders stark verändere. Mit einem Wert von 17,2 % steht das Haus noch prima da. Nach den künftigen Baseler Kapitalregeln, die den Einsatz interner Modelle deutlich einschränken und ab 2022 einzuführen sind, wäre die Aareal Bank Ende 2018 indes auf eine harte Quote von gerade noch 13,2 % gekommen.Dies kann kaum verwundern, denn schon als die Bank 2011 den auf internen Modellen basierenden Ansatz zur Ermittlung ihres Eigenkapitalbedarfs eingeführt hatte, war ihre Kernkapitalquote rückwirkend per Ende 2010 von 10,5 % auf 12,9 % gestiegen. Es zeugt vom gehörigen Spielraum, den der Einsatz interner Modelle Aufsehern und Banken bietet – und deutet mittelbar als Beleg auf die Notwendigkeit von TRIM hin.