Die Herrenklubs der Assekuranz

Bei Versicherungsvereinen wechselt meist der Vorstandschef direkt auf den Sessel des Chefkontrolleurs

Die Herrenklubs der Assekuranz

Von Antje Kullrich, DüsseldorfSie sehen sich gerne als die Guten in der Assekuranz. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) halten den genossenschaftlichen Gedanken hoch, müssen keine Rücksicht auf Aktionärsinteressen nehmen und wahren Traditionen. In Sachen Corporate Governance jedoch wirken sie altmodisch. Was bei börsennotierten Unternehmen schon längst verboten und nur noch in Ausnahmefällen erlaubt ist, ist im Vereinslager immer noch Standard: Der scheidende Chef wird nicht Rentner, sondern Aufseher. In sieben der neun größten deutschen Versicherungsvereine ist der amtierende Aufsichtsratsvorsitzende direkt vom Vorstandsvorsitz auf den Sessel des Chefkontrolleurs gewechselt.Von einer Abkühlphase – der Corporate Governance Kodex für gelistete Unternehmen schreibt zwei Jahre vor – halten die VVaG wenig. Jüngstes Beispiel ist die Debeka, der größte deutsche Assekuranz-Verein. Der langjährige Lenker Uwe Laue wechselte zum 1. Juli auf den Sessel des Chefkontrolleurs. Jetzt muss er – gerade im langfristig ausgerichteten Geschäft eines Kranken- und Lebensversicherers, wie es die Debeka ist – Entscheidungen überprüfen, die er selbst gefällt hat. Die Debeka selbst hat damit kein Problem: Für sie steht die Wahrung der Kontinuität an oberster Stelle. Mit Laue, so sagt ein Sprecher, rücke ein Manager an die Aufsichtsratsspitze, der das Unternehmen wie kaum ein anderer kenne und die Philosophie der Debeka verkörpere.Das potenzielle Kontrollproblem sehen Außenstehende schärfer: “Corporate Governance sollte nicht bei Vereinen aufhören. Gerade für einen VVaG mit Marktbedeutung wäre es ein Zeichen guter Unternehmenshygiene, die Regelungen börsennotierter Unternehmen freiwillig zu übernehmen”, betont Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten.Doch in Personalfragen tun sich die Vereine generell mit modernen Strukturen schwer. VVaG wirken mitunter wie gepflegte Herrenclubs. Die Herren bleiben dort gerne unter sich. Der Frauenanteil in den Vorständen ist bei den großen Vereinen so niedrig wie sonst nirgends in der Assekuranz. In nur drei der zehn größten Gesellschaften gehören Frauen dem obersten Leitungsgremium an.Doch es gibt Gesellschaften, die umdenken (müssen). Ihre Unternehmenspolitik in Sachen Kontrolle tatsächlich geändert hat die Alte Leipziger, die – es mag Zufall sein oder nicht – auch ein weibliches Vorstandsmitglied hat. Auch die Alte Leipziger berief 2009 mit Wolfgang Stertenbrink noch ihren Vorstandschef auf den Aufsichtsratsvorsitz. Walter Botermann jedoch, der Ende Juni vor wenigen Tagen mit 65 nach neun Jahren auf dem Chefposten ausschied, ging, ohne ein Mandat im Aufsichtsrat zu erhalten. “Wir halten uns an den Corporate Governance Kodex, auch wenn wir nicht börsennotiert sind”, sagt ein Sprecher. Das mag auch mit der Kundenstruktur der Alten Leipziger zusammenhängen. Der Versicherer zählt diverse Großkonzerne im betrieblichen Geschäft zu seinen Kunden. In Ausschreibungen legen diese Wert auf gute Unternehmensführung nach den Kriterien für Publikumsgesellschaften.